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DILJA/1213: Honduras - Washington erklärt "die Krise" verdächtig schnell für beendet (SB)


Die Putschisten von Honduras zeigen sich mit US-amerikanischer Hilfe kompromißbereit

Durch vage Versprechen sollen die internationalen Sanktionen gegen das Putschregime aufgehoben und die Novemberwahlen ermöglicht werden


Manuel Zelaya, der rechtmäßige und durch den Militärputsch vom 28. Juni des Jahres gestürzte Präsident von Honduras, befindet sich keineswegs in der Lage, "auf gleicher Augenhöhe" mit seinem Widersacher, dem Putschpräsidenten Roberto Micheletti, verhandeln zu können. Zelaya hält sich seit seiner sozusagen heimlich vollzogenen Rückkehr ins eigene Land am 21. September in der brasilianischen Botschaft in der Hauptstadt Tegucigalpa auf. Hier fand er Aufnahme und Schutz vor den Nachstellungen der militärisch-politischen Machthaber, die ihn zu verhaften drohten ganz so, als seien nicht sie selbst die Rechtsbrecher, die die demokratische Ordnung des Landes durch die Entmachtung Zelayas zutiefst verletzt haben. Micheletti hingegen steht nur dem Anschein nach international isoliert dar, auch wenn führende Staaten der internationalen Gemeinschaft klipp und klar festgestellt haben, daß Zelaya und nicht Micheletti der rechtmäßige Präsident von Honduras sei. Zudem wurden Sanktionen verhängt, die einen keineswegs geringfügigen Druck auf die derzeitigen Machthaber in Tegucigalpa ausüben und die aufheben zu lassen das Micheletti-Regime durch sein jüngstes, scheinbares Einlenken nun bestrebt ist.

Das offizielle Nichtanerkennen der derzeitigen Machthaber bedeutet jedoch keineswegs, daß die westliche Welt nicht insgeheim mit Micheletti und den von seiner Putschregierung durchgeführten Maßnahmen einverstanden wäre und diese nicht sogar aktiv unterstützt hätte, da mit diesen Mitteln eine weitere Linksentwicklung des mittelamerikanischen Landes verhindert werden soll. Daß der Westen die Putschisten nicht akzeptiert, versetzt ihn in die Lage, nach den schon lange vor dem Putsch für den 29. November anberaumten Präsidentschaftswahlen mit einer formal dann nicht mehr zu beanstandenden Regierung zur Tagesordnung überzugehen, obwohl der tatsächliche Status Quo, die Situation vor dem Putsch vom 28. Juni, womöglich keineswegs als wiederhergestellt gelten kann. Dies betrifft vor allen Dingen die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung, der Präsident Zelaya kraft seines Amtes und in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise mit dem für den 28. Juni geplanten Referendum den Weg ebnen wollte und durch das der eigentliche Souverän des Landes, die Bevölkerung, ihre demokratischen Rechte im tiefsten Sinne des Wortes hätte wahrnehmen können.

Nach der Rückkehr Zelayas hatten sich die Verhandlungen zwischen ihm und dem Putschistenregime zunächst als äußerst zäh, um nicht zu sagen völlig fruchtlos, erwiesen, da die Usurpatoren um Micheletti sich strikt weigerten, einer Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt zuzustimmen. In dem Fall hätte von einer Beilegung der Krise, wie die völlige Außerkraftsetzung der demokratischen Ordnung bagatellisierend von der US-Regierung genannt wurde, die Rede sein können; allerdings auch nur dann, wenn auch alle übrigen repressiven Maßnahmen der Putschisten aufgehoben und Präsident Zelaya und seine Regierung in vollem Umfang ihren Regierungsaufgaben hätten nachkommen können. Am gestrigen Donnerstagabend wurde nun verlautbart, es sei zu einem politischen Durchbruch in der festgefahrenen Situation gekommen. Erfolgsmeldungen dieser Art sind allerdings mit Vorsicht, um nicht zu sagen einem erfahrungsgestützten Mißtrauen zu begegnen, auch wenn Präsident Zelaya selbst höchst zuversichtlich klingt.

So sprach Zelaya von einem "Triumph für die Demokratie in Honduras" und erklärte: "Wir sind zufriedengestellt. Wir sind optimistisch, daß meine Wiedereinsetzung unmittelbar bevorsteht." Zelayas Zuversicht mag sich zum einen auf die Zusicherungen der US-Regierung gründen, die ihm durch den Lateinamerika-Beauftragten des Außenministeriums, Thomas Shannon, in einem direkten, in der brasilianischen Botschaft geführten Gespräch noch einmal zugesichert hatte, ihn als den Präsidenten von Honduras zu betrachten und die Präsidentschaftswahlen vom November nicht anzuerkennen, wenn er nicht vorher wieder in sein Amt eingesetzt werde. Faktisch folgte dann am gestrigen Abend die Erklärung Michelettis, er sei bereit, eine Vereinbarung zu unterschreiben, die die Wiedereinsetzung Zelayas zur Folge haben könnte.

Hier liegen die Teufel in den sprachlichen Details. Wieso "könnte" und nicht "zur Folge haben wird"? Die in der internationalen Presse hochgelobte Vereinbarung - US-Außenministerin Hillary Clinton sprach gar von einem "historischen Abkommen" und erklärte sogar schon die Krise für beendet - könnte sich als Mogelpackung erweisen, um eine echte Rückkehr zu den vor dem Putsch bestehenden Verhältnissen zu vermeiden und dennoch den Eindruck zu erwecken, als sei aus demokratischer Sicht an der Situation in Honduras nichts mehr zu beanstanden. Das Abkommen, in dem Zelaya und Micheletti sich verpflichten würden, die Ergebnisse der Novemberwahlen anzuerkennen, hält echte Fallstricke bereit, die die in Aussicht gestellte Amtsrückkehr Zelayas verhindern könnten. So soll die Rückkehr in einem Parlamentsvotum entschieden werden; vor dem Votum soll das Oberste Gericht seine Auffassung kundtun.

Das Verfassungsgericht hat eine Rückkehr Zelayas allerdings bereits abgelehnt, während es sich bei dem derzeitigen Parlament genau um die Institution handelt, die Micheletti zum "Interiumspräsidenten" bestimmt und damit den Sturz Zelayas zum Schein legitimiert hatte. Wie aber kann eine Übereinkunft, die zwischen Zelaya, der sich wie ein Gefangener im eigenen Land aus der brasilianischen Botschaft nicht herausbewegen kann, und seinen Gegnern, die nach wie vor über sämtliche Gewaltmittel zur Unterdrückung der Protestbewegung verfügen, getroffen wurde, ein politischer Durchbruch sein, wenn der Erfüllung der Minimalforderung zur Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen, nämlich der Amtsrückkehr Zelayas, solche Hindernisse im Wege stehen? Das Micheletti-Regime hat im übrigen selbst dafür gesorgt, daß die Annahme, es habe wenige Wochen vor den Wahlen ein echtes Einlenken gegeben, wie Schnee in der Sonne schmilzt, noch bevor die Meldung über das getroffene Übereinkommen den Weg in alle Nachrichtenkanäle gefunden hat.

Zeitgleich mit der vollmundigen Verkündung des Krisenendes ließen die Machthaber in Tegucigalpa verlautbaren, daß sie die Regierung Brasiliens vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Landes verklagen wollen. Wie Carlos Lopez, der im Micheletti-Team als "Außenminister" fungiert, mitteilte, habe die "Regierung" in Den Haag die Eröffnung eines solchen Verfahrens gegen Brasilien beantragt. Wäre den Putschisten allen Ernstes an einer einvernehmlichen Lösung des Konfliktes gelegen, würde Micheletti auch nur gewillt sein, eine "Machtteilung innerhalb der Regierung" vorzunehmen, wäre es vollkommen unerklärlich, warum er gerade zu diesem Zeitpunkt gegen die Zelaya Asyl gewährende brasilianische Regierung vorzugehen versucht. Doch wie auch immer dieser dumm-dreiste Vorstoß zu bewerten sein mag - von einer tatsächlichen Entspannung der Lage oder auch nur ernstgemeinten Versuchen, die faktische Diktatur nicht nur formal aufzuheben, sondern der Demokratiebewegung des Landes vollkommen uneingeschränkt zu ihren Rechten zu verhelfen, kann nicht einmal annäherungsweise die Rede sein.

30. Oktober 2009