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DILJA/1323: Münchner Attentat von 1980 - Hinterbliebene stellen unbequeme Fragen (SB)


Die Bundesanwaltschaft lehnt die Wiederaufnahme der Ermittlungen im größten Terrorfall Deutschlands ab

Den Hinterbliebenen wird die gewünschte lückenlose Aufklärung verwehrt


Es war der Abend des 26. Septembers 1980. An diesem Tag vor über 30 Jahren wurde auf dem Münchner Oktoberfest der schwerste Anschlag seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland verübt. Durch die Explosion einer Rohrbombe mit 1,4 Kilo TNT, die am Haupteingang des Oktoberfestes in einer Mülltonne detonierte, wurden 13 Menschen getötet und 218 zum Teil lebensgefährlich verletzt. Diese Tat war ein Terroranschlag im wahrsten Sinne des Wortes, wurde durch ihn augenscheinlich nicht eine konkrete Zielperson, sondern - wahllos - die Bevölkerung angegriffen. Inmitten des bundesweiten Entsetzens folgten alsbald erste Schuldzuweisungen, die nur unter Beleuchtung der damaligen innenpolitischen Verhältnisse einen "Sinn" machen. Es war Wahlkampfzeit, da am 5. Oktober 1980 die Wahlen zum 9. deutschen Bundestag unmittelbar bevorstanden. Wahlsieger wurde bekanntlich der vorherige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) bzw. die von ihm geführte sozialliberale Koalition.

Schmidts großer Gegenspieler und Herausforderer war kein anderer als Franz-Josef Strauß, den kein politisches oder moralisches Schamgefühl daran hinderte, den Versuch zu unternehmen, aus dem Münchner Attentat mit seinen vielen Toten und Verletzten in der Endphase des Wahlkampfs politisches Kapital zu schlagen. Strauß erklärte nicht nur, daß der Anschlag von Linken verübt worden sei, er bezichtigte die Bundesregierung und konkret Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), durch seine liberale Haltung dem "linken Terror" Vorschub geleistet zu haben. Die Strauß'schen Thesen ließen sich allerdings nicht aufrechterhalten, da durch die Person des mutmaßlichen Attentäters, des 21jährigen Geologiestudenten Gundolf Köhler aus Donaueschingen, schnell deutlich geworden war, daß vielmehr eine Verbindung zu der am 30. Januar 1980 von Baum verbotenen paramilitärischen und rechtsextremen "Wehrsportgruppe Hoffmann" bestanden hatte.

Köhler war bei dem Anschlag ebenfalls ums Leben gekommen. Der Zustand seines Leichnams belegte, daß er die Bombe zuletzt in Händen gehalten hatte. Damit war die Schuldzuweisung an linke Organisationen vom Tisch. Gundolf Köhler war allem Anschein nach der Bombenleger gewesen, doch nichts deutete darauf hin, daß er tatsächlich, wie binnen kürzester Zeit verlautbart wurde, ein Einzeltäter gewesen war, was bedeutet hätte, daß keine einzige weitere Person in die Planung, Vorbereitung und Ausführung dieses schweren Terroranschlags einbezogen gewesen wäre oder auch nur von ihm gewußt hätte. Bis heute deuten die schon damals vorliegenden Indizien und die daraus ableitbaren Widersprüche und Fragen vielmehr auf die Möglichkeit hin, daß seitens der Strafverfolgungsbehörden ein starkes Interesse daran bestanden hat, diesen Fall schnellstmöglich zu den Akten zu legen und ihn dort auch zu belassen.

An dem mangelnden Ermittlungsinteresse änderte auch ein Appell nichts, der anläßlich des diesjährigen Jahrestages des Münchner Oktoberfest-Anschlags von über 600 Menschen an Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gerichtet worden war. In dem auch von Politikern der SPD, der Grünen sowie der Linkspartei unterzeichneten Offenen Brief war die Ministerin aufgefordert worden, die Bundesanwaltschaft mit Ermittlungen "zu Täterschaft und politischen Hintergründen des Anschlags auf das Oktoberfest am 26. September 1980 in München" [1] zu beauftragen, wobei neue beweisrelevante Erkenntnisse zu berücksichtigen und die vorliegenden Spuren und Hinweise einer neuen Würdigung zu unterziehen seien. Bei der Gedenkveranstaltung am 26. September dieses Jahres hatten mehrere hundert Menschen der Opfer des damaligen Anschlags gedacht. Dem Wunsch, um nicht zu sagen der Forderung nach lückenloser Aufklärung und neuen Ermittlungen konnte sich Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nicht entziehen, und so erklärte er anläßlich einer Kranzniederlegung am Mahnmal für die Anschlagsopfer, daß der Wunsch nach vollständiger Ermittlung aufgegriffen werden müsse [2]. In dem Offenen Brief an Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger war dieser Wunsch folgendermaßen begründet worden [1]:

Schon immer haben begründete Zweifel bestanden, ob das offizielle Ermittlungsergebnis des Bayerischen Landeskriminalamts und des Generalbundesanwalts die Wahrheit wiedergibt. Zu groß sind die Ungereimtheiten und Unzulänglichkeiten bei den Ermittlungen, zu zahlreich die Spuren und Indizien, die nicht berücksichtigt wurden. Bei der Suche nach der wirklichen Täterschaft des Anschlags sind auch die neuen Erkenntnisse, die sich aus der Auswertung der Akten der Staatssicherheit der DDR ergeben können, einzubeziehen. Es ist ein Skandal, daß die anläßlich der Tat gesicherten Asservate bereits 1997 vernichtet wurden. Hier handelte es sich um Mord, der schon 1980 keiner Verjährung unterlag. Der Öffentlichkeit sowie den Opfern des Anschlags und ihren Angehörigen wurde die Wahrheit in einer Weise vorenthalten, die eines Rechtsstaats unwürdig ist. 30 Jahre nach dem größten Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist es endlich an der Zeit, dieses Verbrechen in seiner Gesamtheit und all seinen Hintergründen aufzuklären und dabei gegebenenfalls auch die Verbindungen vorbehaltlos zu klären, die Verfassungsschutzämter und Bundesnachrichtendienst mit der rechtsextremistischen Szene unterhielten, aus der heraus vermutlich der Anschlag verübt wurde.

Zu diesen Ermittlungen wird es definitiv nicht kommen. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft teilte am 6. Oktober 2010 in Karlsruhe mit, daß der "heutige Erkenntnisstand" keinen Anlaß für die Wiederaufnahme der Ermittlungen böte und die Bundesanwaltschaft dies deshalb abgelehnt habe. Damit bleibt es, in ermittlungstechnischer Hinsicht auf unabsehbare Zeit, bei dem Stand der bisherigen amtlichen Ermittlungen, denenzufolge Gundolf Köhler als Einzeltäter gehandelt habe. Dies ist der Glaubwürdigkeit der von den bundesdeutschen Sicherheitsbehörden geführten Antiterrormaßnahmen nicht unbedingt zuträglich, um von dem eher menschlich begründeten Ansatz des Münchner Oberbürgermeisters Ude, der erklärt hatte, man sei es den "Opfern eines der schlimmsten Attentate in der Geschichte der Bundesrepublik schuldig", daß ihr Wunsch nach vollständigen Ermittlungen aufgegriffen werde, an dieser Stelle ganz zu schweigen. Allem Anschein nach ist das Ermittlungsinteresse auf dem "rechten" Auge nahezu inexistent, während auf dem "linken" oder heute auch "islamischen" keine Mühe gescheut wird, um tatsächlichen oder auch nur vermuteten Verbindungen zu etwaigen Hintermännern, Drahtziehern, Mitwissern und -tätern akribisch nachzuspüren.

Es sind jedoch keineswegs ausschließlich Hinterbliebene, die aus persönlichen Motiven heraus die Wiederaufnahme der Ermittlungen fordern. Dieser Forderung schlossen sich auch die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion an, die am 14. September vom Münchner Kulturreferat unter Beteiligung von Ulrich Chaussy, der 1985 ein Buch zum Thema - "Oktoberfest - ein Attentat" vorgelegt hatte, der Kriminologin Prof. Dr. Monika Frommel sowie Dr. Klaus Hahnzog, heutiger Verfassungsrichter Bayerns und 1980 Kreisverwaltungsreferent der Stadt München, veranstaltet worden war.

Frommel, Professorin für Kriminologie und Strafrecht, wies in einem in der Zweiwochenschrift Ossietzky jüngst erschienenen Interview [5] darauf hin, daß die Generalbundesanwaltschaft 1980 keineswegs von einem Einzeltäter, sondern von organisiertem Verbrechen ausgegangen sei und erst 1982, nach dem Regierungswechsel in Bonn, die Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Beteiligte eingestellt habe. Frommels Einschätzung zufolge habe ab 1982 kein Aufklärungsinteresse mehr bestanden. Die Kriminologin führte auch an, daß die Polizei sich hätte fragen müssen, wie Gundolf Köhler als angeblicher Einzeltäter an den Sprengstoff gekommen sein könnte. Zu dieser Frage hätte es Frommel zufolge zu umfangreichen Ermittlungen in seinem Umfeld kommen müssen, was jedoch nicht geschah. Auf die Frage, ob gründlicher ermittelt worden wäre, wenn es sich um linke Terrorverdächtige gehandelt hätte, erklärte sie [5]:

Bei sogenannten linken Terroristen bestand ein starkes Interesse, die Organisationsstruktur zu rekonstruieren, deshalb die intensive Überwachung, auch der sogenannten Sympathisantenszene. Hier wurden die Aussagen eines Zeugen als zutreffend unterstellt, welche die persönliche Verzweiflung Köhlers betonten und der entpolitisierten Konstruktion der Polizei entgegenkamen. Belastenden Spuren wurde wenig Beachtung geschenkt. Sie paßten nicht ins Konzept.

Doch um welch ein "Konzept" könnte es sich dabei gehandelt haben? Ist das - bis heute - mangelnde Aufklärungs- und Ermittlungsinteresse allein mit der bereits vielfach ins Feld geführten Rechts/links-Schieflage zu erklären? Möglicherweise nicht bzw. nicht ausschließlich. Der Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser hat hierzu aufschlußreiche Informationen und Hinweise geliefert und mit seinem 2008 auf Deutsch im Verlag Orell Füssli erschienenen Buch "NATO-Geheimarmeen in Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegführung" wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet. Diese dem geheimen militärischen Netzwerk der NATO - Gladio - gewidmete Promotionsarbeit wurde bislang in zehn Sprachen übersetzt. Der Autor ist Dozent am Historischen Seminar der Universität Basel. In einem im September 2008 im Onlinemagazin Telepolis [6] veröffentlichten Interview ging er auf den möglichen Zusammenhang zwischen Gladio und dem Münchner Attentat auf das Oktoberfest von 1980 ein.

Der Schweizer Historiker führte dazu aus, daß die Polizei festgestellt hatte, daß das Oktoberfest-Attentat von 1980 von der Wehrsportgruppe Hoffmann verübt worden und ein Mitglied dieser rechtsextremen Organisation (Köhler) dabei ums Leben gekommen war. Ganser machte darauf aufmerksam, daß dies offiziell als "ein Anschlag einer isolierten rechtsextremen Truppe" abgehakt worden sei, daß jedoch nicht untersucht wurde, ob solche rechtsextremen Gruppen in die Geheimarmeen der NATO hätten integriert gewesen sein können.

Von besonderer Brisanz war dann ein Jahr später ein spektakulärer Waffenfund. Im Oktober 1981 entdeckten Waldarbeiter durch Zufall in der Lüneburger Heide in der Nähe von Uelzen ein umfangreiches Waffenlager. Die herbeigerufene Polizei konnte in insgesamt 31 Erdverstecken 156 Kilo Sprengstoff, 230 Sprengkörper, 50 Panzerfäuste, 258 Handgranaten und 13.520 Schuß Munition [6] sicherstellen. Der Inhaber des Areals, der Fortwirtschaftsbeamte und amtsbekannte Rechtsextreme Heinz Lembke, wurde festgenommen. Gundolf Köhler hatte erwiesenermaßen an paramilitärischen Übungen der Wehrsportgruppe Hoffmann teilgenommen. Gegenüber der Polizei sollen andere Mitglieder dieser seit Januar 1980 verbotenen Gruppe ausgesagt haben, ihren Sprengstoff von Heinz Lembke bekommen zu haben und daß dieser noch viel davon hätte [6]. In der Untersuchungshaft hatte Lembke umfangreiche Aussagen angekündigt. Doch dazu kam es nicht, da der damals 44jährige Häftling nach einer Vernehmungspause tot - erhängt - in seiner Zelle aufgefunden wurde. Stammten die 1,4 Kilo TNT der beim Anschlag auf das Oktoberfest verwendeten Rohrbombe, deren Herkunft wie auch die des verwendeten Zünders immer noch ungeklärt ist, von Lembke?

Nach Ansicht des Schweizer Historikers Ganser drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob dieses Waffenlager Bestandteil der Stay-behind-Strukturen Gladios gewesen sein könnte [6]. Doch nach dem Tod Lembkes versandeten die Ermittlungen erneut. Eine Anfrage der SPD-Abgeordneten Hertha Däubler-Gmelin danach, ob es eine Verbindung zwischen Lembkes Waffenlager und dem Münchner Anschlag von 1980 gäbe, wurde von der Bundesregierung mit "nein" beantwortet. Ganser zufolge haben die Stay-behind-Strukturen die Funktion, eine Guerilla-Armee im Untergrund für den Fall einer sowjetischen Invasion aufzubauen, aber auch kommunistische Bewegungen in den westlichen Staaten zu bekämpfen [7]. Dabei kam es vorzugsweise zu einer Zusammenarbeit zwischen Neonazis und militärischen Geheimdiensten, wobei Anschläge durchgeführt wurden, die anschließend Linken in die Schuhe geschoben wurden - die sogenannte "Strategie der Spannung".

In der Bundesrepublik Deutschland soll bereits in den 1950er Jahren der "Bund deutscher Jugend technischer Dienst" (BDJTD) als Bestandteil der deutschen Geheimarmee enttarnt worden sein, nachdem ein Mitglied dieser Gruppe an die hessische Polizei herangetreten sei mit der Erklärung, er sei Mitglied einer Geheimarmee, wolle aber aussteigen [7]. Danach befragt hatte Dr. Ganser in einem im Januar 2009 geführten Interview [8] zu der Frage, warum dies seiner Meinung nach in Vergessenheit geraten sei, weshalb denn auch 1980 nicht in diese Richtung ermittelt wurde, geantwortet:

Das ist schon bemerkenswert, weil ja aktenkundig Rechtsextreme in diesen Netzwerken aktiv waren. Bei der Aufdeckung des "Bundes Deutscher Jugend" Anfang der 50er Jahre in Hessen wollte man der Sache auf den Grund gehen. Aber das wurde unter Adenauer von oben verhindert - was sicher auch damit zu tun hat, daß Deutschland innerhalb der NATO eine den USA untergeordnete Position einnahm. Damals wie heute. Und die USA haben immer alles daran gesetzt, eine Debatte über die Geheimaktivitäten der NATO zu verhindern. Das wird sich unter Obama kaum ändern.

Bei seiner Arbeit zu seiner Promotion zum Thema der Geheimarmee Gladio hatte der Schweizer Wissenschaftler auf ein Dokument des italienischen Geheimdienstes SIFAR aus den 1950er Jahren zurückgreifen können, in dem bestätigt wurde, daß es in Italien eine Geheimarmee des Namens Gladio gab, daß diese von der CIA aufgebaut und unterstützt wurde und daß ähnliche Geheimarmeen auch in anderen Ländern existierten und durch spezielle Ausschüsse in der NATO koordiniert würden [9]. Dieses Netzwerk habe in allen europäischen NATO-Staaten, aber auch in neutralen Nationen während des Kalten Krieges (1947 bis 1991) existiert und sei 1990 offiziell ruchbar geworden, nachdem ein Untersuchungsrichter in Italien, Felice Casson, bei der Untersuchung des Terroranschlags von Peteano im Archiv des italienischen Geheimdienstes auf entsprechende Unterlagen gestoßen war. Dies hatte dazu geführt, daß der damalige Ministerpräsident Italiens, Giulio Andreotti, sich im Sommer 1990 gezwungen sah, in einer Erklärung die Existenz einer solchen Geheimarmee in Italien zuzugeben. Wohl zu seiner Entlastung hatte Andreotti angefügt, daß es solche Geheimarmeen überall in ganz Europa gäbe [9]. Für deutsche Leser dürfte von besonderem Interesse sein, was der Schweizer Historiker im September 2008 in diesem Punkt zu Deutschland zu sagen hatte [9]:

Auch in Deutschland hat man zunächst abgestritten und abgewartet. Es war kurz vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen, die regierende CDU wollte nicht darüber sprechen, doch Abgeordnete der oppositionelle SPD, darunter Hermann Scheer kritisierten die Geheimarmee scharf, diese sei ja fast wie ein Ku-Klux-Klan, es wäre illegal, eine solche Geheimarmee zu haben. Scheer forderte, die deutsche Justiz müsse diese Sache untersuchen. Dann hat die CDU die SPD darauf hingewiesen, dass auch während der Regentschaft Willy Brandts und Helmut Schmidts von der SPD solche Geheimeinheiten aktiv waren. Daraufhin wollte auch die SPD nicht mehr öffentlich über das Thema sprechen, und das Dossier Geheimarmeen wurde in die Parlamentarische Kontroll-Kommission PKK abgeschoben, wo dieses hinter verschlossenen Türen behandelt wurde.

Ganser zeigte in seinem Werk auf, daß sämtliche Parlamente Westeuropas Grund genug hätten, Untersuchungsausschüssen die Arbeit in diesen Geheimarchiven zu gestatten. Nicht näher benannten Experten zufolge könne nicht nur beim Münchner Oktoberfest-Attentat von 1980, sondern auch bei den Anschlägen in Italien in den Jahren 1969, 1972, 1974 und 1980 sowie den Militärputschen in Griechenland 1967 und in der Türkei 1980 eine "indirekte oder direkte Beteiligung der NATO-Geheimarmee stark angenommen" [10] werden.

Vor diesem Hintergrund keineswegs abschließend geklärter Zusammenhänge und der nahezu unbekannten und doch dokumentarisch belegten Option einer hinter den offiziellen militärischen und geheimdienstlichen Strukturen agierenden und jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogenen Geheimarmee wird zumindest nachvollziehbar, aus welchen Gründen auch nach über 30 Jahren die Ermittlungsakten in dem größten Terrorfall der Bundesrepublik Deutschland geschlossen bleiben könnten und auf welch verlorenem Posten ein Münchner Oberbürgermeister mit seiner erklärten Absicht steht, dem Wunsch der überlebenden Opfer und Hinterbliebenen nach vollständiger Aufklärung genüge zu tun.


Anmerkungen

[1] Begründete Zweifel. Mehr als 600 Unterzeichner fordern in einem offenen Brief an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Oktoberfestattentat vom 26. September 1980. Abgedruckt in: junge Welt, 05.10.2010, S. 8

[2] Appell zum 30. Jahrestag des Wiesn-Attentats, junge Welt, 27.09.2010, S. 5

[3] Rolle von "Gladio" bleibt im dunkeln. Bundesanwaltschaft: Keine neuen Ermittlungen zum Oktoberfest-Anschlag von 1980, junge Welt, 07.10.2010, S. 1

[4] Die Mär vom Einzeltäter. Hintergrund: Parallelen zwischen dem Bombenanschlag auf das Münchener Oktoberfest im Jahr 1980 und dem rechten Terror in Italien wurden bei offiziellen Ermittlungen ignoriert. Von Claudia Wangerin, junge Welt, 24.09.2010, S. 10

[5] Blutiges Oktoberfest - Fragen nach 30 Jahren. Gespräch mit Monika Frommel, von Claudia Wangerin, Ossietzky Nr. 20, 02.10.2010

[6] Gladio und Terror in Deutschland: Das Oktoberfestattentat. Teil 2 des Interviews mit Daniele Ganser über Terroranschläge in Westeuropa, blockierte Ermittlungen in Deutschland und die These vom manipulierten Terror im "War against terror". Von Reinhard Jellen, telepolis, 26.09.2008

[7] Inszenierter Terror, Interview mit Daniele Ganser über die NATO-Armee Gladio. Teil 1. Von Reinhard Jellen, telepolis, 25.09.2008

[8] "Ohne Terrorismus wäre die Bundeswehr nicht in Afghanistan". Gespräch mit Daniele Ganser. Über NATO-Geheimarmeen in Westeuropa, ihre Terroranschläge und wem das in die Schuhe geschoben wird. Von Claudia Wangerin, junge Welt, 31.01.2009, S. 1 (Beilage)

[9] Inszenierter Terror, Interview mit Daniele Ganser über die NATO-Armee Gladio. Teil 1. Von Reinhard Jellen, telepolis, 25.09.2008

[10] Über Gladio III, von Reinhard Jellen, junge Welt, 22.11.2008, S. 6

5. November 2010