Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

DILJA/1384: Kriegsvorbereitungen in den USA? Notstandsgesetzgebung zur "technologischen Überlegenheit" (SB)


Wahlkampf der besonderen Art

Präsident Barack Obama will die USA kriegs- und notstandsfest machen


Derzeit bereitet der amtierende Präsident Barack Obama seine Wiederwahl oder Wiederinsamtsetzung vor. In der Präsidentenrede zur Lage der Nation, die als Auftakt der Wahlkampfkampagne gilt, machte er den gesellschaftlichen Verlierern, die bekanntlich die Mehrheit des Wahlvolkes stellen, die üblichen Versprechungen, um sie glauben zu machen, daß seine Wiederwahl in ihrem Interesse läge oder doch zumindest nützlich wäre. Die unter seinem Amtsvorgänger George W. Bush noch festgezurrten Steuererleichterungen für Millionäre sollten gestrichen werden, stattdessen sollten hochverschuldete und von Zwangsräumungen bedrohte Hauseigentümer unterstützt werden und selbstverständlich wolle der Präsident auch dabei helfen, Arbeitsplätze zu schaffen. All dies wäre der Erwähnung kaum wert, da es voll und ganz dem beileibe nicht nur in den USA üblichen Politikgeschäft entspricht.

Selbstverständlich widmete sich Obama in seiner Rede zur Lage der Nation auch außenpolitischen Themenbereichen und erneuerte auch hier sattsam Bekanntes, wie es nicht anders von ihm zu erwarten war. Vollkommen ungeniert und ebenso immun gegenüber jeglicher Kritik, die im eigenen Land wie auch außerhalb an der US-amerikanischen Kriegführung geübt wird, beschwor er einmal mehr das amerikanische Sendungsbewußtsein, indem er zum Ausdruck brachte, daß die USA, da sie freier, demokratischer und reicher als jeder andere Staat der Welt seien, sich auch dazu berufen fühlten, die übrige Welt an sich genesen zu lassen, sprich sich gefügig zu machen und zur Übernahme des bzw. Unterwerfung unter das amerikanische System zu bringen. Notfalls mit Gewalt, wie hinzuzufügen wäre.

Barack Obama verklärte die aktuell geführten Kriege und militärischen Unternehmungen der US-Streitkräfte in Afghanistan und im Irak zu ehrenvollen, der Herstellung von Wohlstand und Sicherheit gewidmeten Anstrengungen, wobei es sich, da in beiden Staaten die dort lebenden Menschen durch diese Wohlfahrtskriege nur verloren und unter noch erbärmlicheren Zuständen als zuvor zu leben sich gezwungen sehen, nur um den Wohlstand und die Sicherheit der US-amerikanischen Nation selbst bzw. der sie dominierenden Eliten handeln kann. Tatsächlich ist die Außendarstellung US-amerikanischer Innen-, Sozial-, Außen- und Kriegspolitik, wie sie Obama mit dieser Rede geleistet hat, nicht weiter von Belang, wohl aber die Veränderungen, um nicht zu sagen tiefgreifenden Einschnitte, die er per Federstrich vollzieht.

So hat er am vergangenen Freitag einen Präsidentenerlaß ("National Defense Resources Preparedness") unterzeichnet, der den Verdacht, die USA wollten sich selbst kriegs- und aufstandsfest machen, um (weitere?) Kriege führbar zu machen, nahezu zur Gewißheit verdichtet. Diese "executive order" fußt auf der Behauptung, daß die nationale Sicherheit der USA von ihrer technologischen Überlegenheit im Bereich der Verteidigung abhinge sowohl in Zeiten des Friedens als auch im Angesichte einer nationalen Bedrohung. Wo da denn aus Sicht Washingtons das Problem läge, könnte gefragt werden, schließlich sind die USA der Staat mit den mit großem Abstand höchsten Militärausgaben und haben mit ihren Overkill-Kapazitäten wohl kaum einen echten Konkurrenten zu fürchten.

Doch so einfach stellt sich die Lage allem Anschein nach aus Sicht des Weißen Hauses und des Pentagon nicht dar. Obama hat mit diesem in der amerikanischen Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommenen, geschweige denn kontrovers diskutierten Erlaß sämtliche Behörden angewiesen, für die in Notlagen aller Art zu erwartenden Anforderungen Vorsorge zu treffen. Was vielleicht wie die fürsorglichen Planungen eines treusorgenden Vaters der Nation, als der Obama gern gesehen werden würde, anmuten könnte, enthält jedoch, seiner Rhetorik entkleidet, einen höchst aggressiven Charakter. Der neue Erlaß, der so neu gar nicht ist, sondern eine entsprechende Anweisung Bill Clintons aus dem Jahre 1994 aktualisiert und erweitert, stellt darauf ab, "das heimische industrielle und technische Fundament" [1] der USA zu stärken. Die heimische Industrie soll in die Lage versetzt werden, auf sämtliche, in Zukunft womöglich anfallenden Anforderungen reagieren zu können. Mit dementsprechenden Richtlinien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soll sichergestellt werden, daß keine unerwünschten Abhängigkeiten von anderen Staaten entstehen bzw. bestehen bleiben.

In Bereichen, die die nationale Sicherheit der USA betreffen, will der Präsident selbst entscheiden können, an wen staatliche Aufträge vergeben werden und an wen nicht. Der springende Punkt ist dabei, daß es kaum einen Bereich gesellschaftlicher Produktion und Ressourcensicherung gibt, der nicht unter dieses Kriterium fällt. Die als präventive Notstandsmaßnahmen ausgewiesenen Direktiven betreffen das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium, weil es für die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Lebensmitteln und agrartechnische Fragen zuständig ist. Sie betreffen nicht minder das Energie-, Gesundheits-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium [2], wobei bemerkenswert ist, daß die Versorgung mit Wasser in den Zuständigkeitsbereich des Pentagon gestellt wurde. In all diesen Bereichen sollen Verträge mit der einheimischen Industrie abgeschlossen werden, die die Sicherung und Ausbeutung der strategischen Ressourcen, zu denen allem Anschein nach auch Lebensmittel, Wasser und Energie gerechnet werden, nach Maßgaben der nationalen Sicherheit festschreiben. Dabei sollen vor allem auch im Ausland Ressourcen, die für das US-Militär und die Industrie, aber auch die Bevölkerung notwendig sind, gesichert werden.

Sieht so nicht eine klammheimliche Mobilmachung aus? Läßt diese Präsidentenorder nicht befürchten, daß Washington sich darauf vorbereitet, notfalls im völligen Alleingang seinen Weltmachtsanspruch wie auch seinen Zugriffsanspruch auf die Lebenssourcen der Erde durchzusetzen? Müssen solche vorbereitenden Maßnahmen auf welche Kriege und im Innern verhängten Notstände auch immer nicht als Bedrohung des vermeintlich friedlichen Zusammenlebens mit anderen Staaten, selbst den eigenen Verbündeten, interpretiert werden? Sieht das nicht nach der Handschrift einer militärischen Großmacht aus, die sich, den eigenen Staats- und Militärapparat und einen entsprechend großen Bevölkerungsteil überlebens- und handlungsfähig halten will im Falles eines Falles? Und um welch einen denkbaren Fall könnte es dabei gehen, wenn doch die USA heute schon in Regionen, die aus ihrer Sicht der Peripherie ihres Machtbereichs zuzurechnen sind, Krieg führen bis über die Belastbarkeitsgrenzen des eigenen Haushalts hinaus?

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen sei an dieser Stelle angemerkt, daß die hier angedeutete Gefahr oder Bedrohung durch eine über das bisherige Maß hinaus massiv intensivierte und ausgeweitete Kriegspolitik der USA den Großteil der amerikanischen Bevölkerung nicht minder betreffen würde. Je aggressiver die Kriegführung werden würde, umso massiver könnten die Proteste im eigenen Land werden, weshalb bei den strategischen Konzeptionen zur "nationalen Sicherheit" vorbereitende Planungen bzw. Intensivierungen bestehender Maßnahmenpakete zur Aufstandsbekämpfung nicht fehlen dürfen. Welch ein Narr würde derartigen Fragen nachgehen und noch an einen Zufall glauben können, wenn zur selben Zeit publik wird, wie weit die US-amerikanischen Geheimdienste in Sachen Kommunikationsüberwachung gekommen sind. Bereits im kommenden Jahr soll das Spionagenetz der Nationalen Sicherheitsagentur (National Security Agency, NSA) vervollständigt sein.

Ab 2013 soll alle US-amerikanischen Kommunikationsdaten gespeichert und, so es sich um chiffrierte Übertragungen handelt, sogar entschlüsselt werden können. Derzeit wird im Bundesstaat Utah in Bluffdale noch an der künftigen zentralen Speicherstelle eines komplexen Systems gearbeitet, das unter der Kontrolle der NSA stehen und in der Lage sein wird, den gesamten Kommunikationsverkehr - Mobiltelefonate, Google-Anfragen, E-Mails, Online-Geschäfte etc. - mit vollem Inhalt zu speichern und mit Suchprogrammen zu durchforsten. Das Total-Awareness-Programm der Bush-Administration, das 2003 nach öffentlichen Protesten vom Kongreß noch gestoppt wurde, wurde demnach unter Obama nicht nur weiterverfolgt, sondern steht kurz vor seiner Vollendung. Weder die eigene Verfassung noch nationale oder internationale Vereinbarungen haben demnach in den USA eine Entwicklung verhindern können, die als Realisierung, wenn nicht Über-Realisierung Orwell'scher Alpträume tituliert werden könnte. Welch einem real existierenden Feind könnte dieser Überwachungsmoloch gewidmet sein wenn nicht der eigenen Bevölkerung, so sie sich veranlaßt und gezwungen sehen könnte, gegen die Politik ihrer Regierung zu opponieren?


Anmerkungen:

[1] Obama beschließt Notstandserlass, von Florian Rötzer telepolis, 19.03.2012

[2] George Orwell wird von der Realität überholt, von Rainer Sommer, telepolis, 19.03.2012


21. März 2012