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KOLLATERAL/020: Südsudan - Auch neue Feuerpause gebrochen, bis zum Frieden noch ein langer Weg (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2014

Südsudan: Auch neue Feuerpause gebrochen - Bis zum Frieden noch ein langer Weg

von Andrew Green


Bild: © Andrew Green/IPS

Tausende Vertriebene in Minkaman im Nordosten des Südsudans. Sie sind Teil des Heeres aus hunderttausenden Menschen, die seit Ausbruch des Konflikts im Dezember geflohen sind
Bild: © Andrew Green/IPS

Juba, 16. Mai (IPS) - Im Südsudan sind die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der monatelangen Kämpfe zerstoben. Die neue Feuerpause hielt keine sieben Stunden - Zeugnis des tiefen gegenseitigen Misstrauens der beiden Konfliktparteien.

Das erste Abkommen zur Einstellung der Feindseligkeiten hatte immerhin einige Tage Bestand, dann flammten die Kämpfe im Nordosten wieder auf. Seither starben tausende Menschen, hunderttausende sind auf der Flucht.

"Der Konflikt geht tief. Deshalb wird der Frieden im Südsudan lange auf sich warten lassen", mutmaßt Deng Chioh, der bereits im Dezember mit acht Angehörigen vor der Gewalt in der Hauptstadt Juba auf das nahe gelegene Gelände der UN-Friedenssicherungsmission UNMISS am Fuße des Jebelbergs geflohen war. Seiner Meinung nach werden die Kämpfe nicht enden, solange Salva Kiir Staatspräsident ist.

Die Zeremonie zur Unterzeichnung des Waffenstillstands am 9. Mai war das erste Treffen seit Ausbruch der politischen Krise am 15. Dezember, als Riek Machar protestierend ein Treffen seiner Regierungspartei verlassen hatte. Wenige Stunden später brachen in verschiedenen Militärkasernen in Juba Kämpfe zwischen Kiir- und Machar-Anhängern aus. Der Staatschef unterstellte seinem Vize daraufhin Putschabsichten. Doch die Geschwindigkeit, mit der sich der Konflikt auf das ganze Land ausweitete, haben Zweifel an der Version aufkommen lassen.

Das Zusammentreffen am 9. Mai war auf internationalen Druck hin zustande gekommen. Die USA hatten gegen die Militärführer beider Lager Sanktionen verhängt und mit weiteren Strafmaßnahmen gedroht.

Im Rahmen des wiederbelebten Abkommens verpflichteten sich beide Seiten nicht nur dazu, die Waffen ihrer jeweiligen Soldaten binnen 24 Stunden zum Schweigen zu bringen, sondern darüber hinaus den Hilfsorganisationen den Zugang zu den Kampfgebieten zu ermöglichen. Die UNMISS kündigte wenige Stunden nach Unterzeichnung des Abkommens an, mit der Verteilung lebensrettender Hilfe zu beginnen.


Land gespalten

Inzwischen treibt immer mehr Menschen die Sorge um, wie sich das zutiefst gespaltene Land nachhaltig befrieden lässt. Wie groß der Abgrund ist, zeigte sich in den Tagen vor dem Treffen, als UNMISS einen Bericht herausgab, der schwere Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten während der fortgesetzten Zusammenstöße dokumentiert. Die Rede ist von Mord, Vergewaltigung und Verschwindenlassen.

Von Anfang an spielten ethnische Rivalitäten zwischen Kiirs Dinka und Machars Nuer in dem Konflikt eine Rolle. Und die Gewalt gegen Zivilisten hat das Misstrauen unter den vielen unterschiedlichen Gruppen weiter vertieft.

Den Rebellen wird unter anderem vorgeworfen, mehr als 200 Menschen in einer Moschee im nördlichen Bentiu, der Hauptstadt des Bundesstaates Unity, ermordet zu haben. Fast 80.000 Menschen haben sich inzwischen im Umfeld der UNMISS eingefunden, etwa 10.000 auf dem Gelände, auf dem sich auch mehrere UN-Bürogebäude befinden. Wenn die Mitarbeiter aus den Fenstern schauen, blicken sie auf ein riesiges provisorisches Auffanglager mit Hütten aus Holzbrettern, Blechresten und Plastikplanen.

Bild: © Mackenzie Knowles-Coursin/IPS

Frauen und Kinder legen mit ihrem Boot in Mingkaman im Landkreis Awerial im südsudanesischen Bundesstaat Lakes an. In weniger als einem Monat überquerten 84.000 Menschen, die vor den Kämpfen in Bor geflohen waren, den Nil, um nach Awerial zu gelangen
Bild: © Mackenzie Knowles-Coursin/IPS

Auf dem UNMISS-Areal fanden auch diejenigen Nuer Schutz, denen auf dem Höhepunkt der Zusammenstöße die Flucht vor den Soldaten gelungen war, die damals Haus-zu-Haus-Durchsuchungen durchführten. Dem UNMISS-Bericht zufolge drangen uniformierte Männer in einzelne Stadtteile ein und befragten die Bewohner in der Sprache der Dinka. "Wenn sich eine auf diese Weise befragte Person als Nuer outete, kein Dinka sprach oder Nuer beherrschte, wurde sie erschossen", heißt es in dem Menschenrechtsbericht.

Mitglieder der Dinka-Gemeinschaft äußerten sich kritisch über die Möglichkeit eines Friedens, sollte Macha aufgefordert werden, sich an der Bildung der nächsten Regierung zu beteiligen. Bisher gibt es keine politische Lösung zur Heilung der nationalen Wunden.


"Die einzige Option lautet Vergeben"

"Die einzige Option lautet Vergeben", meinte Reverend Bernard Oliya Suwa gegenüber IPS. Sollte die Feuerpause irgendwann halten, wird es seine Aufgabe sein, Chioh und unzählige andere von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Weg des Wiederaufbaus zu wählen. Suwa ist der Generalsekretär des Nationalen Friedens-, Versöhnungs- und Heilungskomitees.

Das Komitee existierte schon vor dem Konflikt. Kiir hatte das von ihm geleitete fünfköpfige Gremium im April letzten Jahres eingerichtet, religiöse Führungspersönlichkeiten hatten die Mitglieder ausgewählt. Das Komitee sollte das Unrecht, dass während des jahrzehntelangen südsudanesischen Unabhängigkeitskrieges gegen Khartoum begangen worden war, aufklären.

Anfang Dezember schlug das Gremium vor, auf Landkreisebene 'Friedensmobilisierer' zu rekrutieren. Diese sollten über mehrere Monate in ihren Gemeinschaften bleiben, um Zeugenberichte zu sammeln und diese an die lokalen Mediatoren weiterzuleiten. Schwere Übergriffe sollten den bundesstaatlichen oder nationalen Komitees gemeldet werden.

Die Pläne wurden inzwischen den neuen Gegebenheiten angepasst. Die Mitglieder des Komitees arbeiten mit zwei weiteren Instanzen einschließlich einem parlamentarischen Ausschuss zusammen, um eine breitere Nationale Plattform für Frieden und Versöhnung zu bilden.

Auch Suwa bestätigte, dass "das Misstrauen im Land tief geht". Jedoch ist er überzeugt, dass die Ausschussmitglieder einen Beitrag leisten könnten, um hier gegenzusteuern. Voraussetzung sei allerdings Frieden. Die neue Feuerpause bezeichnete er als "ungemeine Erleichterung, da wir endlich weitermachen und unsere Programme durchziehen können".

Offiziell in Kraft getreten ist der neue Waffenstillstand am 10. Mai. UN-Vertreter bestätigten, dass gleich am darauffolgenden Morgen in und um Bentiu wieder geschossen wurde. Noch am gleichen Tag, als Kiirs Flugzeug in Juba den Boden berührte, warfen sich beide Seiten gegenseitig vor, die neuerlichen Kämpfe provoziert zu haben. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/05/peace-long-time-coming-south-sudan/

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IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2014