Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

LAIRE/1237: Taliban-Angriff auf US-Hilfsorganisation DAI (SB)


Globaler Krieg um Vorherrschaft - Aktueller Schauplatz Afghanistan

Diente DAI auch in Afghanistan als Tarnorganisation der CIA?


Die Taliban haben heute morgen in Kundus ein Büro der US-Hilfsorganisation Development Alternatives Inc. (DAI) angegriffen und mehrere Menschen getötet. Auch ein deutscher Wachmann zählt zu den Opfern. Aus der Sicht der Taliban dürfte es sich bei dem Büro allein deshalb um ein legitimes Ziel gehandelt haben, weil die Alliierten ihre zivil-militärische Zusammenarbeit laufend weiter ausbauen. Das gilt für die USA, aber auch für Deutschland. Sehr zum Leidwesen von Hilfsorganisationen streben Verteidigungsminister Karl-Theodor von und zu Guttenberg und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel eine enge Verzahnung von Aufstandsbekämpfung und Aufbau des Landes an. Sofern die bewaffneten Kämpfer der Taliban jemals zwischen zivilen und militärischen Funktionen der - aus ihrer Sicht - Besatzer unterschieden haben, so muß sich der Eindruck inzwischen vollends verwischt haben. Spätestens nach neun Jahren Krieg gelten sämtliche westliche Institutionen als Angriffsziel, ob sie Aufbau leisten oder Aufbauarbeit zerstören.

Neben den genannten Gründen erschließt sich möglicherweise ein weiteres Motiv für den Angriff auf das DAI-Büro. Die Organisation geriet in die Schlagzeilen, weil sie anscheinend vom Geheimdienst CIA als Tarnung benutzt wurde, um Oppositionsgruppen in Kuba und Venezuela zu unterstützen. Die Vermutung, daß auch das Büro in Afghanistan als CIA-Basis gedient hat, dürfte kaum aus der Welt zu schaffen sein, denn die US-Regierung, die darüber aufklären könnte, würde eine solche Behauptung in jedem Fall bestreiten.

DAI arbeitet als Vertragspartner für die US-Entwicklungshilfeorganisation USAID, das US-Außenministerium und auch das Pentagon. Am 12. Dezember vergangenen Jahres berichtete die "New York Times", daß ein DAI-Mitarbeiter in Kuba verhaftet wurde, weil er Mobiltelefone, Computer und weitere Kommunikationsausrüstung an kubanische Dissidenten und konterrevolutionäre Kräfte auf der Insel ausgegeben hatte, wie Eva Golinger für die Website Global Research am 14. Dezember berichtete.

Laut Golinger hat der US-Kongreß 40 Millionen Dollar für die Förderung der Transition zur Demokratie in Kuba freigegeben, und DAI habe den größten Auftrag, das "Cuba Democracy and Contingency Planning Program", zugesprochen bekommen. Im Juni 2002 erhielt DAI einen Auftrag von USAID und hat in Venezuela ein Büro für "Transitions-Initiativen" eröffnet, und das nur zwei Monate nach einem gescheiterten Versuch, Präsident Hugo Chávez zu stürzen.

Ein Regime-Change, wie es die USA in Kuba und Venezuela anstreben, steht zur Zeit in Afghanistan nicht an; an Aufgaben für die CIA wird es dennoch nicht mangeln. Ob der Verdacht berechtigt ist oder nicht, mittlerweile gibt es keine westliche Einrichtung, die sich nicht als potentielles Angriffsziel sieht. Von den sechs Männern, die am frühen Morgen das DAI-Büro stürmten, haben sich zwei in die Luft gesprengt - davon einer mit dem Auto - und dadurch den Weg für die Nachfolgenden freigemacht. Neben dem deutschen Wachmann, der aus Schleswig-Holstein stammt und bei einer privaten Sicherheitsfirma angestellt war, wurden mindestens noch ein afghanischer Wachmann und ein ebenfalls aus Afghanistan stammender Polizist getötet.

Es gibt zahllose Anlässe dafür, daß sich die Bundeswehr und mit ihr die Alliierten aus Afghanistan unverzüglich zurückziehen. Der aktuelle Vorfall in Kundus wäre einer davon. Der Afghanistan-Feldzug stand von Anfang an unter dem Vorzeichen, daß die westliche Wertegemeinschaft den asiatischen Transitstaat unter fadenscheinigen Vorwänden angreift, um im Rahmen geostrategischer Pläne einen wichtigen Brückenkopf in Richtung Rußland und Zentralasien bzw. China aufzubauen. Daß Afghanistan zudem über beträchtliche Rohstoffe verfügt, wie allerdings nicht erst seit kurzem bekannt ist, zählt als "Bonusmaterial", das mitzunehmen die Alliierten sicherlich gern bereit sind.

Abgesehen von Ressourcenraub, Sicherung von Handels- und Transferwegen und geostrategischen Zielen verfolgt die von der Nato dominierte westliche Wertegemeinschaft mit dem Angriff auf Afghanistan und der jahrelangen Besetzung auch die Absicht, den Weg dafür zu ebnen, daß sie von anderen Ländern als Weltpolizei anerkannt wird. Wobei die von den Alliierten verübten ordnungspolitischen Gewaltmaßnahmen allein auf dem Recht des Stärkeren beruhen, nicht jedoch auf einem Recht, das die als Opfer dieses machiavellistischen Tuns auserkorenen Völker ebenfalls in Anspruch nehmen könnten. Der Angriff auf das Büro einer Hilfsorganisation erscheint aus westlicher Sicht verwerflich, wohingegen die Bombardierung von Hochzeitsgesellschaften oder Privathäusern durch die Alliierten als entschuldbarer Teil der Befreiung des Landes ausgewiesen wird.

Viele Menschen in Deutschland, die den Krieg der Bundeswehr, die im Rahmen einer internationalen Streitmacht agiert, in Afghanistan gutheißen, wollen nicht wissen, daß das verächtliche Menschenbild, das dem Krieg des Westens in Afghanistan zugrunde liegt, genauso auf sie angewendet wird. Nur weil daraus hierzulande noch nicht die gleichen Konsequenzen gezogen wurden wie am Hindukusch und die Lebensverhältnisse um vieles besser sind, bedeutet das nicht, daß sich das Verhältnis zwischen den herrschenden Funktionsträgern und der übrigen Bevölkerung in Deutschland von dem in Afghanistan prinzipiell unterscheidet.

2. Juli 2010