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DILJA/1114: Kriege der Zukunft - Bundeswehr will Roboter mit der Lizenz zum Töten (SB)


Auch die Bundeswehr möchte unbemannte Systeme mit der Lizenz zum Töten

Moderne Kriegstechnologie hat Alpträume aus Science-fiction-Welten längst eingeholt


Unter "asymmetrischer Kriegführung" werden gemeinhin die militärischen Operationen eines militärtechnologisch und logistisch hochüberlegenen Verbandes gegen minimal bewaffnete Milizen verstanden. Die Kriege der Gegenwart und Zukunft entsprechen seit langem nicht mehr den auf den leidvollen Erfahrungen großer Weltkriege beruhenden Vorstellungen zweier oder mehrerer gegnerischer Streitkräfte, die sich auf annähernd vergleichbarem technologischen Niveau einen Kampf auf Leben und Tod liefern, wobei mit dem technologischen "Fortschritt" der Anteil ziviler Kriegsopfer gegenüber den regulären Streitkräften kontinuierlich, um nicht zu sagen sprunghaft angestiegen ist. Die Qualifizierung der militärischen Vernichtungsgewalt hat zudem eine Zunahme von Kriegen begünstigt, die nach den klassischen Definitionen des Völkerrechts, wie es beispielsweise in der UN-Charta verankert wurde, die das Führen von Angriffskriegen verbietet, als ebensolche Angriffskriege klassifiziert werden müßten.

Bislang hat noch jeder Aggressor bzw. angreifende Staat gegenüber der Öffentlichkeit die Verhältnisse auf den Kopf gestellt und Angriff zur Verteidigung erklärt, um etwaige Einmischungen Dritter zu verhindern. Die Geschichte der Kriegspropaganda hat einen Qualifizierungssprung erfahren im Zuge des NATO-Krieges von 1999 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, der erstmals in der jüngeren Kriegsgeschichte um der Menschenrechte willen geführt wurde und angeblich sogar geführt werden mußte. Eine "Obergrenze" aus Sicht der kriegführenden Staaten, die im Unterschied zu den von ihnen zu angeblich legitimen Kriegszielen erklärten Regionen oder auch Staaten über diese militärtechnologischen Potentiale verfügen, schien bislang in den nicht völlig vermeidbaren Todesopfern auf der eigenen Seite zu bestehen. In Deutschland beispielsweise wird die Beteiligung am NATO-Krieg in Afghanistan unter anderem auch mit dem Schlagwort begründet, es ginge um die "Verteidigung" deutscher Interessen am Hindukusch.

Da die Militarisierung in der gesamten EU und damit auch in Deutschland jedoch noch nicht so weit vorangeschritten ist, daß im Ausland geführte Kriege an den eigenen Bevölkerungen völlig vorbei beschlossen und geführt werden könnten, kann die sogenannte öffentliche Meinung nicht gänzlich ignoriert werden. Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen (noch) vom Bundestag mandatiert werden, und so sind Bundesregierung und NATO-Führung in ihrem eigenen Interesse gehalten, sich um eine gewisse Akzeptanz zu bemühen. Da dies im Afghanistan-Krieg zunehmend schwieriger wird, zumal immer mehr Bundeswehrsoldaten mit dem, was sie bei diesen Einsätzen getan haben oder tun müssen, nicht mehr zurechtkommen, wird von seiten der Bundeswehrführung allem Anschein nach nach Lösungen gesucht, bei denen der Faktor Mensch vollständig ausgeklammert werden kann.

Wie das Onlinemagazin Telepolis unlängst berichtete [1], haben sich beim Forum Unmanned Vehicles der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik Vertreter der Bundeswehr dahingehend geäußert, daß unbemannte Plattformen künftig auch bewaffnet sein sollten. Hier einen Zusammenhang zum Afghanistankrieg der Bundeswehr zu vermuten, liegt nahe, zumal die neue US-Administration ihre Verbündeten, also auch Deutschland, bereits zu weiteren Truppenstellungen aufgefordert hat. Angesichts der absehbaren Intensivierung dieses Krieges mit der auch für die Bundesregierung anwachsenden Sorge, mehr und mehr Tote unter den eigenen Soldaten gegenüber der deutschen Öffentlichkeit vertreten zu müssen, wäre ein Killerroboter mit der Lizenz zum Töten, der ohne Gefahr für Leib und Leben der deutschen Soldaten in Auslandseinsätzen der Bundeswehr agieren könnte, die technologische Lösung eines großen Problems. Zur Begründung wird seitens der Militärstrategen allerdings angeführt, daß es bei dieser Neuerung darum ginge, die Reaktionszeit zwischen Zielerfassung und militärischem Feuer zu kürzen [1]:

Es ist eine unausweichliche Konsequenz der militärischen Logik, bei der Feuerkraft und Schnelligkeit die wichtigsten Parameter darstellen. Militärstrategen sprechen von der Zeitspanne "sensor-to-shooter", die mithilfe bewaffneter Aufklärungsplattformen drastisch verkürzt wird. Wenn zwischen der Zielerfassung und dem Angriff aus größerer Entfernung mehrere Stunden liegen, lassen sich bewegliche Ziele wie Autos kaum treffen.

Dies mag plausibel klingen, weil selbstverständlich ein Mensch niemals so schnell agieren, das heißt den Feuerbefehl geben wird, wie ein elektronisches System. Doch der eigentliche Quantensprung in der Wehrtechnik, den nun auch die Bundeswehr vollziehen wird, liegt wohl vielmehr in der Ausschaltung des "menschlichen" Faktors, sprich in der Nivellierung des potentiellen Widerstands von zunächst durchaus kriegführungsbereiten Bundeswehrsoldaten, die im Einsatz vor Ort mit den tödlichen Konsequenzen dieser asymmetrischen Kriegführung auf wehrlose Menschen konfrontiert werden. Wenn tatsächlich Kampfroboter mit der Lizenz zum Töten in der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen zum Einsatz gebracht werden (können), ist die Schwelle zum institutionialisierten Angriffskrieg endgültig überschritten worden. Vor einem halben Jahr scheint die Bundeswehr noch ein Gespür dafür gehabt zu haben, daß bewaffnete robotische Syteme mit der Selbstdarstellung der deutschen Kriegführung schlecht zu vereinbaren sind. Generalleutnant Günter Weiler, stellvertretender Inspekteur des Heeres, hatte seinerzeit erklärt, bewaffnete Systeme würden nicht angestrebt werden.

[1] Auch Roboter der Bundeswehr sollen schießen, von Hans-Arthur Marsiske, telepolis, 12.02.2009, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29720/1.html

20. Februar 2009