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AFRIKA/1801: Westlicher Weltrechtsanspruch - Haftbefehl gegen Bashir (SB)


Internationaler Strafgerichtshof - ein neokolonialistisches Herrschaftsinstrument


Nachdem der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag vergangene Woche Mittwoch (4.3.2009) einen Internationalen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir ausgestellt hat, zeigten sich westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen unisono erleichtert. Bashir werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in sechs Einzelpunkten vorgeworfen. Ein siebter Anklagepunkt, der Vorwurf des Völkermords, wurde fallengelassen. Obwohl vielerorts in der westlichen Hemisphäre darauf gehofft wurde, daß Bashir auch wegen Völkermords angeklagt wird, nahm die Stimmung ob des Haftbefehls teilweise euphorische Züge an.

Wer die Handlungen Bashirs zum Erhalt und Ausbau seiner Macht losgelöst sowohl von der historischen Entwicklung als auch der internationalen Beziehungen des Landes betrachtet (Sudans Erdöl fließt vor allem nach China), muß sich den Vorwurf der Parteinahme für die hegemonialen Interessen des Westens gefallen lassen. Bashir selbst bezeichnete den IStGH, die Vereinten Nationen und internationale Organisationen, die im Sudan tätig sind, als "Instrumente eines neuen Kolonialismus", die gegen ihn ins Feld geführt werden. Der Haftbefehl habe den Zweck, den Sudan und seine Bodenschätze unter Kontrolle zu bringen.

Was ist dran an diesen Vorwürfen? Wird hier der amtierende Präsident eines Landes des Südens von den kolonialzeitlichen Nachfolgestaaten Europas rechtlich attackiert? Soll hier ein neues, chauvinistisches Weltrecht etabliert werden, das Weltrecht der Ersten Welt gegenüber der Dritten und Vierten Welt? Ja und nochmals ja. Vieles spricht dafür. Bislang hat der IStGH ausschließlich gegen bestimmte Personen aus Afrika Haftbefehle ausgestellt, obgleich es mehr als genügend Anlaß gibt, auch aktuelle oder frühere Regierungsmitglieder der USA, Großbritanniens, Israels oder Kolumbiens anzuklagen.

Weil das nicht geschieht, muß Bashirs Erklärung in dieser Hinsicht zugestimmt werden. So sind in Irak mindestens eine Million Einwohner aufgrund des Konflikts mit den USA ums Leben gekommen. Zum Vergleich: In der umkämpften westsudanesischen Provinz Darfur kamen seit Beginn der aktuellen Phase dieses Konflikts im Jahr 2003 schätzungsweise 300.000 Einwohner ums Leben. Von diesen wurden etwa 35.000 Menschen Opfer direkter Gewalt.

Selbst innerhalb Afrikas macht der IStGH entscheidende Unterschiede, wen er zur Anklage bringt. Beispielsweise wird der vom US-Militär ausgebildete ruandische Präsident Paul Kagame vom Westen hofiert, anstatt ihn wegen der Beteiligung am Krieg in der Demokratischen Republik Kongo, dem mehrere Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind, zu belangen. Auch Marokko bleibt trotz der fortgesetzten Vertreibung und Drangsalierung der Bewohner Westsaharas verschont. Und der äthiopische Präsident Meles Zenawi hat am zweiten Weihnachtstag 2006 seine Armee in Somalia einmarschieren lassen. Gut zwei Jahre dauerte die opferreiche Besatzung des Landes, dann haben sich die Soldaten wieder zurückgezogen. Eine breite Unterstützung für die Invasion erhielt Zenawi durch die USA und Großbritannien.

Es gilt festzuhalten: Der IStGH hat sich bislang niemals dort eingemischt, wo er sich gegen die westlichen Hegemonialinteressen hätte stellen müssen. Umgekehrt werden Personen angeklagt, die eben diesen Interessen im Wege stehen. Der behauptete Anspruch, kein politisches Instrument zu sein, sondern ein übergreifendes, globales Recht etablieren zu wollen, entlarvt sich als Täuschungsmanöver.

Der IStGH vertritt nicht die Interessen der zweifellos geschundenen Bevölkerung Darfurs, wenn er den mutmaßlichen Verantwortlichen des seit sechs Jahren währenden Konflikts - genauer gesagt seiner aktuellen Phase, denn die Konfliktlinien reichen mindestens bis zu den Stammeskämpfen 1987 und 1989 zurück - vor Gericht zu ziehen versucht. Denn Bashir hat auf den Haftbefehl erwartungsgemäß mit Gegenmaßnahmen reagiert und eine Reihe von westlichen Hilfsorganisationen des Landes verwiesen. Er bezichtigt sie der Kumpanei mit dem IStGH, was aus der Sicht des Präsidenten nachvollziehbar ist, fungieren manche Gruppen doch als Zuträger von einseitig gefärbten Informationen über die sudanesische Regierung. Wie weitreichend sich Hilfsorganisationen manchmal vor den Karren westlicher Hegemonialinteressen spannen lassen, bewiesen vor einigen Jahren im Rahmen des innersudanesischen Nord-Südkonflikts christliche Organisationen, die Sklaven freikauften. Während allein die Regierung Bashirs der Menschenrechtsverletzungen bezichtigt wurde, haben die Aufständischen der christlich dominierten Sudanesischen Volksbefreiungsarmee SPLA Dorfbewohner als Sklaven schauspielern und "freikaufen" lassen. Unter anderem dank der aus diesem Bombengeschäft eingenommenen Gelder konnte die SPLA ihren bewaffneten Kampf gegen die Zentralregierung fortsetzen.

Bei der Beurteilung der aktuellen Geschehnisse im Darfurkonflikt wiederum wird auch seitens einiger Hilfsorganisationen unterschlagen, wie alles angefangen hat und wer die treibenden Kräfte hinter den Menschenrechtsverletzungen sind. Denn die Einwohner Darfurs fürchten sich nicht nur vor Regierungssoldaten und loyalen Reitermilizen, sondern auch vor den Aufständischen. Warum wohl, wenn diese doch angeblich für ihre Belange kämpfen?

Angefangen hat die aktuelle Phase des Darfurkonflikts mit Überfällen auf Polizeistationen und Garnisonen durch die Rebellenbewegungen SLA und JEM. Wie würde wohl die deutsche Regierung in einem solchen Fall reagieren? Würde sie das Vorgehen nicht als "Terrorismus" bezeichnen und alle Mittel in Bewegung setzen, um die Verantwortlichen zu fassen? Genau das hat die sudanesische Regierung getan, und, ja, sie hat mit äußerster Härte reagiert. Dörfer wurden niedergebrannt, Einwohner vertrieben oder gemordet, es wurde geplündert, vergewaltigt und gefoltert. Nichts davon ist akzeptabel. Wenn aber das IStGH Bashir zur Rechenschaft zieht, dann gibt es nur einen Grund, warum nicht auch Bush oder Rumsfeld für die in Afghanistan und Irak begangene Folter, für das Auslöschen ganzer Hochzeitsgesellschaften und den zahllosen Mord an namenlos gebliebenen Menschen zur Verantwortung gezogen werden. Deshalb bleibt zu resümieren: Der IStGH ist ein Instrument des Westens zur weltweiten Durchsetzung seiner Interessen.

9. März 2009