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DILJA/1187: Militärdiktatur in Honduras - Appelle verschaffen dem Regime Zeitgewinn (SB)


Die Militärjunta von Honduras zeigt immer mehr ihr wahres Gesicht

Protestnoten und Appelle nützen dem Ansehen des Westen, ohne das Regime unter Druck zu setzen


Zeigten sich die militärischen Machthaber von Honduras und ihre "zivilen" Verbündeten in den von ihnen okkupierten Regierungsämtern in den ersten Wochen noch bemüht, den "Ball flach" zu halten, indem sie das gewaltsame Vorgehen gegen die Putschgegner auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten suchten, gehen sie jetzt mit immer brutalerer Repression gegen den nationalen Widerstand vor. So wurde am vergangenen Mittwoch eine weitere "rote Linie" überschritten, indem schwerbewaffnete Polizei mit äußerster Härte Studentenproteste an der Nationalen Autonomen Universität von Honduras niederknüppelte. Dabei wurde auch die Rektorin Julieta Castellanos, die die anrückenden Polizisten am Betreten des Universitätsgeländes hindern wollte, niedergeschlagen. Nach Augenzeugenberichten griffen die Polizisten die protestierenden Studenten ohne jede Vorwarnung oder Aufforderung an.

Seit der Zeit der blutigen Militärputsche in den 1960er und 1970er haben in Honduras wie auch den meisten lateinamerikanischen Staaten die Universitäten einen quasi extraterritorialen Status, sie dürfen ohne triftigen Grund von Polizei und Militär nicht betreten werden. Da ein solcher nicht vorlag, kündigte die Rektorin bereits an, daß die Universität die Polizei verklagen wird. Doch vor welcher Justiz? Der gegenwärtige Staatsapparat von Honduras stellt, zumal auch der Oberste Gerichtshof in dem Ruch steht, den von der Oligarchie des Landes mit vereinten Kräften angezettelten und vom Militär durchgeführten Staatsstreich zu unterstützen, so etwas wie die zivile Attrappe einer kaum noch zu verbergenden Militärdikatur dar. Tatsächlich kann, zumal das ganze Land einer massiven Medienzensur und -einschüchterung unterworfen wurde, keineswegs ausgeschlossen werden, daß dieser Putsch gerade auch in Hinsicht auf das gewaltsame Vorgehen gegen die politische Opposition längst an "chilenische Verhältnisse" heranreichen könnte.

Monika Knoche, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, befindet sich seit kurzem in Tegucigalpa und beschrieb die Situation im Lande in einer Weise, die das auffällige Schweigen des politischen Berlins sowie das nicht minder aufschlußreiche Desinteresse bundesdeutscher wie auch internationaler Konzernmedien deutlich zu Tage treten läßt. So verdeutlichte Knoche am Donnerstag gegenüber dem Deutschlandfunk, daß von einer Normalisierung der Verhältnisse oder einer stillschweigenden Rückkehr zum Status Quo nicht die Rede sein kann. Wörtlich erklärte die Linkspolitikerin: "Wo Menschenrechtsverletzungen, wo Tötungen, wo Todesschüsse auch abgegeben werden, wo Entführungen stattfinden, wo politisch linksorientierte Leute auch um ihr Leben bangen müssen, sind keine Voraussetzungen da, um demokratische Wahlen durchzuführen."

Das sehen höchst einflußreiche Kräfte außerhalb von Honduras offensichtlich anders. Die dortigen Generäle haben sich, da sie sich einer landesweiten Protest- und Widerstandsbewegung gegenübersehen, die ungeachtet der zunehmenden Repression immer neue Aktivitäten entfaltet, um eine internationale Etablierung des Putschregimes zu verhindern und die Rückkehr des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya sowie die Fortsetzung des vorbereiteten Weges zur Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu erzwingen, zu einer kleinen Medienkampagne entschlossen. Auf dem Fernsehsender Kanal 5 suchten führende Generäle in einer am Dienstag gesendeten Talkshow den Putsch, der ihrer Meinung nach keiner war, zu rechtfertigen.

Dabei bedienen sie sich eines Vokabulars, das den Vergleich zum für ganz Lateinamerika damals traumatischen und eine ganze Reihe weiterer Militärputsche einleitenden Staatsstreich gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende unwillkürlich wachzurufen imstande ist. Auch General Pinochet, heute weltweit berüchtigt und synomym gesetzt mit einem Folterregime, das den gewählten Präsidenten wie tausende seiner Anhänger tötete und das ganze Land schlimmsten diktatorischen Verhältnissen aussetzte, nahm für sich und seine Mitputschisten in Anspruch, die "Demokratie" in Chile vor dem Sozialisten Allende "gerettet" zu haben. Dies geschah 1973 in Chile mit Rückendeckung führender westlicher Staaten, und eben dies geschieht - wie anders ließe sich das zahnlose Protestieren der sogenannten internationalen Gemeinschaft gegen das Putschregime Michelettis erklären? - auch heute in Honduras.

In der Fernsehbotschaft der Militärs brachte General Miguel Angel García Padget genau diesen Standpunkt unverblümt zum Ausdruck: "Wir haben verhindert, daß ein als Demokratie getarnter Sozialismus sich weiter ausbreitet - bis in die USA hinein." Für diese Worte wird die Obama-Administration dem Honduraner nicht eben dankbar sein, weil er allzu offen ausgesprochen hat, was nach Ansicht und strategischer Konzeption der neuen Mannschaft in Washington weitaus klüger gehandhabt werden sollte. US-Präsident Barack Obama wird weder sein Gutmenschen-Image noch seine Hoffnungsträger-Gestalt durch die offen erkennbare Zusammenarbeit mit einem Putschregime vorzeitig ruinieren wollen, das sich längst angeschickt hat, in die blutigen Fußspuren vergangen geglaubter Diktaturzeiten zurückzukehren.

Was heute in Honduras geschieht und wovon, wie Monika Knoche befürchtet, erst ein geringer Teil überhaupt bekannt geworden ist, zielt gegen eine Entwicklung in den Staaten Zentral- wie auch Südamerikas, die sehr wohl als "sozialistisch" bezeichnet werden könnte, weil sich mehr und mehr Völker dieser Region eine Staatsordnung und Verfassung gegeben haben, die die traditionelle Ausbeutungsordnung zugunsten der jeweiligen Oligarchien beendet und eine Umverteilung von oben nach unten zugunsten der zuvor an den Rand gedrängten und zu bitterster Armut verurteilten Bevölkerungsmehrheiten befördert. Die Putschgeneräle in Honduras vom 28. Juni behaupten allen Ernstes, sie hätten mit der gewaltsamen Verschleppung von Präsident Zelaya die "expansionistischen Pläne" des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez gestoppt.

Zelaya selbst zeigt sich inzwischen "ungeduldig" und erklärte während seines Aufenthaltes in Mexiko, daß die Putschisten im Begriff stünden, die Präsidenten Lateinamerikas zu besiegen, da es bislang nicht gelungen sei, den Staatsstreich rückgängig zu machen. Und abermals warf der rechtmäßige Präsident von Honduras der US-amerikanischen Regierung vor, nicht genügend zu tun, um die Putschisten von der Macht zu verdrängen. Dieser Vorwurf ist so richtig und zutreffend wie am ersten Tag, doch sollte sich inzwischen die Einschätzung weit genug herumgesprochen haben, daß nicht nur die USA, sondern auch die EU als stille Teilhaber der Putschregimes zu bewerten sind, weshalb weitere, an sie gerichtete Appelle und Forderungen zur Fehlscheinschätzung der Lage unfreiwillig beizutragen drohen.

Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez, die graue Eminenz des Putschregimes, führte in der Fernsehsendung zur Aufwertung der Diktatur das Argument an, daß von einem Putsch nicht die Rede sein könne, weil weder der Ausnahmezustand verhängt noch alle Unruhestifter eingesperrt worden sein. In dieser Formulierung stellen diese Worte eine kaum verhohlene Drohung dar, zumal die Machthaber längst unter Beweis gestellt haben, daß an ihrer Bereitschaft, zu immer gewaltsameren Mitteln zu ihrem Machterhalt zu greifen, nicht gezweifelt werden darf. Die Militärs hatten sogar die Stirn, den Tod zweier Demonstranten zu bedauern, so als hätten sie und das von ihnen geschaffene Putschregime nicht das Geringste mit den politischen Morden zu tun, deren tatsächliche Zahl womöglich höher ist, als bislang bekannt geworden. Es gebe so viel mehr an gräßlicher Realität, was bisher wenig an die Öffentlichkeit gedrungen sei, hatte die Linkspolitikerin Knoche berichtet.

Die Talkshow der Putschgeneräle tut das ihre, um die tatsächlichen Verhältnisse in Honduras zu demaskieren. Mit Sätzen, die, wie sie glauben, den Putsch als legitime Rettungsaktion der Demokratie erscheinen lassen, belegen die Machthaber vielmehr, wie ununterscheidbar der von ihnen begangene Staatsstreich in seinem politischen Entstehungszusammenhang mit den Putschen und Militärdiktaturen Lateinamerikas in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist. So erklärte General Padget, die Amtsenthebung Zelayas sei "unvermeidlich gewesen, da er sich nicht nur wegen seiner Mißachtung gerichtlicher Anordnungen, sondern auch seines Bündnisses mit Hugo Chávez als Gefahr für die Demokratie erwiesen habe", und so habe man "eingreifen müssen, um zu verhindern, daß Chávez den Sozialismus über die gesamte Region verbreite". Wenn der gewaltsame Sturz eines gewählten Präsidenten, zu dessen Begründung dessen Zusammenarbeit mit dem gewählten Präsidenten eines anderen Landes angeführt wird, auf die faktische und stillschweigende Unterstützung westlicher Staaten trifft, belegt dies, daß der gesamten Region Zentral- und Südamerikas eine Auseinandersetzung bevorsteht und aufgezwungen zu werden droht, die den historisch überwunden geglaubten Zeit der Militärdiktaturen in nichts nachstehen wird.

7. August 2009