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STANDPUNKT/069: Militäraktion in Libyen - Feuer einstellen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 12 vom 25. März 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Feuer einstellen!

Von Georg Polikeit


Fast auf den Tag genau acht Jahre nach dem Irak-Krieg haben die USA, Frankreich und Großbritannien am 19. März eine neue große Militäraktion in Libyen gestartet - "die größte internationale Militärintervention in der arabischen Welt seit dem Einmarsch der US-Truppen in den Irak 2003" (ARD-Tagesschau, 20.3.).

Hunderte Bomben und Raketen wurden, Tod und Zerstörung bringend, bereits in den ersten Tagen dieser "mehrphasigen Militäroperation" unter dem Codenamen "Odyssey Dawn" ("Morgenröte der Odyssee") von Kampfflugzeugen und Kriegsschiffen im Mittelmeer auf Libyen abgeschossen.

Den rechtlichen Vorwand dafür lieferte die am 17. März mit zehn gegen fünf Stimmen beschlossene Resolution Nr. 1973 des UNO-Sicherheitsrats. Sie verkündete nicht nur eine "Flugverbotszone", sondern genehmigte auch Militärschläge aus der Luft und von See her. Nur die "Stationierung einer ausländischen Besatzungsmacht" wurde ausgeschlossen. Bedauerlicherweise wurde diese Resolution nicht durch Vetos Russlands oder Chinas gestoppt. Sie begnügten sich mit Stimmenthaltung, der sich neben Brasilien und Indien auch der Vertreter Deutschlands anschloss, was aber den Interventionsakteuren freie Hand ließ.

Der Verlauf der Angriffsoperationen bestätigte bereits in den ersten Tagen, dass es nicht nur um eine "Flugverbotszone" und den "Schutz der Zivilbevölkerung" geht. Als großen Erfolg meldeten die westlichen Kommandostäbe vielmehr, dass es gelungen sei, Militärkolonnen und Panzer der Gaddafi-Armee beim Vormarsch auf die "Rebellenhauptstadt" Bengasi zu vernichten, und dass die Milizen der "Aufständischen" daraufhin in einigen Städten, die sie zuvor aufgeben mussten, angeblich ihre Macht wieder herstellen konnten. Das heißt: der "westliche" Militäreinsatz bedeutet eine einseitige und offene Parteinahme im libyschen Bürgerkrieg zugunsten der "Rebellen". Deshalb wurde er von diesen auch mit frenetischem Jubel begrüßt. Es geht nicht um "humanitäre Ziele", sondern um einen "regime change" ("Regimewechsel"). Das Gaddafi-Regime soll durch die Herrschaft der in Ostlibyen entstandenen Koalition der "Aufständischen" über Libyen ersetzt werden. Dies ist allerdings in der UNO-Sicherheitsresolution nicht als Ziel formuliert. Deshalb verstößt dieses Vorgehen gegen das beschlossene UNO-Mandat. Es ist völkerrechtswidrig, weil einseitiges Eingreifen ausländischer Staaten in einen innerstaatlichen Bürgerkrieg ohne Genehmigung der UNO nach dem Völkerrecht verboten ist.

Weil das eigentliche Ziel der "Regimewechsel" ist, hatten auch alle Vermittlungsversuche, angefangen vom venezolanischen Staatspräsidenten Chávez bis zum Vorschlag einer "afrikanischen Regelung" durch die Afrikanische Union, keine Chance. Auch die zweimalige Ankündigung eines Waffenstillstands durch Sprecher des Gaddafi-Regimes wurde einfach unter den Tisch gefegt.

Das Ziel der westlichen Militärintervention ist nicht der Schutz der Bevölkerung und die friedliche Regelung des Konflikts, sondern die Errichtung eines anderen politischen Regimes über Libyen. Von ihm erhoffen sich die Interventionsmächte, dass es sich als einheimischer Statthalter für die Öl- und Rohstoffinteressen westlicher Großkonzerne und für die Machtinteressen von USA und EU im Mittelmeer- und Nahostraum noch besser eignet als das Gaddafi-Regime in den letzten Jahren. Es geht dabei nicht nur um die reichen libyschen Ölvorräte. Es geht um die Beherrschung Libyens durch ein Regime, das der imperialistischen Nahost- und Mittelmeerpolitik von USA und EU an der Seite Israels als Stützpfeiler dient. Da man sich der künftigen "Zuverlässigkeit" des bisherigen Verbündeten Ägypten nicht mehr so sicher sein kann, ist dies für die imperialistischen Metropolen von besonderer Wichtigkeit.

Nicht zuletzt soll damit auch ein "warnendes Beispiel" gegen jene gesetzt werden, die in Tunesien, Ägypten oder anderswo in diesem Teil der Welt daran denken sollten, einen eigenen nationalen Entwicklungsweg einzuschlagen und sich den "strategischen Vorgaben" der imperialen Großmächte nicht mehr so willig wie bisher beugen. Das ist die imperialistische Gegenreaktion auf die "arabischen Revolutionen".

Es ist absurd zu glauben, dass durch Bomben- und Raketenangriffe "humanitären Zielen" in Libyen gedient werden könnte. Der einzige Weg zu einer Regelung im Namen der Humanität bleibt die sofortige Einstellung aller Kampfhandlungen aller beteiligten Seiten und die Aufnahme von Verhandlungen über eine friedliche Regelung gemäß dem Vorschlag der "Afrikanischen Union". Das Libyen-Komitee der AU hat sich bereit erklärt, nach Libyen zu reisen und dort als Vermittler tätig zu werden.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 12 vom 25. März 2011, Seite 1
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2011