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LAIRE/1238: Was hat der Hunger in Niger mit der Fußball-WM zu tun? (SB)


Verschärfte Hungerlage in Niger

Spendenaufruf des UN-Welternährungsprogramms nicht mal zur Hälfte erfüllt


Zwischen dem Hunger in Niger und der Fußballweltmeisterschaft gibt es eine einfache Parallele: In beiden Fällen ist Niger ausgeschieden, und das schon im Vorfeld. Niger hat erst gar nicht bei der Fußball-WM teilgenommen, und was die Ernährungslage der Bevölkerung betrifft, so scheint das Land auch hierbei gar nicht erst an der globalen Versorgung teilzuhaben. Oder aber man muß annehmen, daß sich Niger, als fester Bestandteil der Weltordnung, mit einem Platz am Rande der Versorgungswege begnügen muß. Denn bereits im Februar hatte das Welternährungsprogramm (WFP) vor der drohenden Hungerentwicklung in dem Sahelstaat gewarnt und die internationale Gemeinschaft um Spenden gebeten. Der Aufforderung wurde nur zu einem Bruchteil nachgekommen, obgleich der Appell mit zunehmender Dringlichkeit im Abstand von wenigen Monaten mehrfach wiederholt wurde.

Das Ergebnis ist mau. Von den 190 Millionen Dollar, die das WFP im April gefordert hatte, um zumindest die schwerwiegendsten Folgen des Hungers unter der verarmten nigrischen Bevölkerung zu lindern, sind bis heute lediglich 46 Prozent eingetroffen. Das Ausbleiben der Spenden läßt sich unmittelbar in die existentielle Not der Menschen gegenrechnen. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Nigrer liegt unter 45 Jahren. Obgleich sich das WFP darum bemüht, die Zahl der unterernährten Kinder zu reduzieren, oder Programme zur Versorgung von Schwangeren unterhält und Ähnliches mehr, erreichen die Hilfskräfte nur einen Teil der Bevölkerung, und eine einmal eingetretene Unterernährung oder gar deren Wiederholung im Verlaufe der Kindheit, Jugend oder des Erwachsenenlebens wird zum frühzeitigen Tod führen. Die Todesursache wird dann in der Statistik womöglich als "natürlich" angegeben, aber damit werden wesentliche Bedingungen in der Vergangenheit, die das Leben verkürzt haben, unterschlagen.

Das WFP hat vor wenigen Tagen seinen Spendenbedarf erneuert und um weitere 100 Millionen Dollar gebeten, da sich die Ernährungslage in Niger aufgrund der Dürre weiter verschlechtert hat. Fast die Hälfte der 7,1 Millionen Einwohner ist nach Regierungsangaben von akutem Nahrungsmangel betroffen; das WFP erreicht jedoch bislang nur 2,3 Millionen. Die Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren hat inzwischen die 15-Prozent-Marke um zwei Prozentpunkte überschritten, so daß von einem akuten Notstand gesprochen werden muß.

Aus Sicht der nigrischen Regierung wäre es vernünftig, wenn sie ihren Hauptdevisenbringer, Natururan, zu einem doppelt so hohen Preis verkaufen könnte, um mit den Mehreinnahmen die verarmte Bevölkerung zu versorgen. Doch wird der Preis für den Rohstoff an anderer Stelle bestimmt, darauf hat die Regierung fast keinen Einfluß.

Wie gesagt, das Land ist ausgeschieden - wobei der Begriff "Land" unzulässigerweise über die in Niger wie in allen anderen Ländern herrschenden innergesellschaftlichen Widersprüche hinwegtäuscht. Selbstverständlich gibt es auch reiche Nigrer, die zeit ihres Lebens keine existentiellen Sorgen haben. Sie arbeiten in der Regel mit den ausländischen Konzernen oder anderen Regierungen zusammen und handeln beispielsweise die Verträge zur Urangewinnung aus.

Niger ist ein Land unter vielen, in dem ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Hunger leidet. Weltweit summiert sich diese Zahl auf rund 1,1 Milliarden Menschen. Selbst wenn das WFP die volle Summe des von ihm berechneten Bedarfs zeitnah erhielte, würde es nur einen Bruchteil der Bedürftigen erreichen. Diesem ewigen Um-Spenden-Betteln könnte auf einfache Weise Abhilfe geschaffen werden: Das WFP erhält ein festes Budget, das aber erstens nicht dazu verwendet werden darf, in undurchsichtige Verwaltungsvorgänge zu fließen, und das zweitens so hoch angesiedelt werden muß, daß wirklich alle Hungernden mit genügend Nahrung versorgt werden, so daß man nicht mehr sagen kann, daß sie sich in einer Notlage befinden. Das wäre mal ein "Bail out", den noch kommende Generationen in höchsten Tönen loben würden.

4. Juli 2010