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LAIRE/1355: NATO - schleichende Okkupation ... (SB)



Die NATO bereitet sich auf einen Krieg im Weltall vor und will es zu diesem Zweck zu einem eigenständigen Operationsgebiet erklären. [1] Mögliche Angriffe aus dem All würden dann als "Bündnisfall" angesehen. Das erhöht die akute Kriegsgefahr weiter, nachdem bereits seit 2016 mutmaßliche Cyberangriffe die NATO-Mitglieder zum Beistand nach Artikel 5 des NATO-Vertrags verpflichten. Wieder einmal wollen sich die Staaten des westlichen Militärpakts angeblich nur "verteidigen".

Die Behauptung, aus der Defensive heraus zu agieren, steht im direkten Widerspruch zu dem schon vor vielen Jahren von der NATO-Führungsmacht USA erhobenen Anspruch auf Vorherrschaft im Weltraum und zu der wiederholten Absage - als einzige Nation -, einen internationalen Vertrag zur Verhinderung des Wettrüstens im Weltraum abzuschließen. Der bei ihrem heutigen Treffen in Brüssel von den NATO-Außenministern getroffene Beschluß muß noch Anfang Dezember beim NATO-Gipfel der Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden.

Mit der Erweiterung der Kriegsfähigkeit im Weltraum eröffnen sich noch sehr viel mehr Fronten, an denen sich die geopolitischen Spannungen in einem Ausmaß entladen, daß der NATO-Pakt als ganzes aufgefordert wäre, die Waffen sprechen zu lassen.

Die Erklärung Emmanuel Macrons, die NATO sei "hirntot", könnte den falschen Eindruck erwecken, daß der französische Präsident den Militärpakt für obsolet ansieht. Frankreich wird seine Mitgliedschaft und damit die Rückendeckung durch andere Militärmächte nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen. Macrons Aussage ist eher so zu deuten, daß er die NATO durch verbesserte Kooperation und Führung handlungsfähiger und schlagkräftiger machen will. Zumal der Rückzug der USA aus Gebieten in Nordsyrien und der anschließende Einmarsch des NATO-Mitglieds Türkei offenbar nicht mit den übrigen NATO-Staaten abgesprochen waren und den Interessen Frankreichs in dieser Region zuwiderlaufen. Würden die türkischen Invasoren von Syrien oder dessen Schutzmacht Rußland attackiert, entstünde womöglich eine Situation, in der die anderen NATO-Staaten der Türkei beistehen müßten.

Eben weil die USA eine militärische Vormachtstellung im Weltall angestrebt haben und sich das viele Milliarden Dollar kosten ließen, sah sich beispielsweise China genötigt, nachzurüsten. Nachdem das Reich der Mitte 2007 seine Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte, mit einer bodengestützten Rakete einen Satelliten im All abschießen zu können, folgte Indien im März dieses Jahres mit einem ähnlichen "Erfolg". Damit verfügen die beiden, abgesehen von den USA und Rußland, ebenfalls über diese militärische Fähigkeit.

Nicht nur von den USA wird der Bau von Killersatelliten erforscht. Die sind relativ einfach herzustellen und benötigen nur einen kleinen Sprengsatz. Wenn sie sich einem feindlichen Satelliten nähern, geht die Bombe hoch. In einer anderen Variante zerstören sich die Killersatelliten bei ihrem Angriff nicht selbst, sondern sind mit einem Hochleistungslaser ausgestattet, der die gegnerischen Trabanten außer Gefecht setzen soll.

Operationsgebiet Weltall - da vergeht jede Science-fiction-Romantik. Die Militarisierung des Weltalls schafft vermeintliche Sachzwänge, die eine Rüstungsspirale in Gang setzen. Kommunikations- oder Spionagesatelliten zu schützen und gegnerische Satelliten zu zerstören, die mittels Jammern den Funkverkehr von und zur Erde stören, erfordert den Aufbau einer umfassenden militärischen Infrastruktur im Orbit. Mit der Installation von vermeintlichen Defensivsystemen erwirbt ein Staat oder in diesem Fall ein Militärpakt zugleich Angriffsfähigkeiten.

Warum sollten China und Rußland, die sich erklärtermaßen im Fadenkreuz der NATO befinden, anders auf deren Vorhaben einer Militarisierung des Alls reagieren, als ebenfalls aufzurüsten? Eine Deeskalation findet zur Zeit nicht statt. Kein Staat sieht sich dazu in der Lage, und es wäre womöglich auch unvernünftig, sich militärisch zu schwächen, wo man doch genau weiß, daß die anderen dies zu ihren Gunsten ausnutzen würden. Hätten Staaten wie Jugoslawien, Libyen, Syrien, Irak, Afghanistan über Atomwaffen verfügt, wären sie möglicherweise nicht von NATO-Staaten bzw. einer Koalition der Willigen bombardiert worden. Nicht angegriffen wurde dagegen Nordkorea, dessen totale Zerstörung US-Präsident Trump angedroht hat, aber das über das Abschreckungsmittel der Atombombe verfügt. Würde ein Land wie Iran nach deren Bau streben, wäre es auf dieser Ebene der Auseinandersetzung nachvollziehbar.

"Ist es noch möglich, einen Rüstungswettlauf im Weltraum mit den Mitteln der Rüstungskontrolle zu stoppen, bevor durch die waffentechnische Entwicklung schwer umzukehrende Fakten geschaffen wurden?", fragt der Friedens- und Konfliktforscher Jürgen Scheffran. [2]

Er bezieht sich in diesem Zitat nicht auf die jüngste NATO-Offensive und auch nicht auf das Anliegen Trumps, eine neue Teilstreitkraft namens U.S. Space Force zu gründen (wie übrigens in ähnlicher Form auch Frankreich). Das Zitat stammt aus einem Aufsatz aus dem Jahr 1986. Seitdem sind 33 Jahre vergangen, in denen mehrere Staaten, insbesondere aber die USA weitreichende Fähigkeiten entwickelt haben, einen Krieg auch im Weltraum austragen zu können.

In gewissen Sinn hat der Krieg längst begonnen. Denn ab dem Moment, ab dem Weltraumwaffen entworfen, gebaut und installiert werden, fließen Gelder in die Aufrüstung, die an anderer Stelle hätten eingesetzt werden können. Außerdem werden Treibhausgasemissionen erzeugt, die nicht unerheblich dazu beitragen, daß sich die Erde erwärmt und die Überlebensvoraussetzungen vor allem der Menschen in den Ländern des Globalen Südens vernichtet werden. Am Ende findet Krieg nicht im Weltall, sondern an der Erdoberfläche statt, und er richtet sich in erster Linie gegen die, die am meisten zu verlieren haben, weil sie am wenigsten besitzen.


Fußnoten:

[1] https://www.tagesschau.de/ausland/nato-weltraum-103.html

[2] https://www.wissenschaft-und-frieden.de/seite.php?artikelID=0650

20. November 2019


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