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STREITSCHRIFT/013: Das "dicke Ende" kommt noch! (Hans Fricke)


Das "dicke Ende" kommt noch!

Von Hans Fricke, 9. Juli 2009


Wie ein Virus im Computersystem breitet sich die globale Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit aus und steckt immer mehr Länder an. Fehler im System haben zur Folge, dass die Staaten davon in unterschiedlichem Maße betroffen sind. Während die Weltwirtschaftsleistung nach einem Plus von 3,20 % im Jahr 2008 in diesem Jahr um 1,30 % schrumpft, die der USA nach einem Plus von 1,10 % in diesem Jahr um 2,80 % sinkt, die Chinas nach einem Plus von 9 % in diesem Jahr wiederum ein Plus von 6,50 % erreichen wird, bricht die deutsche Wirtschaft nach einem Plus von 1,30 % in diesem Jahr sogar um 6 % ein. Waren und Dienstleistungen im Wert von 157 Milliarden Euro werden weniger nachgefragt als im Vorjahr. In Deutschland wurde die Wirtschaft mit sinkenden Löhnen und staatlichem Sparkurs auf Export getrimmt. In der Krise schwächelt die Nachfrage aus dem Ausland, was die deutsche Exportwirtschaft besonders hart trifft.
Hunderttausende Arbeitsplätze sind in Gefahr. Opel, Karstadt, Porsche, Continental, die Werften in Warnemünde und Wismar, Kettler, Märklin, Wolwoorth - kaum ein großer Firmenname, der nicht mit Pleite und Entlassungen in Verbindung gebracht wurde. Die Arbeitsmarkt-Experten warnen:
Die große Entlassungswelle steht noch bevor, sie wird zur Zeit lediglich durch Kurzarbeit verzögert. Die Mehrheit der 30 DAX-Konzerne hat Massenentlassungen angekündigt. Zwei Millionen Beschäftigte wurden bereits zu Kurzarbeit und Lohnverzicht gezwungen.
Unsere Wirtschaft steht vor dem Kollaps; heimlich hat die Bundesregierung große Firmen gebeten, ihre Massenentlassungen auf den Termin nach der Wahl zu verschieben.

Die Regierung kalkuliert mit 3,7 Millionen Arbeitslosen am Ende des Jahres. Für das Jahr 2010 liegen die Schätzungen bei 4,6 bis 4,7 Millionen Menschen ohne Lohnarbeit. Das ganze Ausmaß der Krise ist in Deutschland aber noch nicht sichtbar. Prof. Klaus Dörre rechnet mit ersten Massenentlassungen im Sommer. "Dann haben wir andere Verhältnisse", sagt er. Hierzulande verzögere noch das Instrument der Kurzarbeit den Abschwung am Arbeitsmarkt.

Mit mehr als 150 Milliarden Euro haften die Steuerzahler bisher für den Verlust maroder Banken. Jetzt werden sie erneut zur Kasse gebeten. Nach einer Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung sollen die Steuerzahler für Giftpapiere der Banken in Höhe von bis zu 258 Milliarden Euro zusätzlich haften. Das ist fast die Größe des gesamten Bundeshaushalts. Die meisten deutschen Bankhäuser befinden sich in einer Abwärtsspirale. Jedes Vierteljahr müssen sie einen Teil ihrer unverkäuflichen riskanten Bankanlagen abschreiben. Das zehrt das Eigenkapital auf. Zahlreichen Banken droht deshalb die Pleite wegen Überschuldung. (Nicht ohne Grund heißen die faulen Kredite plötzlich toxische Kredite) Jetzt eilt die Bundesregierung den Banken und ihren Aktionären mittels sogenannter Bad Banks zur Hilfe. Dank der Bad Banks können die maroden Banken ihre Giftpapiere in ihren Bilanzen einfach durch Wertpapiere ersetzen, für die der Staat und somit die Steuerzahler haften. Typisch dabei ist, dass der Wert der Giftpapiere durch "Experten" ermittelt wird, die in der Vergangenheit selbst am Glücksspiel der Zockerbanken beteiligt waren.
Für die Banken und ihre Aktionäre ist dieser Deal fast ohne Risiko. Geht er schief, dann fordern sie einfach weitere Milliarden vom Staat, der auf die eingeplanten Einnahmen aus Garantiegebühren und Ausgleichszahlungen angewiesen ist, denn sie wissen aus Erfahrung: Auf die Bundesregierung können sie sich verlassen. So ermuntert die Regierung mit den Staatsgarantien die Banken, mit ihrer Zockerei weiterzumachen. Wirksame Regeln, die diese Zockerei verbieten würden, existieren trotz lauthalser Ankündigungen der Kanzlerin und des Finanzministers noch immer nicht.
Die Versuche der Regierung zu verschweigen, dass die Bad Banks Zeitbomben darstellen und sowohl die heutigen als auch die ihnen folgenden Steuerzahler jahrzehntelang, das heißt, wenn sich kaum noch an die heute Regierenden mit ihren großzügigen Spendierhosen zugunsten der Superreichen und Reichen erinnert, haften müssen, ist Teil des Skandals. So wird der Öffentlichkeit vorgegaukelt, die Banken hätten nur noch gute Jahre vor sich und könnten so die Verluste aus ihren Giftpapieren zurückzahlen. Das Beispiel Commerzbank beweist das Gegenteil. Ihr überwies die Bundesregierung kürzlich eine stille Einlage von 16 Milliarden Euro und erklärte stolz, die Bank müsse fortan jährlich neun Prozent Zinsen zahlen. Aber weil das Unternehmen Verluste einfährt, erhält der Staat keinen Cent Zinsen. Bisher überwies Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) der Commerzbank viermal so viel Geld, wie diese Bank wert ist.

Bekanntlich hat die Regierung einen Fonds zur Rettung der Banken (SoFFin) eingerichtet. Bisher hat sie folgenden Banken 132,2 Milliarden Euro Bürgschaften und 21,9 Milliarden Euro Kapitalhilfen gegeben:

55,2 Mrd.
33,2 Mrd.
30,0 Mrd.
15,0 Mrd.
6,7 Mrd.
5,0 Mrd.
4,5 Mrd.
2,5 Mrd.
2,0 Mrd.
Hypo Real Estate (HRE)
Commerzbank
HSH Nordbank
Landesbank Bayern
Sicherungseinrichtungsgesell. deutscher Banken (SdB)
IKB
Aareal Bank
Düsseldorfer Hypothekenbank
Volkswagenbank

(Quelle: Pressemitteilungen Ad-hoc-Informationen der Unternehmen, Stand: 2.Juni 2009)


Mit "Schulden ohne Ende" lassen sich die am 8. Juli 2009 vom Finanzplanungsrat vorgelegten Zahlen beschreiben, wonach die öffentlichen Haushalte bis zum Jahr 2013 neue Schulden in Höhe von insgesamt 509 Milliarden Euro machen. Demnach wird Deutschland in diesem Zeitraum jedes Jahr die Defizitobergrenze der EU von drei Prozent überschreiten. Im kommenden Jahr soll sogar der Rekordwert von sechs Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) erreicht werden. Den Finanzexperten zufolge müssen Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr 112,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Im kommenden Jahr sind es dann sogar 132,5 Milliarden Euro.

Mit dieser Art "Krisenbewältigung" setzt die seit vier Jahren regierende Koalition von CDU/CSU und SPD ihre "stolze" Bilanz fort: Reiche sind reicher, Arme ärmer geworden! Am Anfang und am Ende der Großen Koalition steht der Große Wahlbetrug: am Anfang der Mehrwertsteuerbetrug der SPD, am Ende stehen gigantische neue Staatsschulden und das gleichzeitige Versprechen baldiger Steuersenkungen durch die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die Hälfte aller von 2005 bis 2008 neu geschaffenen Arbeitsplätze sind prekäre Jobs: Ein-Euro-Jobs, Mini-Jobs, 6,5 Millionen Menschen arbeiten heute zu Niedriglöhnen; betroffen sind besonders Frauen. Die Zahl der Hartz-VI-Aufstocker ist von 2005 bis 2008 von 900 000 auf 1,55 Millionen gestiegen. In der Zeit von 2004 bis 2008 sind die Einkommen aus Kapitaleinkünften und Vermögen um 14,5 % gestiegen, wogegen die Reallöhne um 3,7 sanken. (Quelle: Bundesministerium der Finanzen)
Der weltweite Einsatz deutscher Soldaten und die dabei Getöteten und Verwundeten gehören ebenso zu dieser Bilanz wie die weitere Anhäufung ungeheuren Reichtums in den Händen weniger.

Laut Boston Consulting Group leben in Deutschland 122 Milliardäre und 400 000 Millionäre. Mit einem Anteil von 10,05 Dollar-Millionären pro 1000 Einwohner im Jahr 2007 übertraf Deutschland sogar die USA mit 10,03 (Quelle: Merrill Lynch/Capgemini, World Wealth Report 2008). Zu den reichsten Deutschen zählen die Gründer der Aldi-Märkte, Karl und Theo Albrecht, mit jeweils rund 17 Milliarden Euro und die Familie Porsche mit 15,5 Milliarden Euro. In keinem anderen Industriestaat werden Milliardäre und Millionäre so geschont wie in Deutschland. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 lag Deutschland bei Steuern auf Eigentum mit einer Quote von 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2007 unterhalb des OECD-Durchschnitts, weit hinter Ländern wie Großbritannien und den USA.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat jüngst festgestellt, dass das Vermögen in Deutschland im Jahr 2007 noch ungerechter verteilt war als fünf Jahre zuvor. 23 % des gesamten privaten Vermögens in Deutschland in Höhe von rund 6,6 Billionen Euro konzentrierten sich bei einem Prozent der Bevölkerung. Das reichste Zehntel besaß 61 % des Gesamtvermögens. Fünf Jahre zuvor waren es 58 %. Die untersten 70 % besitzen fast gar nichts, nämlich lediglich 9 % aller Vermögen - weniger als 2002. Die Bundesregierung verschärft die Spaltung der Gesellschaft, indem sie die Vermögenden systematisch begünstigt. Heute zahlt ein Einkommensmillionär dank der Steuerreform von SPD und Grünen jährlich 100 000 Euro weniger als noch in den 1990er Jahren. Noch deutlicher ist die Körperschaftssteuer ausgefallen, die bei den Aktiengesellschaften und GmbHs erhoben wird. Allein dadurch kam es von 2001 bis 2008 zu Steuerausfällen von über 100 Milliarden Euro.

Weil die Krise den Staatshaushalt belastet, geraten die Sozialkassen zunehmend unter Druck. Der Arbeitslosenversicherung fehlen schon heute Milliarden. Aber CDU/CSU und SPD spielen auf Zeit. Nach der Bundestagswahl drohen Zusatzbeiträge bei den Krankenkassen und Nullrunden bei den Rentnern. Die Ausgaben für Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld explodieren. Gleichzeitig sinken die Beitragseinnahmen. Bis 20 Milliarden Euro fehlen alleine bis Ende des Jahres 2009. Jährlich stehen 30 Milliarden Euro weniger zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur Verfügung als in der letzten Wirtschaftsflaute, weil die Bundesregierung den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 auf 2,8 % gesenkt hat. Der Gesundheitsfonds gerät zum Fiasko. Immer mehr Krankenkassen geht das Geld aus. Viele Versicherte müssen deshalb mit zusätzlichen Beiträgen rechnen. Krankenkassen-Experten wie Ingo Kalluweit befürchten einen "Flächenbrand" von Zusatzbeiträgen. Weil die Löhne sinken, stünden im nächsten Jahr eigentlich erstmals Rentenkürzungen an. Die Bundesregierung hat zwar vor der Wahl versprochen, dass die Renten nicht sinken. Dieses Versprechen müssen die Rentnerinnen und Rentner aber ab dem Jahr 2011 teuer bezahlen: Jede Rentenerhöhung wird dann halbiert; den 20 Millionen Senioren drohen jahrlange Nullrunden bei steigenden Zusatzausgaben auf vielen Gebieten.

Vorschläge und Forderungen der Gewerkschaften, von Sozialverbänden, von Attac und von der Linkspartei zur Überwindung des unverantwortlichen Handelns der Bundesregierung liegen auf dem Tisch. Dazu gehört ein von der Linkspartei gefordertes Investitionsprogramm von 100 Milliarden Euro pro Jahr mit dem Ziel, öffentliche Investitionen anzukurbeln und zwei Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu gehören Maßnahmen, um die Binnennachfrage zu stärken wie: Anhebung der Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger, Erhöhung der Renten um vier Prozent, Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I und ein gesetzlicher Mindestlohn. Das Kurzarbeitergeld sollte nach Meinung der Linkspartei steuerfrei sein. Schließlich brauchen wir eine Staatsgarantie für die Sozialkassen und eine Steuer von mindestens 5 % auf Privatvermögen von mehr als einer Million.

Nach den vielen Milliarden Euro, die der Staat den maroden Banken als "Rettungsschirm" in ihren unersättlichen Rachen geworfen hat und weiter wirft, sollte sich niemand, der politisch ernst genommen werden will, mehr getrauen zu behaupten, für diese genannten Maßnahmen fehle das Geld Zu einem solchen "Schutzschirm für die Menschen" würde beispielsweise auch gehören, Massenentlassungen in Betrieben zu verbieten, die nicht insolvenzgefährdet sind, und Einführung einer paritätischen Mitbestimmung in Betrieben ab 100 Beschäftigten. Zu existenziellen Fragen des Unternehmens sollten Belegschaftsabstimmungen durchgeführt werden. Unternehmen dürften staatliche Hilfe nur im Tausch gegen Eigentumsanteile für die öffentliche Hand und die Belegschaften erhalten.

Die Linke will mit ihrem Steuerkonzept untere und mittlere Einkommen entlasten und endlich bei Vermögenden und Konzernen abkassieren. Insgesamt könnte der Staat so jährlich 137 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen, und zwar:

Reform der Einkommensteuer
Einführung einer Millionärssteuer
Reform der Erbschaftssteuer
Reform der Unternehmensbesteuerung
Börsenumsatzsteuer
Umsatzsteuer
Verbesserung des Steuervollzugs
minus
plus
plus
plus
plus
minus
plus
5 Milliarden Euro
80 Milliarden Euro
8 Milliarden Euro
44 Milliarden Euro
10 Milliarden Euro
10 Milliarden Euro
10 Milliarden Euro

Um diese Forderungen im Interesse der übergroßen Mehrheit unseres Volkes und zur Verhinderung der Wiederholung des unverantwortlichen Missbrauchs wirtschaftlicher Macht und ähnlicher Krisen, wir wie sie heute erleben müssen, durchzusetzen, bedarf es allerdings des politischen Willens der Regierenden. Und an diesem politischen Willen fehlt es jeder neoliberalen Regierung.

Das Treffen der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Nationen Anfang April in London hat keine Antworten auf die Krise gebracht. "Die G 20 rücken keinen Millimeter von der neoliberalen Agenda ab: Milliarden Zusagen für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, das verzweifelte Bekenntnis zur Freihandelslogik und zögerliche Regulierungskosmetik", so bewertet Ulla Lötzer, Sprecherin für internationale Wirtschaftspolitik, die Ergebnisse des G 20-Gipfels. Zudem kritisiert sie, dass aus der angekündigten schwarzen Liste von Steueroasen nur ein Notizzettel mit vier Staaten geworden sei.

Statt nachhaltige Lösungen im Interesse der Bevölkerungsmehrheit setzt die Bundesregierung den Prozess der Umverteilung von unten nach oben fort, wird die parlamentarische Demokratie schrittweise abgeschafft, wird das Land von den Geheimgremien des Bankenrettungsfonds SoFFin regiert und werden die Gesetze von den Finanzoligarchen und ihren Wirtschafsjuristen selbst geschrieben. Parallel dazu wird der Überwachungsstaat weiter ausgebaut und der Einsatz der Armee im Innern vorbereitet. Nimmt man die Gesetzgebung durch die Vorgängerregierung von SPD und Grünen unter Innenminister Otto Schily (SPD) hinzu, dann kommt man in den letzten sieben Jahren auf über 50 "Sicherheits"-Gesetze mit Eingriffen in die Grund- und Bürgerrechte bis hinein in die Privatsphäre der Menschen.

Doch der Widerstand gegen diese Politik formiert sich zusehends und wird in dem Maße stärker, wie die Menschen die Krisenfolgen am eigenen Leibe zu spüren bekommen und die ökonomischen und politischen Zusammenhänge begreifen. Interessant dabei die nach Meinung des letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maisiere, unterschiedliche Wahrnehmung der gegenwärtigen Geschehnisse: Für viele Westdeutsche handle es sich um eine Krise im System, wogegen viele Ostdeutsche darin eine Krise des Systems sähen.

Deutsche und französische Conti-Beschäftigte haben zur Aktionärsversammlung am 23. April 2009 unter der Losung "Tous ensemble - alle zusammen!" erstmals ihren Widerstand gegen komplette Werkschießungen und Massenentlassungen mit Erfolg vereinigt. "Die französischen Kollegen haben uns vorgemacht, wie das geht", sagte ein Conti-Vertrauensmann. Die deutsche Belegschaft von Conti hat bisher keine große Erfahrung mit Arbeitskämpfen. In der Chemieindustrie dominierte bisher die Illusion von der "Sozialpartnerschaft" von Unternehmen und Gewerkschaften. Das ändert sich nun möglicherweise. Aus der Belegschaft werden die Betriebsräte immer häufiger gefragt: "Wann legen wir los wie in Frankreich?" Und der Betriebsrat bei Continental in Hannover, Jürgen Scharna, ist sich sicher: "Wenn den Kollegen das Messer an der Kehle sitzt, sind sie bereit zu kämpfen."

Die Schriftstellerin Daniela Dahn vertritt die Meinung, dass dieser Prozess des gemeinsamen Widerstands von starken sozialen Bewegungen begleitet werden müsse. "Ich weiß gar nicht, warum die Ankündigung sozialer Unruhen Ängste auslöst - sie ist die einzige Hoffnung. Es müssen ja nicht gleich Barrikaden brennen - aber soziale Revolten sind das Einzige, was uns vor dem Raubtierkapitalismus noch retten kann. Um diese Erkenntnis zu verbreiten, bräuchten wir allerdings andere Medien. Ich schlage in meinem Buch ("Wehe dem Sieger") einen linken Weltfernsehsender vor (...) Dass es im Moment noch relativ ruhig ist, liegt vermutlich daran, dass die Krise in ihren praktischen Folgen noch nicht wirklich beim Volk angekommen ist. Die eigentliche Arbeitslosigkeit und deren Folgen stehen noch bevor. Wenn die zunimmt, sollte es mich wundern, wenn die Betroffenen nicht aufwachen und anfangen, sich einzumischen. Wir haben ja in Deutschland kein politisches Streikrecht, man darf nur für seine Lebensverhältnisse streiken. Vielleicht lernen wir von der französischen Protestkultur, die sich sehr viel weniger bieten lässt. Jede Krise ist eine Gefahr, aber auch eine Chance. Wenn die Bürger aktiv werden, könnte sie eher eine Chance sein."

Die zu erwartenden sozialen Unruhen in von der Krise besonders betroffenen Ländern, vor denen der DGB-Vorsitzende Michael Sommer auch in Deutschland immer öfter warnt, können erfahrungsgemäß mit Hinweis auf eine "angespannte äußere Sicherheitslage" (Krieg?) unter Kontrolle gebracht werden. Das ist der Grund, weshalb die immer lauter werdenden Kriegsdrohungen Israels gegen den Iran und ihre demonstrative Duldung durch die Obama-Administration sehr ernst genommen werden sollten.
Halten wir es also mit Georg Orwell: "In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt."


Hans Fricke ist Autor des im August 2008 im Berliner Verlag am Park erschienenen Buches "Politische Justiz, Sozialabbau, Sicherheitswahn und Krieg", 383 Seiten, Preis 19,90 Euro. ISBN 978-3-89793-155-8


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Quelle:
© 2009 Hans Fricke, Rostock
mit freundlicher Genehmigung des Autors
  


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2009