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LAIRE/1309: Schiaparellis Schweigen (SB)


Europäisch-russische Sonde "Schiaparelli" meldet sich nicht


Kein Kontakt zu "Schiaparelli". Das europäisch-russische Modul sollte eigentlich am Mittwoch sanft auf dem Mars landen, gibt aber keinen Pieps von sich. Bevor der Funkkontakt abbrach, hat es noch einige Daten an den Orbiter "TGO" gesendet. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA sieht die Mission jedoch nicht als gescheitert an. Man habe für zukünftige Missionen viel davon gelernt, so ESA-Chef Jan Wörner. [1]

Diese (zweck-)optimistische Einschätzung wird der Raumfahrtmanager nun vor allem der Politik verkaufen müssen, damit sie die Marsforschung auch über das bereits geplante, wenngleich noch nicht vollständig finanziell gesicherte Vorhaben, im Jahr 2020 einen Rover auf dem roten Planeten abzusetzen, hinaus finanziert. In der öffentlichen Wahrnehmung jedenfalls ist das Vorhaben in etwa so grandios gescheitert, wie wenn die Fußballnationalmannschaft ein Freundschaftsspiel haushoch verliert.

Es gibt einen guten Grund, den Mars zu erforschen, und eine Reihe schlechter Gründe. Auf unserem äußeren Nachbarplaneten müssen einst größere Mengen fließendes Wasser existiert haben, von denen heutige Geländeformationen zeugen. Warum der Mars früher wärmer war und wohin das Wasser verschwunden ist, sind Fragen, die zu klären wichtig sein könnten, um herauszufinden, ob der Erde eventuell ähnliches blüht. Sollte dagegen die Marsforschung beispielsweise aus der Nationenkonkurrenz heraus erfolgen, wie es sehr den Anschein hat, wäre das kein so guter Grund, hieße das doch, die Sorge über eine mögliche planetare Bedrohung der Sorge um die eigene nationale Vorteilslage nachzuordnen.

Ein wesentliches Motiv, Weltraumforschung zu betreiben, liegt seit jeher in der Demonstration technologischer Überlegenheit nach innen wie nach außen. So waren die viele Milliarden Dollar, die die USA in den sechziger und siebziger Jahren in das Apolloprogramm gesteckt haben, gut angelegtes Geld - vom Standpunkt der herrschenden Interessen aus. Die Investition hat sich bezahlt gemacht. Nach dem Sputnik-Schock, in den die USA von der Sowjetunion versetzt worden war, wurde mit dem Apolloprogramm ein kulturimperialistischer Sprung um die ganze Welt vollzogen und ideologischer Zusammenhalt in der US-Gesellschaft erwirtschaftet.

Die ersten Astronauten reisten kreuz und quer durchs Land, waren ständig im Fernsehen präsent; sie wurden fahnenschwenkend bejubelt und verkauften den Traum von der Überlegenheit und Einzigartigkeit der eigenen Nation. Mit dem Star-Spangled Banner im Kopf und vielleicht sogar im Herzen ließ sich dann der eine oder andere Farmer aus Wisconsin, der eigentlich mit den Interessen Washingtons nicht viel am Hut hatte, in eine Uniform stecken, in den Dschungel von Vietnam werfen, nur um sich dort eine Kugel im Bauch einzufangen. Und noch viel mehr war er bereit, dies anderen anzutun, dem Feind, dessen Bild ihm ebenfalls in Kopf und Herz geträufelt worden war.

Bei der europäisch-russischen Gemeinschaftsmission "ExoMars", zu der das Modul "Schiaparelli" gehört, wird der Ball wesentlich flacher gehalten. Sie ist ideologisch bei weitem nicht so stark aufgeladen wie das Apolloprogramm und auch nicht so wie die heutigen US-amerikanischen Projekte. Aber ganz auf Ideologie verzichten will man selbstverständlich auch nicht, darauf deutet schon die Wortwahl hin. Man spricht auch bei der ESA von einer "Mission". Die Mehrdeutigkeit des Begriffs ist kein Zufall. Die Ideologie steckt hierzulande jedoch eher in der präsentierten Technikgläubigkeit. Der wurde nun mit "Schiaparellis" Schweigen ein Dämpfer verpaßt.

Die Europäer spielen in der gleichen Liga wie die USA und tummeln sich auf dem gleichen Spielfeld, dem Mars. Für die existentiellen Menschheitsfragen erfüllt dessen Erforschung nur eine sehr geringe Funktion, sieht man von dem oben erwähnten guten Grund ab. Es geht bei so einer "Mission" vor allem um die Demonstration eigener Fähigkeiten und das Erlangen technologischer Vorherrschaft. Das richtet sich nicht nur gegen die USA. Mit China hat ein neuer Mitstreiter das Feld betreten, der als Konkurrent um technologische Führerschaft durchaus ernstzunehmen ist. Auch Indien ist es vor zwei Jahren gelungen, eine Sonde in eine Umlaufbahn um den Mars zu schießen.

Rußland hat seine eigenen ideologischen, ökonomischen und geopolitischen Gründe, um mit den Europäern auf dem Gebiet der Raumfahrt zu kooperieren. Die Europäische Union wiederum hat zu Beginn des neuen Jahrtausends erklärt, daß sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch technologisch mit den Amerikanern gleichziehen will. Beides hat bislang nicht so geklappt, wie man sich das vorgestellt hat. Die US-Weltraumbehörde NASA hat inzwischen schon vier Rover auf dem Mars abgesetzt, von denen noch zwei (Curiosity und Opportunity) in Betrieb sind.

"Schiaparelli" ist nicht die erste Marsmission, die partiell oder komplett gescheitert ist. Ob USA, Europa oder Rußland - in den roten Sand des Mars wurden schon etliche Milliarden gesetzt. Andere Objekte waren schlicht am roten Planeten vorbeigeschossen worden. Trotz solcher Rückschläge lassen sich die Raumfahrtnationen die Expansion ihrer Hegemonie ins All einiges kosten. Doch in welchem Staub auch immer der Mensch seine Spuren hinterläßt, er bringt seine Absichten überall mit hin und kann den sich daraus ergebenen Problemen nicht entfliehen. Die zeigen sich in vielen Spielarten. So hatte der erste Mensch auf dem Mond nichts Eiligeres zu tun, als dort eine Nationalflagge aufzustellen. Nach dem Motto: "Gehört mir, nicht euch!"


Fußnote:

[1] http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/exomars-schiaparelli-schweigt-wahrscheinlich-fuer-immer-a-1117513.html

20. Oktober 2016


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