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DILJA/1139: Konfrontatives Israel - Kampfansage an palästinensische Gefangene (SB)


Israel beschließt Haftverschärfungen gegen palästinensische Gefangene

Spaltungsstrategie soll die Bildung einer palästinensischen Regierung der Nationalen Einheit aus Hamas und Fatah verhindern


Nach dem dreiwöchigen Krieg der israelischen Armee gegen die im Gazastreifen eingepferchte palästinensische Bevölkerung ist die israelische Regierung, aber auch die sogenannte internationale Gemeinschaft längst zur Tagesordnung übergegangen. Drängende Fragen wie die des Menschenrechtsermittlers Richard Falk, der in seinem jüngsten Bericht an den UN-Menschenrechtsrat die Rechtmäßigkeit der israelischen Angriffe in Zweifel gezogen hat, oder die, warum bis heute die israelische Blockade des Gazastreifens nicht aufgehoben wurde, obwohl aus diesem Grund weder die schweren Kriegsschäden noch die Mangelversorgung behoben werden können, treffen ganz offensichtlich nicht den Lebensnerv jener westlichen Staaten, die die israelische Regierung in mehr oder minder offener Form in ihrem Vorgehen gegen die Palästinenser unterstützt haben und dies selbstverständlich auch immer noch tun.

Am vergangenen Sonntag hat das Kabinett des scheidenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert durch seinen letzten Beschluß eine weitere Lunte gelegt, die zur Verschärfung der Konfrontation gegenüber den Palästinensern führen wird und die - wie minimal auch immer einzuschätzende - Chance, den Konflikt in seiner höchst gewaltsamen und einseitig zu Lasten der unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser ausgetragenen Form auf dem Verhandlungswege zu deeskalieren, zunichte machen soll. Laut Medienberichten wurde beschlossen, die Haftbedingungen für palästinensische Gefangene zu verschärfen. Ihnen sollen "Privilegien", wie es in pro-israelischen Agenturmeldungen hieß, gestrichen werden, so als wären die derzeitigen Haftbedingungen, die nach Auffassung von Menschenrechtsorganisationen in eklatanter Weise gegen internationale Schutzbestimmungen verstoßen, tatsächlich Vergünstigungen, die nun lediglich zurückgenommen werden würden.

Welche Absicht die scheidende Regierung Olmert, die diesen Schritt mit Sicherheit mit der ihr nachfolgenden Regierung der äußersten Rechten unter dem Likudvorsitzenden Benjamin Netanjahu abgestimmt haben wird, damit verfolgt, geht unzweideutig aus der Ankündigung hervor, daß diese Repression gegen Angehörige der im Gazastreifen regierenden Hamas angewendet werden soll. Nach Angaben des Palästinensischen Zentrums für Menschenrechte (PCHR) war zu dem Zweck, die Haftbedingungen für palästinensische Sicherheitsgefangene gezielt zu verschärfen, um auf diese Weise den Druck auf Hamas zu erhöhen, eigens ein Ministerkomitee unter Leitung von Justizminister Daniel Friedman eingerichtet worden. Dessen Vorschläge bildeten die Grundlage für die jüngsten Beschlüsse, und so steht den Gefangenen eine weitere Verschärfung ihrer ohnehin menschenunwürdigen Gefangenschaft bevor.

Da die Gefangenen sozial isoliert und ihnen nahezu jede Kommunikationsmöglichkeit entzogen werden soll, stellt diese Form der nach Artikel 76 der Vierten Genfer Konvention ohnehin illegalen Internierung politischer Gefangener auf dem Gebiet der Besatzungsmacht eine Isolationshaft dar, die auf die psychische und physische Vernichtung der Betroffenen abzielt. Den Häftlingen sollen Besuchsmöglichkeiten durch Angehörige noch weiter gestrichen werden, auch werden sie keinerlei Zugang mehr zu Zeitungen, Fernsehen oder Universitätsstudien erhalten. Da seit langem bekannt ist, daß Menschen unter Isolationsbedingungen gebrochen werden können, ist dieser Kabinettsbeschluß eine offene Kampfansage nicht nur an die Gefangenen, die bereits angekündigt haben, in einen Hungerstreik zu treten, sobald die Maßnahmen umgesetzt werden, sondern auch an alle übrigen Palästinenser und namentlich die Hamas.

Da Hamas-Gefangene der Isolationsfolter ausgesetzt und die Hamas-Verantwortlichen "unter Druck" gesetzt werden sollen, steht dieser höchst konfrontative Schritt in einem konkreten Kontext zu der gegenwärtigen Situation im Nahostkonflikt. Diese stellt sich nämlich einigermaßen bizarr da, was die durchaus widersprüchlichen Behauptungen und Erklärungen der westlichen Staaten betrifft. Die palästinensische Führung unter Präsident Mahmud Abbas hatte nach den Neuwahlen in Israel ihre Bereitschaft unterstrichen, mit jeder neuen israelischen Regierung zusammenzuarbeiten, die an der Zwei-Staaten- Lösung festhält und die Siedlungsaktivitäten in den Autonomiegebieten einstellt. Diese Voraussetzungen erfüllt die Rechtsregierung Netanjahus mit Sicherheit nicht.

Sie hat sich zwar, nachdem sie die Arbeitspartei des früheren Verteidigungsministers Ehud Barak in die Koalition mit aufgenommen hat, zu Friedensverhandlungen mit den Palästinensern bereiterklärt, doch dabei scheint es sich um Lippenbekenntnisse zu handeln, die es in erster Linie den USA und der EU ermöglichen, ihre Gesicht zu wahren. Und so fragt tunlichst niemand so genau nach, ob das Kabinett unter Netanjahu denn, wie von US-Außenministerin Hillary Clinton noch Anfang März verlangt und auch von der EU immer wieder angemahnt, der Zwei-Staaten-Lösung den Zuschlag gibt. Am 23. Februar hatte Abbas nach einem Gespräch mit dem tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus die Hamas aufgefordert, ebenfalls die Zwei-Staaten-Lösung sowie alle übrigen, mit Israel getroffenen Vereinbarungen zu akzeptieren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Hamas nicht nur um Aufnahme in die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) nachgesucht, als deren Vorsitzender Abbas fungiert, sondern war mit Abbas und der Fatah in Verhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Regierung der Nationalen Einheit getreten. Unter ägyptischer Vermittlung waren die Gespräche zwischen beiden Organisationen in Kairo so weit vorangeschritten, daß der im Juni 2007 von Präsident Abbas eingesetzte Ministerpräsident der palästinensischen Interimsregierung im Westjordanland, Salam Fajad, am 7. März seinen Rücktritt ankündigte, um den Weg frei zu machen für eine Regierung der Nationalen Einheit. Einer Mitteilung der Hamas zufolge haben sich beide, in der Vergangenheit zerstrittenen Organisationen darauf verständigt, zunächst eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden und bis zum 25. Januar 2010 Neuwahlen abzuhalten, während über das Regierungsprogramm sowie die Besetzung der Ministerposten noch weiter gesprochen werde.

Eine solche kooperative Entwicklung liegt allerdings nicht im Interesse Israels sowie der USA. So hatte Clinton gegenüber Fajad Anfang März versichert, die Autonomiebehörde sei die "einzige legitime Regierung des palästinensischen Volkes". Drohend hatte sie hinzugefügt, daß die USA mit einer palästinensischen Regierung, an der die im Gazastreifen regierende Hamas beteiligt sei, nicht kooperieren würde. Als dies nichts fruchtete, verstiegen sich die USA zu der Forderung, Fajad solle auch der neuen gemeinsamen Regierung vorstehen, was Vertreter der Hamas umgehend als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Palästinenser zurückwiesen. Die EU hatte bereits Ende Februar, als Fatah und Hamas sich im Grundsatz geeinigt hatten, ihre Unterstützung beim Aufbau einer Einheitsregierung zugesichert - da hätte es ihr schlecht zu Gesicht gestanden, wenn sie nun wie die USA eine solche Regierung strikt abgelehnt hätte.

Die durch Olmerts letzte Amtshandlung beschlossene Haftverschärfung gegen palästinensische Gefangene, die der Hamas angehören, scheint vor diesem Hintergrund ein Schachzug zu sein, um zum Nutzen Israels und seiner westlichen Verbündeten die inneren Spannungen zwischen Fatah und Hamas wieder anzuheizen - am besten so weit, daß beide Organisationen ihre bereits beschlossene Zusammenarbeit wieder aufkündigen. Die Palästinenser ihrerseits verfügen aus der über sechzigjährigen Geschichte der israelischen Besatzung jedoch über genügend leidvolle Erfahrungen mit derartigen Spaltungsstrategien. Die Gründe, die Fatah und Hamas allen innerpalästinensischen Konflikten und Spannungen zum Trotz zur Kooperation bewogen haben, könnten insofern sogar noch an Substanz gewinnen und keineswegs, wie von Israel, den USA und insgeheim wohl auch der EU erhofft, gegenstandslos werden.

Aus Ramallah verlautbarte am Dienstag jedoch, daß Fajad seinen Anfang März angekündigten Rücktritt erst wahrmachen werde, wenn ein neues Kabinett gebildet wurde. Sollten die weiteren Gespräche, die zu diesem Zweck in Kairo derzeit geführt werden, nicht zu einem solchen Ergebnis führen, würde Fajad abermals mit der Regierungsbildung beauftragt werden - allerdings nur für das Westjordanland, was nichts anderes bedeuten würde, als daß die Bemühungen, die durchaus verfeindeten palästinensischen Organisationen auch weiterhin gegeneinander auszuspielen, doch noch zum allein für Israel und seine Verbündeten nützlichen Erfolg geführt hätten.

1. April 2009