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LAIRE/1346: USA - Kosten, Nutzen für den Profit ... (SB)


Wir sind heute aus einem einzigen Grund hier: um den Verwaltungsaufwand der Bestimmungen abzubauen. Seit vielen Jahrzehnten hat ein ständig wachsendes Labyrinth von Vorschriften, Regeln und Beschränkungen unser Land Billionen und Aberbillionen von Dollar, Millionen von Arbeitsplätzen, unzählige amerikanische Fabriken gekostet und viele Industrien zerstört. Aber all das hat sich von dem Tag an geändert, an dem ich den Amtseid abgelegt habe, und es hat sich schnell geändert.
(US-Präsident Donald Trumps Anmerkungen zur Deregulierung am 14. Dezember 2017 im Weißen Haus, Washington [1])


Blick aus dem Hubschrauber heraus auf Feuer und Rauchschwaden über der Stadt - Foto: Sûreté du Québec, CC BY-SA 1.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0/deed.en]

Bei Tageslicht hat sich das ganze Ausmaß der Zugkatastrophe vom 6. Juli 2013 in Lac-Mégantic enthüllt.
Foto: Sûreté du Québec, CC BY-SA 1.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0/deed.en]

Unter US-Präsident Donald Trump werden in den USA nicht nur die Umweltschutzgesetze abgeschafft, auch der Arbeitsschutz wird mehr und mehr aufgeweicht. Jüngstes Beispiel ist der Beschluß zur Rücknahme eines Gesetzentwurfs aus der Zeit Obamas, wonach in Zukunft auf Güterzügen neben dem Zugführer noch eine zweite Person mitfahren sollte, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. [2]

Den Hintergrund hierzu bildet eine Reihe von Explosionen von Zügen, die in Nordamerika Erdgas oder Erdöl transportiert hatten. Beispielsweise hatten vor sechs Jahren die Bremsen eines auf sanft geneigten Gleisen abgestellten Güterzugs, der Rohöl geladen hatte, versagt. Dieser war nachts führerlos elf Kilometer in die kanadische Kleinstadt Lac-Mégantic gerollt und dort in einer scharfen Kurve entgleist. Einige Waggons explodierten, andere brachen auf, wobei das Rohöl teilweise in die Kanalisation floß, wo es in weiter entfernten Straßen Häuser in Brand setzte. Am Ende konnten nur 42 Leichen identifiziert werden, weitere fünf Personen bleiben vermißt. Man vermutet, daß ihre Körper restlos verbrannt sind.

Die Katastrophe von Lac-Mégantic war sicherlich die spektakulärste, aber sie war bei weitem nicht die einzige, bei der Rohöl, Ethanol oder anderes Gefahrgut, das auf der Schiene transportiert worden war, in Brand geriet. Insbesondere die einwandigen Tankwaggons weisen eine hohe Unfallzahl auf. Laut AP vertritt das US-Transportministerium den Standpunkt, daß die Sicherheit nicht beeinträchtigt wird, wenn nur ein einziger Zugführer an Bord von Güterzügen ist. Faktisch werden zware viele Züge bereits mit zwei oder mehr Personen gefahren, doch wenn der Gesetzgeber den 2016 unter Obama vorgebrachten Gesetzentwurf, der als Reaktion auf die Lac-Mégantic-Katastrophe vorgestellt worden war, zurücknimmt, könnten die Transportunternehmen das als Signal verstehen, Personalkosten einzusparen.

Zumal sie hoffen, mit dem Computersystem PTC (positive train control) ungleich mehr Sicherheit im Gütertransport zu installieren als in der Vergangenheit, da hierdurch Züge automatisch gestoppt würden, wenn sie eine höhere Geschwindigkeit annehmen, als auf einer Strecke ausgewiesen wird. Das PTC-System ist allerdings noch nicht überall installiert.

Die Kette von Ereignissen von Lac-Mégantic, die schließlich dazu geführt hat, daß die Bremsen des Zugs dem Druck nicht mehr standhielten, läßt Zweifel aufkommen, ob solch ein unvorhergesehenes Ereignis durch eine Automatik hätte verhindert werden können. Hier ließe sich zwar argumentieren, daß auch eine weitere Person absolute Sicherheit nicht garantieren kann, aber wenn auch nur ein einziger schwerer Unfall dadurch vermieden wird, daß ein Zug nicht nur von einer Person geführt wird, wäre diese Sicherheitsmaßnahme gerechtfertigt.

Die Entscheidung der Trump-Regierung gegen mehr Sicherheit im Güterzugverkehr und gegen das Sicherheitsinteresse der Menschen entlang der Bahnstrecken reiht sich in eine Serie ähnlicher Deregulierungsmaßnahmen nicht allein im Transportwesen ein. Im September 2018 teilte die dem Transportministerium unterstellte Behörde PHMSA (Pipeline and Hazardous Materials Safety Administration) mit, daß die Kosten für die geplante Vorschrift zur Einführung fortschrittlicher elektronischer Bremsen für Züge, die Rohöl oder andere gefährliche Treibstoffe befördern, den damit verbundenen Nutzen übersteigen. Die Vorschrift werde deshalb zurückgezogen. [3]

Anfang Mai dieses Jahres hat die Trump-Administration Sicherheitsmaßnahmen für die Offshore-Erdölförderung gelockert. Diese waren nach dem folgenschweren Untergang der Bohrplattform Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexico verhängt worden. Die Kostenersparnis für die Ölindustrie aufgrund dieser Rücknahme wird auf eine Milliarde Dollar über einen Zeitraum von zehn Jahren geschätzt. [4]

Im kommenden Monat soll eine Bestimmung in Kraft treten, durch die rund 11.500 Beschäftigte im Schiffbau nicht mehr wie bisher vor dem Umweltgift Beryllium geschützt werden. Dadurch werden der Industrie rund 12 Millionen Dollar jährlich erspart, berichtete Reuters unter Berufung auf eine Studie aus dem Jahr 2016. Dieser zufolge beläuft sich allerdings der Nutzen der Bestimmung für die Öffentlichkeit auf 28 Mio. Dollar pro Jahr. Mehr noch, nicht zuletzt könnte dadurch Gesundheit und Leben von durchschnittlich vier Beschäftigten der Schiffbauindustrie pro Jahr, die ansonsten schwer erkrankt und gestorben wären, geschützt werden. [5]


Ausgebrannter, auf der Seite liegender Lkw in der Wüste - Foto: National Park Service

Die Trump-Regierung will die Arbeitszeiten für Lkw-Fahrer verlängern und die Pausen kürzen ...
Gegen Mittag des 12. März 2018 im Death Valley, Kalifornien, verlor der Fahrer die Kontrolle über seinen mit hochgiftigen Chemikalien beladenen Lkw. Das Fahrzeug kippte um und fing Feuer.
Foto: National Park Service

Weitere Maßnahmen aus dem Rollback der Arbeitssicherheitsgesetzgebung unter dem "Make-America-Great-Again"-Präsidenten Trump:

- Die Fließbandgeschwindigkeit in Schweineschlachtbetrieben wurde erhöht, ungeachtet dessen, daß dort die Verletzungsgefahr von Arbeitern bereits mehr als doppelt so hoch war wie in der gesamten übrigen Industrie. [6]

- Die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer - längere Fahrzeiten und kürzere Pausen, etc. - sollen zugunsten der Unternehmen verschärft werden. [7]

- Die Bestimmungen werden gelockert, wonach Arbeiter, die erkrankt sind oder sich verletzt haben, dies nicht mehr wie bisher an die OCHA (Occupational Safety and Health Administration) melden müssen, sofern das Unternehmen 250 Angestellte oder mehr hat. [8]

Diese Beispiele erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Der "Krieg gegen Vorschriften", so das Economic Policy Institute, richtet sich gegen die "Gesundheit, Sicherheit und Entlohnung" der Arbeitenden:

"Vorschriften legen die Spielregeln fest und gewährleisten einen wichtigen Schutz für die Arbeitnehmer. Unternehmen und wohlhabende Sonderinteressen haben gezeigt, daß sie - wenn sie nichts aufhalten kann - alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um mehr Gewinne für sich selbst herauszuquetschen, auch wenn dies eine Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und der Rentenfonds bedeutet." [9]

Trumps Deregulierungswahn steht im direkten Widerspruch zu seinen Wahlkampfversprechen, sich für die Arbeiter und einfachen Leute einzusetzen bzw. dem Establishment in Washington gegen das Schienbein zu treten. Umgekehrt wurde ein Schuh daraus. Die Unternehmen wurden mit Steuergeschenken beglückt, die Lohnarbeitenden dagegen härter rangenommen. Den Unternehmen steht ein genügend großes Heer an Arbeitsuchenden zur Verfügung, so daß sie sich in der komfortablen Lage befinden, Kosten und Nutzen von Arbeitsschutzmaßnahmen abwägen zu können.

Es handelt sich um kein Alleinstellungsmerkmal der republikanisch geführten US-Regierung, doch diese zeigt recht unverhohlen, daß ein Klassenkampf von oben betrieben wird. Das Establishement führt einen permanenten Krieg nach innen. Wer Lohn empfängt, muß dafür seine physische Unversehrtheit einsetzen; wer bei der Arbeit verletzt wird oder erkrankt, wird entlassen. Arbeitsschutzgesetze, hinter deren Einführung sowieso nie eine andere Idee als die der Befriedung der Arbeitenden stand, werden zur Zeit in den Vereinigten Staaten drastisch abgebaut. "You're fired!" (Du bist gefeuert!) war ein Spruch, mit dem Trump als Moderator der Sendung "The Apprentice" über mehrere Staffeln Fernsehberühmtheit erlangte, bevor er sich entschloß, die Bühne seiner Realityshow zu wechseln und ins Weiße Haus einzuziehen.


Rechts und links eines Fließbands mit Schweinefleisch steht rund ein Dutzend mit Messer, Mund-, Hand- und Ohrschützern sowie Helm ausgestattete Angestellte, die (noch) auffällig gering blutbefleckte weiße Kittel tragen - Foto: U.S. Department of Agriculture

Das Fließband gibt den Takt vor.
US-Landwirtschaftsminister Sonny Perdue besucht am 28. April 2017 einen Schweineschlachtbetrieb mit 2800 Angestellten in St. Joseph, Missouri.
Foto: U.S. Department of Agriculture


Fußnoten:

[1] https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/remarks-president-trump-deregulation/

[2] https://apnews.com/191418eef34a4df895f26512e47b4264

[3] https://www.phmsa.dot.gov/news/phmsa-rescinds-ecp-brake-mandate-after-ria-finds-costs-outweigh-benefits

[4] tinyurl.com/y23675c6

[5] https://www.reuters.com/investigates/special-report/usa-beryllium-rule/

[6] tinyurl.com/y5ahpkl7

[7] tinyurl.com/y3lemx85

[8] https://www.federalregister.gov/documents/2018/07/30/2018-16059/tracking-of-workplace-injuries-and-illnesses

[9] https://www.epi.org/publication/deregulation-year-in-review/


28. Mai 2019


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