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DILJA/1182: Honduras - Die Widerstandsfront und Präsident Zelaya in der Offensive (SB)


Grenzübertritt des gestürzten Präsidenten von Honduras steht kurz bevor

Das Putschregime könnte, sofern es nicht kapituliert, durch Insubordination ihrer militärischen Basis zu Fall gebracht werden


Das Putschregime von Honduras scheint vor seinem Ende zu stehen, sich jedoch zu weigern, die sich abzeichnende politische Niederlage zu realisieren und die einzig sinnvolle Schlußfolgerung, nämlich durch eine bedingungslose Kapitulation eine unter den gegebenen Umständen bestmögliche Ausgangsposition für die weitere Zukunft aller persönlich am Staatsstreich vom 28. Juni Beteiligten zu erwirken, zu ziehen. Die Situation im Lande ist, gelinde gesagt, so verfahren, daß eine weitere Eskalation bis hin zu einem offenen Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen werden kann, sondern nach Lage der Dinge angenommen werden muß. Eine solche Konfrontation steht unmittelbar bevor, zumal Präsident Zelaya mit einer Fahrzeugkolonne von 50 Wagen von Nicaragua aus den Weg in sein Heimatland am heutigen Freitag angetreten ist. In Begleitung des Außenministers von Venezuela Nicolás Maduro, seiner Außenministerin Patricia Rodas, des früheren nicaraguanischen Guerillaführers Edén Pastora, zahlreicher Vertreter der honduranischen Gewerkschaften und sozialer Organisationen sowie in- wie ausländischer Journalisten hatte der Troß mit Zelaya an der Spitze in der Nacht zum Freitag die Stadt Estelí im Norden Nicaraguas in 40 Kilometer Entfernung zur honduranischen Grenze erreicht.

Dort hatte sich Zelaya noch einmal an seine Anhänger gewandt und diese aufgefordert, in Massen an die Grenze zu kommen und ihn auf seinem Weg nach Tegucigalpa zu begleiten. Unterdessen hatte das honduranische Militär in kaum verhohlener Drohung erklärt, für die Sicherheit Zelayas und seiner Begleiter "nicht garantieren" zu können. Die Hoffnung der derzeitigen Machthaber, den Präsidenten von seinem Vorhaben abhalten zu können, scheint jeder Grundlage zu entbehren, erklärte dieser doch noch in Estelí, er wisse, daß er "in Gefahr" sei, daß er jedoch dieses "Opfer" auf sich nehme, weil Honduras einen "Wechsel mit friedlichen Mitteln und nicht mit Bajonetten" brauche. Unterdessen verhängten die Putschisten für das Grenzgebiet zu Nicaragua eine Ausgangssperre, um die Unterstützer Zelayas daran zu hindern, den Präsidenten in Empfang zu nehmen. So versperrten Soldaten vielen Menschen, die mit Bussen und Autos von der Hauptstadt aus zur Grenze fahren wollten, den Weg; die Anhänger kamen nur bis zu der 10 Kilometer von der nicaraguanischen Grenze entfernt liegenden Ortschaft El Paraíso.

Sobald er die Grenze überschritten hat, will Zelaya zu Fuß und unbewaffnet in die 150 Kilometer entfernt liegende Hauptstadt zurückkehren und sein Präsidentenamt wieder beanspruchen. "Dann werden Frieden und Versöhnung wieder in meinem Land einkehren", glaubt er, doch bis dahin ist es nicht nur nach der Kilometerzahl ein weiter Weg. Das Putschregime zeigt nicht die geringste Bereitschaft, Zelaya anzuerkennen, sondern wird aller Voraussicht nach bis zu den äußersten Mitteln greifen, um die von ihr ohnehin gewaltsam ergriffene Staatsmacht gegen den gewählten Präsidenten des Landes zu verteidigen und, was noch schwerer wiegen dürfte, gegen eine aus vielen sozialen und oppositionellen Organisationen und Gewerkschaften gegründete Widerstandsfront, die nicht nur nicht bereit ist, sich der militärischen Gewalt der derzeitigen Machthaber zu unterwerfen, sondern nicht minder entschlossen ist, per Verfassungsgebender Versammlung einen politischen Neustart des ganzen Landes hin zu einer sozialistischen bzw. bolivarischen Entwicklung in Angriff zu nehmen.

Das Putschregime um Roberto Micheletti hat keinen Zweifel daran bestehen lassen, Zalaya verhaften zu wollen, sobald er einen Fuß über die Grenze setzt. Augenscheinlich setzen die Militärs darauf, den gestürzten Präsidenten durch Drohungen dieser Art einzuschüchtern und von seinem Vorhaben abzubringen, wohlahnend, daß die bevorstehende Konfrontation keineswegs zu ihren Gunsten ausgehen könnte. In Honduras verfügt die putschende Oligarchie, bestehend aus dem Militär, der politischen Rechten, der Unternehmerschaft sowie der katholischen Kirche, über keinen anderen Rückhalt als den ihrer eigenen Klientel. Nach Angaben einer internationalen Menschenrechtsorganisation, die sich seit gestern in Honduras befindet und heute einen ersten Bericht vorlegte, gibt es eine Vielzahl von Berichten über Demonstrationen sogenannter "Weißen Hemden" zur Unterstützung der Putschregierung. Bei diesen "Demonstranten" handelt es sich um Angestellte, die eigens dafür bezahlt werden, an Kundgebungen zugunsten der Putschisten teilzunehmen, während Putschgegner häufig berichteten, von ihren Chefs bedroht worden zu sein, damit sie den Protestveranstaltungen fernblieben.

All dies fruchtet wenig. Die Aktivitäten der Nationalen Widerstandsfront wurden wie zuvor vereinbart und angekündigt am gestrigen Donnerstag sowie am heutigen Freitag intensiviert, um eine Situation im Lande herzustellen, in der der Wille der Bevöllkerungsmehrheit, nämlich daß Zelaya zurückkehrt und die Putschisten die Macht im Staate wieder abgeben müssen, auf den Straßen unübersehbar wird. Dies ist sehr wohl wörtlich zu verstehen, und so wurden aus vielen Teilen des Landes bereits mit Erfolg durchgeführte Straßen- und Brückenblockaden gemeldet. Desweiteren wurde der von den drei größten Gewerkschaftsverbänden am Montag erfolgte Aufruf zum Generalstreik an diesen beiden Tagen befolgt. Insbesondere im öffentlichen Sektor, wo Schulen, Universitäten und Verwaltungsgebäude geschlossen wurden, aber auch in der Wirtschaft wurde der Streikaufruf umgesetzt.

Wie stark der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmerschaft ausfällt, läßt sich derzeit schwer abschätzen; allerdings dürfte der internationale Warenverkehr mit für honduranische Exportunternehmen massiven Folgen zum Erliegen kommen, da ebenfalls seit gestern die Internationale Transportarbeiter Föderation, der 656 Gewerkschaften in 135 Ländern angehören, zu einem Boykott aller unter honduranischer Flagge fahrenden Schiffe aufgerufen hat. Da die landwirtschaftlichen Exporte aus Honduras vorrangig auf dem Seeweg transportiert werden, könnte der wirtschaftliche Druck auf die Unternehmen durch diesen Boykottaufruf erheblich erhöht werden.

Manuel Zelaya hingegen ist nicht gewillt, noch länger auf was oder wen auch immer zu warten. So läßt sich der einzig demokratisch legitimierte Präsident von Honduras weder durch die nach zwei ergebnislos verlaufenden Verhandlungsrunden äußerst dürftige Option weiterer Gespräche unter Vermittlung des Präsidenten von Costa Rica, Oscar Arias, noch die Frage, ob die internatioal geächteten Usurpatoren in Tegucigalpa ungeachtet aller bisherigen Indizien vielleicht doch aufgeben könnten, von seiner Rückkehr in das Land abbringen. In Nicaragua, von wo aus er wie gestern angekündigt aufgebrochen ist, hatte er noch erklärt, "nur Gott" könne seine Rückkehr verhindern. Diese Rückkehr stellt eine politische Offensive der gesamten Widerstands- und Demokratiebewegung des Landes dar, ohne die der mutige Schritt Zelayas politischer Selbstmord wäre.

Die Putschregierung unter Micheletti oder vielmehr dem militärisch maßgeblichen General Romero Vázquez Velázquez könnte bei der nun kurz bevorstehenden Zuspitzung der Konfrontation sehr wohl den Kürzeren ziehen. So hat nach Angaben des lateinamerikanischen Nachrichtensenders TeleSur die Nationale Polizei von Honduras beschlossen, zeitgleich zum landesweiten Generalstreik in einen unbefristeten Arbeitskampf zu ziehen. Wenngleich dieser Streik offiziell mit Lohnforderungen begründet wurde, handelt es sich um eine eindeutig politische Stellungnahme der Polizeibeamten, die dem Vernehmen nach erklärt haben, ab Donnerstag nicht mehr zum Dienst zu erscheinen und eigens betont haben, einen etwaigen Haftbefehl gegen Zelaya nicht zu vollstrecken. Eine solche Haltung hindert das Militär selbstverständlich nicht, mit eigenen Truppenteilen in Erscheinung zu treten, doch auch in ihnen lauert die Gefahr politisch begründeter Befehlsverweigerungen, wenn es gilt, gegen den Präsidenten und seine Begleiter gewaltsam vorzugehen.

Derweil versucht das Regime, die internationale Front seiner Gegner und Kritiker, seien sie, wie im Falle der USA sowie der EU-Staaten, auch als höchst doppelzüngig einzustufen, zu durchbrechen. So bestätigte die kolumbianische Regierung in Bogota am Mittwoch, eine Delegation unter Leitung von Carlos López, der in der honduranischen Putschistenregierung die Rolle eines "Außenministers" angenommen hat, empfangen zu haben. Präsident Alvaro Uribe, dem in Kolumbien enge Verbindungen zu den dortigen paramilitärischen Verbänden nicht ohne Grund nachgesagt werden, hat bereits seine "Sympathie" für das Regime Roberto Michelettis zum Ausdruck gebracht, was allerdings eher geeignet ist, Kolumbien als einen der letzten Staaten Lateinamerikas, der sich von den USA instrumentalisieren läßt und mit deren militärischer und finanzieller Unterstützung ein Bollwerk gegen die Linksentwicklung des gesamten Kontinents zu errichten sucht, mehr noch als ohnehin schon als "Büttel Washingtons" zu diskreditieren.

Der "Bürgerkrieg", vor dem vielfach gewarnt wird, läßt sich wohl nur dann verhindern, wenn die bislang nicht in Erscheinung getretenen Ideengeber und Förderer der Putschisten, in welchen westlichen Hauptstädten und lateinamerikanischen Dependencen sie auch immer zu verorten sein mögen, zu der keineswegs unrealistischen Auffassung gelangen, daß durch einen Krieg gegen die Bevölkerung von Honduras und die Solidaritätsbewegungen der übrigen Staaten Lateinamerikas das Ansehen der westlichen Staaten weitaus mehr Schaden erleiden würde, als politischer Nutzen durch einen solchen Gewaltakt zu gewinnen wäre. Sowohl die USA als auch die europäischen Kernstaaten, die ungeachtet ihrer Lippenbekenntnisse schon jetzt Gefahr laufen, als heimliche Parteigänger der Putschisten bloßgestellt zu werden, würden bei einer gewaltsamen Eskalation, wie sie nun unmittelbar bevorzustehen scheint, unweigerlich an ihrer tatsächlichen Haltung erkannt werden können.

24. Juli 2009