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DILJA/1096: Gazastreifen - Israel möchte Dritte für sich Krieg führen lassen (SB)


Israels Krieg in Gaza ein perfider Erpressungsversuch

Wenn Dritte die Interessen Israels militärisch durchsetzen, könnte ein Waffenstillstand gewährt werden


Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte am heutigen Montag, daß Israel kurz vor der Erreichung seiner militärischen Ziele stehe und in die Schlußphase dieses Krieges eintrete. Nach Darstellung des CDU-Europaabgeordneten und außenpolitischen Experten des europäischen Parlaments, Elmar Brok, der am Samstag aus Israel zurückgekehrt ist, bestehen diese Kriegsziele darin, die Versorgung der Hamas mit Waffen zu verhindern. Dahinter verbirgt sich ein perfides Konzept der Auslagerung militärischer Gewaltanwendung auf Kräfte, die zwar im Interesse Israels handeln bzw. sich zu handeln veranlaßt oder genötigt sehen, ohne daß Israel seinerseits dafür noch verantwortlich gemacht werden könnte.

Tatsächlich unterscheidet sich das propagierte Kriegsziel, den "Waffenschmuggel" an die Hamas zu unterbinden, nur in seiner propagandistischen Außenwirkung von der zunächst ausgegebenen Parole, der Krieg solle die Herrschaft der Hamas im Gazastreifen beenden. Nach über zwei Wochen Krieg, der der palästinensischen Bevölkerung auch vor Augen führte, daß Israel brutalste Luft- und Panzerangriffe auf nahezu wehrlose und durch die Blockadepolitik Israels ausgehungerte Menschen durchführen kann, ohne daran von der internationalen Staatengemeinschaft gehindert zu werden, scheint ein Wendepunkt in Sicht zu sein. Die Aussage Olmerts könnte sich darauf beziehen, daß die europäischen Emissäre mit ihrer Reisediplomatie möglicherweise kurz davor stehen, die von Israel eigentlich beabsichtigten bzw. mit Israel vermutlich schon zuvor abgesprochenen Ziele zu erreichen.

So erklärte Elmar Brok am Samstag gegenüber NDR Info, daß es eine Chance auf einen Waffenstillständ gäbe, wenn Ägypten sich bereit erklärte, klare Verpflichtungen einzugehen und die 15 Kilometer lange Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen zu kontrollieren. Dies soll dem Zweck dienen, den "Waffenschmuggel" an die Hamas über diese Grenze zu unterbinden. Auf diesen, gegenüber der westlichen Öffentlichkeit vertretbaren Level heruntergebrochen würde eine solche Übernahme militärischer Funktionen durch Ägypten ein Outsourcing der Gewaltanwendung und -androhung bedeuten, durch die Ägypten mehr noch als bisher gegenüber der eigenen Bevölkerung und der gesamten arabischen Welt als Waffenbruder Israels in Erscheinung treten müßte.

Ägypten, das gleichzeitig und unter demselben Vorwand als Stationierungsort internationaler Truppen ins Gespräch gebracht worden war, hatte sich diesem Ansinnen widersetzt. Fremde Truppen auf dem eigenen Territorium zuzulassen, hätte die ohnehin angespannte innenpolitische Lage noch weiter angeheizt und die Regentschaft Präsident Mubaraks noch mehr als ohnehin schon in Gefahr bringen können. In diesem Dilemma scheint jetzt ein für die Nöte dieser Beteiligten gangbarer Weg gefunden worden zu sein. Wie Elmar Brok erläuterte, würde hier eine Formel gefunden werden können, bei der nicht von "internationalen Truppen" (auf ägyptischem Gebiet im Grenzbereich zum Gazastreifen) die Rede wäre, sondern von "ägyptischer Kontrolle unter internationaler Unterstützung".

Mit anderen Worten: Da Israel unter "Frieden" die völlige Strangulierung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen zu verstehen scheint, würde die Einbeziehung Ägyptens in die militärischen Operationen Israels einen solchen Frieden tatsächlich näherrücken lassen. Als Quisling stünde mit Mahmud Abbas ein im Westen bestgelittener Palästinenser bereit, um dem dann vollends unter israelischer Kontrolle stehenden größten Freiluftgefängnis der Welt, sprich dem Gazastreifen und den in ihm eingepferchten eineinhalb Millionen Palästinensern, gegenüber der internationalen Öffentlichkeit einen Hauch einer und sei es noch so fadenscheinigen Legitimität zu verschaffen. Abbas und die von ihm angeführte Fatah machen aus ihrer Sympathie gegenüber dem israelischen Angriff ohnehin kaum einen Hehl, auch wenn sie die Toten unter den Palästinensern zu bedauern vorgeben.

Da sie stets die israelische Letztbegründung für diesen Krieg, nämlich daß die Hamas ganz allein und an allem schuld sei, gebetsmühlenartig wiedergeben, hat sich unter den Bewohnern des Gazastreifens längst die Einschätzung durchgesetzt, daß Israel diesen Krieg nicht nur mit dem ägyptischen Präsident Mubarak, sondern eben auch mit Abbas zuvor abgesprochen hat. Sollten die Reißbrett-Strategen dieses Krieges und der ihm innewohnenden politischen Ränke tatsächlich glauben, die ihnen unbequeme, jedoch von den Palästinensern mehrheitlich gewählte Hamas gewaltsam absetzen und durch einen ihnen hörigen Abbas ersetzen zu können, dürfte sich früher oder später herausstellen, wie leicht doch Lageeinschätzungen und -prognosen mit dem eigenen Wunschdenken kollidieren können.

Die eigentliche Perfidie bestünde dann darin, daß Ägypten, das die den Krieg vorbereitende israelische Blockade durch seine Grenzschließungen erst ermöglicht hat, sich nun veranlaßt oder genötigt sehen könnte, in militärischer Hinsicht für Israel tätig zu werden, um auf diese Weise einen Waffenstillstand im Gazastreifen herbeizuführen. Damit wäre Israel unter europäischer Vermittlung ein erster Schritt zum Outsourcing seiner Kriegführung gelungen, was ihm den großen Vorteil einbringen würde, für die weiteren Toten in diesem Krieg nicht einmal mehr dem Anschein nach verantwortlich gemacht werden zu können.

12. Januar 2009