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LAIRE/1288: Mitnahmeeffekt des Libyen-Kriegs - Frankreich verkauft Rafale-Kampfjets an Indien (SB)


"Rüstungsshow" am Himmel Libyens unter fadenscheinigen Vorwänden


Anscheinend war es beim Krieg gegen Libyen um vieles, aber am wenigsten um den Schutz der Zivilbevölkerung oder gar um einen von antiherrschaftlichen Interessen geleiteten Aufstand gegen Machthaber Muammar Gaddafi gegangen. Beispielsweise hat die Entscheidung der indischen Regierung vom Ende Januar für den Erwerb von 126 Rafale-Kampfjets des französischen Rüstungskonzerns Dassault in Erinnerung gerufen, wie verzweifelt Frankreich in den letzten Jahren versucht hat, endlich einen ausländischen Käufer für seine Militärmaschinen zu finden. Ist es da Zufall, daß es eben solche französischen Kampfjets waren, die unter Berufung auf UN-Resolution 1973 zur Durchsetzung der Flugverbotszone und zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung seit dem 19. März 2011 und damit seit Beginn des Einsatzes an vorderster Front beteiligt waren?

Von einem echten Kampfeinsatz kann eigentlich nicht gesprochen werden, denn die Luftangriffe blieben ohne Gegenwehr. Dennoch scheint es Frankreich mit seiner Libyen-Mission "Harmattan" gelungen zu sein, seine indischen Geschäftspartner zu überzeugen und den Konkurrenten EADS, der den Eurofighter Typhoon anbot, auszustechen. Sicherlich dürfte für das Zustandekommen des Deals auch ein preislich ziemlich günstiges Angebot der Franzosen eine Rolle gespielt haben - aber ob sich Indien und Frankreich auch dann handelseinig geworden wären, wenn der Libyen-Krieg nicht geführt worden wäre?

Die Vorstellung, daß der Sturz Gaddafis nur wegen der Rüstungsgeschäfte vom Zaun gebrochen wurde, ginge allerdings an anderen, entscheidenderen Kriegszielen vorbei. Zumal zeitgleich auch der konkurrierende Eurofighter seine Tauglichkeit als High-Tech-Tötungswaffe in dem nordafrikanischen Wüstenstaat unter Beweis stellen durfte. Aber der Libyen-Krieg war eben auch eine Rüstungsshow, insbesondere ein Produkttest zweier Kampfflugzeuge europäischer Fertigung.

Zumindest war es Frankreich mit seinem schnellen Eingreifen gelungen, seinen Kampfjet Rafale noch rechtzeitig vor der Rüstungsmesse LAAD, die vom 12. bis 15. April in Rio de Janeiro stattfand, als "kampferprobt" zu präsentieren. Es ist schon zynisch, daß Muammar Gaddafi einst im Rahmen eines umfangreichen Waffengeschäfts mit Frankreich auch vierzehn Rafale erwerben wollte, aber von dem Geschäft zurückgetreten ist. Statt dessen sollten die Franzosen für 100 Mio. Euro die Mirage-Kampfjets des libyschen Revolutionsführer modernisieren. Auch die Schweiz hat sich inzwischen gegen den Rafale entschieden und erwirbt nun 22 Exemplare des preisweiteren Gripen des schwedischen Herstellers Saab.

Vor dem Verkauf der Rafale, die in Indien endmontiert werden sollen, verspricht sich Frankreich Zugang zum wachsenden Rüstungsmarkt des Subkontinents. Dafür hat sich die Grande Nation im ersten Schritt als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats zunächst selbst das völkerrechtliche abgesegnete Interventionsmandat erteilt und ist im zweiten Schritt massive Kriegseinsätze geflogen. Das Resultat: Frankreich hat das Rüstungsgeschäft mit Indien unter Dach und Fach gebracht. Die Kosten dieser teuren Werbemaßnahme - eine Stunde Rafale-Einsatz schlagen mit rund 10.000 Euro zu Buche - und ihre Schäden tragen andere: Große Teile der Infrastruktur Libyens wurden zerstört; der Lebensstandard der Bevölkerung ist rapide gefallen; die Anti-Gaddafi-Koalition führt inzwischen untereinander Krieg; viele mutmaßliche Anhänger Gaddafis werden gefoltert; Libyen befindet sich nun in der Schuldabhängigkeit vom Westen; und die von Erfolgen gekrönten Bemühungen des Revolutionsführers, den Subsaharastaaten zu einer selbstbewußteren und stärkeren Position gegenüber den alten Kolonialstaaten und den USA zu verhelfen, wurden zunichte gemacht.

Nach Angaben des NATO-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen wurde der Einsatz "ohne bestätigte zivile Verluste" abgeschlossen, wobei hierzu gesagt werden muß, daß die NATO kein Interesse hat, ihre zivilen Opfer zu bestätigen. Anderen Einschätzungen zufolge könnten bis zu 50.000 Zivilisten umgekommen sein, wenngleich diese nicht alle auf das Konto der NATO gehen.

Das Ziel der NATO-Staaten und ihrer Verbündeten in der arabischen Welt besteht unter anderem in der Einnahme einer wirtschaftlichen Vormachtstellung. Zwar standen beim Libyenkrieg zwei europäische Rüstungskonzerne Seite an Seite, aber so eine Konkurrenzsituation steht nicht im Widerspruch zum übergreifenden hegemonialen Interesse, einen nahezu schuldenfreien, vergleichsweise wohlhabenden und sozialen Staat an der Peripherie der Europäischen Union in Schuldabhängigkeit zu zwingen. Emanzipatorische Kräfte hätten gute Gründe gehabt, sich gegen das Regime Gaddafis zu erheben. Aber damit ist ganz gewiß nicht die Koalition aus Bengasi-Milizen, von westlichen Geheimdiensten aufgebauten Marionetten und Überläufern der Gaddafi-Regierung gemeint.

2. Februar 2012