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DILJA/1107: ECFR (5) - Ein ECFR-Mitglied wird neuer Bundeswirtschaftsminister (SB)


European Council on Foreign Relations (ECFR) - Teil 5

Mit dem Bundestagsabgeordneten und CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg wird ein ECFR-Mitglied neuer Bundeswirtschaftsminister


Der 37jährige Freiherr Karl-Theodor zu Guttenberg, Bundestagsabgeordneter und CSU-Generalsekretär, scheint nach Ansicht seiner Parteikollegen die wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz aufzuweisen, um in Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise, die wohl niemand zu einer kurzfristigen und ihrer Natur nach vorübergehenden Erscheinung erklären kann, ein so zentrales Amt wie das des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie zu übernehmen, auch wenn seine wirtschaftlichen Erfahrungen aus der Leitung eines Unternehmens seiner Adelsfamilie herrühren. Nach dem am Wochenende für viele überraschenden und von nicht wenigen Kabinettsmitgliedern und Parteikollegen sogar zunächst abgelehnten Rücktritt des bisherigen Amtsinhabers Michael Glos stand zu Guttenberg schnell als Nachfolger fest. Wie in der Presse verlautbart wurde, habe der 64jährige Glos im Alleingang gegenüber Parteichef Seehofer seinen Rücktrittswunsch artikuliert und mit seinem Alter und den Plänen für einen personellen Neuanfang in der CSU begründet.

Gleichwohl ist dieser Schritt nicht unbedingt nachzuvollziehen, zumal er recht überraschend angekündigt und ungeachtet des Einspruchs, den Bundeskanzlerin Merkel und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier übereinstimmend gegen diesen Rücktrittswunsch vorgebracht hatten, vollzogen wurde. Nicht minder erstaunlich ist das Tempo, mit dem nach dieser Nacht-und-Nebel-Aktion zu Guttenberg der Öffentlichkeit als neuer Bundeswirtschaftsminister vorgestellt wurde, obwohl mit CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und der Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Dagmar Wöhrl zunächst weitere, gewiß nicht sachunkundigere Kandidaten ins Gespräch gebracht worden waren.

In der öffentlichen Debatte über diesen Personalwechsel in einem zentralen Bundesministerium wurde bislang allerdings ein Aspekt noch nicht thematisiert, in dessen Umfeld möglicherweise der eigentliche Hintergrund sowohl für den Rücktritt Glos' als auch die Amtsübergabe an den 37jährigen Familienunternehmer vermutet werden könnte. Im Unterschied zu Glos, Ramsauer und Wöhrl ist zu Guttenberg Mitglied im "European Council on Foreign Relations" (ECFR), einem nach amerikanischem Vorbild auf europäischer Ebene konstituierten Thinktank, der so viele Mandatsträger und Repräsentanten eigentlich aller maßgeblichen administrativen Gremien auf nationaler und europäischer Ebene in sich vereint, daß über eine "Regierung hinter der bzw. den Regierungen" spekuliert werden könnte. Der ECFR [1] wurde im Oktober 2007 gegründet und in einem Festakt im Weltsaal des Auswärtigen Amtes am 9. November 2007 unter Anwesenheit von Bundesaußenminister Steinmeier der Öffentlichkeit vorgestellt.

Von einem kleinen Privatzirkel mit gesamteuropäischer Besetzung kann bei diesem Gremium kaum die Rede sein, zumal dessen eigene Zielsetzungen sich so lesen, als habe sich hier die Creme de la creme des europäischen Politikgeschehens versammelt, um in einem von den offiziellen EU-Organisationen formal unabhängigen und gleichwohl in sie hineinwirkenden Rahmen die eigentlichen Grundlinien europäischer oder auch transatlantischer Hegemonialpolitik zu diskutieren, festzulegen und ungestört durchzusetzen. In einer von den 50 Gründungsmitgliedern des ECFR, zu denen neben Karl Theodor zu Guttenberg auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages Ruprecht Polenz, der frühere Außenminister Joschka Fischer sowie der Leiter der am vergangenen Wochenende in München abgehaltenen Militärkonferenz Wolfgang Ischinger gehören, verfaßten Grundsatzerklärung sprachen diese sich für eine vereinheitlichte europäische Außenpolitik aus [2]:

Wir rufen die europäischen Regierungen dazu auf, eine kohärentere und entschlossenere Außenpolitik zu entwickeln, die sich nach unseren gemeinsamen Werten richtet, unseren gemeinsamen europäischen Interessen verpflichtet ist und von europäischer Macht gestützt wird. (...) Die EU-Außenpolitik sollte von Europas kompletter ökonomischer, politischer, kultureller und - als letztem Mittel - militärischer Macht unterstützt werden.

Die Überbetonung angeblich "gemeinsamer" Interessen Europas kommt dem Versuch gleich, die tatsächlich zum Teil erheblich voneinander divergierenden Interessen der einzelnen EU-Staaten unter das Kommando der Kern-EU-Staaten zu bringen. Eine schlagkräftige "Außenpolitik" Europas mag nach den Ziel- und Wunschvorstellungen jener Kräfte, die ein westliches Imperium zur dauerhaften Verfügbarmachung aller Sourcen und stabilen Verwaltung aller durch eine solche Weltordnung benachteiligten Menschenmassen errichten wollen, unverzichtbar sein, würde jedoch den vielbeschworenen demokratischen Werten des alten Europas Hohn sprechen. Hier wurde ein handverlesener, europäischer Zirkel gebildet, der offensichtlich angetreten ist, die vermeintliche Schwerfälligkeit der Europäischen Union und ihrer Institutionen, die letztlich daher rührt, das eben (noch) nicht problemlos über die kleineren und mittleren Mitgliedsländer sowie die eigentlichen Souveräne, sprich die Bevölkerungen aller EU-Staaten, hinwegregiert werden kann, zu beheben bzw. zu umgehen.

Das deutliche Bekenntnis der ECFR-Gründungsmitglieder, die von ihnen eingeforderte "kohärentere und entschlossenere Außenpolitik" durch Europas "komplette ökonomische, politische, kulturelle und - als letztem Mittel - militärische Macht" zu unterstützen, müßte jeden aufhorchen lassen, da diesen Worten ein aggressiver Kern anhaftet, der nicht mehr das geringste mit dem Konzept der klassischen Landesverteidigung, zu dem die Bundeswehr einst angeblich geschaffen worden war, zu tun hat. Eine EU-Außenpolitik im letzten Schritt militärisch zu unterstützen, ist eine deutliche Warnung an alle möglichen Adressaten, den Forderungen aus Brüssel tunlichst Folge zu leisten, um nicht Gefahr zu laufen, in Kontakt mit der militärischen Macht der EU-Staaten zu kommen.

Der ECFR hat eine große politische und organisatorische Nähe zu dem von dem US-Milliardär George Soros propagierten Konzept der Zivilgesellschaften, wurde er doch nach eigenen Angaben von der Londoner Open Society Foundation gegründet, die dem von Soros unterhaltenen Stiftungsimperium "offener Gesellschaften" angehört. Soros hat mit seinen Stiftungen bereits zahlreiche Umsturzbewegungen in Osteuropa sowie in früheren Sowjetrepubliken finanziert; sein Name steht für die schon berüchtigten Bewegungen "bunter Revolutionen", die im ehemaligen Jugoslawien, Georgien und der Ukraine bereits zu demokratisch nicht legitimierten Machtwechseln geführt oder diese begünstigt haben. Da eben dieser George Soros neben einer spanischen und einer britischen Privatstiftung auch als Finanzier des "European Council on Foreign Relations" in Erscheinung getreten ist, darf angenommen werden, daß den wesentlichsten Schnittstellen europäischer Politik und Herrschaftssicherung ein Gremium vorgeschaltet wurde, das in einer schwer auszulotenden Verbindung zu den herrschenden Eliten in den USA steht.

Wenn es sich denn so verhält, daß der ECFR den Prinzipien der Transparenz und Offenheit einen so hohen Stellenwert beimißt, wie es die enge Verwandtschaft zu Soros' Stiftungsimperium "offener Gesellschaften" vermuten lassen könnte, wären seine Mitglieder gut beraten, in eigener Sache damit einen Anfang zu machen und gegenüber der Öffentlichkeit dazulegen, wie ein demokratisch nicht legitimiertes Gremium an der EU sowie den nationalen Regierungen vorbei ein so hohes Maß an politischem Einfluß beanspruchen bzw. anstreben kann. Und gewiß wird Karl-Theodor zu Guttenberg, so er denn das Amt des Bundeswirtschaftsministers in Bälde antritt, diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und die bundesdeutsche Öffentlichkeit umfassend über seine Mitgliedschaft im ECFR informieren und dabei die Frage erörtern, ob hier nicht Bahnen einer Beeinflussung von außen geschaffen worden sind, die mit der hohen, in der deutschen Verfassung verankerten Verantwortung eines solchen Regierungsamtes im Konflikt stehen könnten.

[1] Zum European Council on Foreign Relations (ECFR) siehe in POLITIK\MEINUNGEN:
DILJA/1079: ECFR (1) - Europäischer Thinktank mit Griff zur Weltherrschaft (SB)
DILJA/1080: ECFR (2) - Zweites Bein transatlantischer Weltmachtsbestrebungen (SB)
DILJA/1083: ECFR (3) - Ein elitärer Zirkel will Europa zur Kriegsmacht machen (SB)
DILJA/1084: ECFR (4) - Die EU-Militarisierung auf leisen Sohlen vorantreiben
(SB)

[2] Siehe beim ECFR: Statement of Principles, Absatz 3,
http://www.ecfr.eu/page/s/principlesen

9. Februar 2009