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LAIRE/1079: Jugendliche als Spitzel - Vorbereitung aufs Leben (SB)


Innenminister beraten über Konzept, jugendliche Spitzel den für Minderjährige verbotenen Alkohol kaufen zu lassen


Unbestätigten Gerüchten zufolge hat es in Niedersachsen einen gewaltigen Ansturm von Jugendlichen aufs Amt gegeben, nachdem das Bundesland ihnen die Möglichkeit eingeräumt hat, sich als Testkäufer für Alkohol zu betätigen. Die große Mehrheit dürfte sich alsbald wieder davongetrollt haben, als ihr mitgeteilt wurde, daß sie bei einem erfolgreichem Kauf den Alkohol nicht behalten darf. Also müssen die Jugendlichen weiter ihre älteren Geschwister oder volljährigen Freunde bitten, ihnen den Fusel zu besorgen, um sich vom Schulnerv zu betäuben. Das kostet sie vielleicht die eine oder andere Schachtel Zigaretten oder eine Einladung auf die Party als Gegenleistung, aber an den Stoff kommen sie weiter heran.

Kein Gerücht dagegen sind Überlegungen der Innenminister, das bislang nur in Niedersachsen praktizierte Verführen von Jugendlichen zu Spitzeldiensten bundesweit zu etablieren. Die Jugendlichen sollen regelrecht im Täuschen geschult werden, damit sie versuchen, in Supermärkten und Tankstellen hochprozentigen Alkohol zu kaufen. Wobei ihnen gleichzeitig von Erwachsenen eingeredet werden soll, daß ihr Arbeit als Lockvogel, also das absichtliche Hintergehen von Mitbürgern, einer guten Sache dient, nämlich den Alkoholkonsum unter Jugendlichen einzudämmen. Keinerlei Unterstützung erhalten die Jugendlichen hinsichtlich der Beseitigung der Voraussetzungen des Alkoholkonsums, der im sogenannten Komasaufen seine exzessivste, fast schon suizidalen Form gefunden hat.

Am Freitag will der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) das in seinem Bundesland praktizierte Lockvogelsystem seinen Amtskollegen aus ganz Deutschland vorstellen. Eine bundesweite Regelung sähe vermutlich vor, daß die Täter mindestens 17 Jahre alt sind, eine schriftliche Einwilligung der Eltern vorliegt, ein Zivilbeamter Schmiere steht, der gegebenenfalls erworbene Alkohol sofort wieder abgegeben wird und bei Verstößen unverzüglich verwarnt oder sanktioniert wird.

Der pädagogische Nutzen des Programms für die Jugendlichen kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Sie lernen beispielsweise spielerisch, ihre Mitmenschen zu hintergehen, und machen sich mit dem Gedanken vertraut, daß der Staat die Bürger unter Generalverdacht stellt. Des weiteren muß dem Spitzelprogramm ein berufsvorbereitender Aspekt zugesprochen werden, erfahren doch die jugendlichen Testkäufer, ob sie Neigungen verspüren, sich für die Laufbahn eines Undercover-Agenten bei den Polizeien zu bewerben.

Ansonsten muß davon ausgegangen werden, daß bei einer Kriminalisierung der Droge Alkohol - und dazu trägt das Lockvogelprogramm bei - eine ähnliche Entwicklung eintritt wie beim Konsum verbotener nicht-alkoholischer Rauschmittel. Der Erwerb wird tendenziell in ein kriminelles Milieu verlagert, was möglicherweise mit größeren gesundheitlichen Schäden der Konsumenten einhergeht.

Aus der Sicht der Jugendlichen stellen sich Verbote welcher Art auch immer nicht als Teil der Lösung, sondern des Problems dar. Ein mittels jugendlichem Spitzeldienst strenger als bisher überwachtes Alkoholverkaufsverbot an Minderjährige wird die Not, die der Suche nach dem Rausch zugrunde liegt, nicht lindern, sondern verstärken, auch wenn vordergründig weniger Alkohol direkt an Jugendliche verkauft werden sollte.

4. Juni 2009