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AFRIKA/1831: Ungeklärte Landnutzung hat hohes Konfliktpotential (SB)


Afrikanische Union wird über neuen Entwurf zu Rahmenrichtlinien für die Landnutzung beraten


Afrika besitzt etwas, das auf anderen Kontinenten knapp wird: Landwirtschaftliche Fläche. Oder potentiell nutzbare landwirtschaftliche Fläche. Seit der globalen Preisexplosion für Erdöl, Getreide und Lebensmittel in den Jahren 2007, 2008 hat ein Wettlauf um die Agrarressourcen des Kontinents eingesetzt. Heute befinden sich schätzungsweise 15 bis 20 Millionen Hektar Landfläche in ausländischer Nutzung, Tendenz stark steigend.

Ob mit oder ohne Einverständnis der jeweiligen Regierung, ob mit oder ohne Absprache mit den örtlichen Gemeinschaften, ob ökologisch einzigartig oder nicht - Lebensmittelkonzerne und Biospritproduzenten pachten, kaufen oder erschleichen sich auf andere Weise lukrative Ländereien. Die sogenannte Gegenleistung besteht nicht selten darin, daß die Konzerne Fabriken, Straßen oder Hafenanlagen bauen, die sie ohnehin zum Abtransport ihrer Beute benötigt hätten. Man kann davon ausgehen, daß bei dem einen oder anderen Deal auch ein kräftiges Bakschisch an einen Regierungsvertreter über den Tisch gewandert ist.

Leidtragende dieser Entwicklung sind meist die Dorfgemeinschaften, denen das Land weggenommen wird. Das gilt auch dann, wenn es keiner direkt erkennbaren, tiefgreifenden Nutzung wie zum Beispiel beim Ackerbau unterlag. Doch als Weidegrund (Sudan), Wassertränke (Tana-Delta in Kenia), oder Fläche zum Sammeln von Früchten (Nordghana) dienen diese Flächen allemal. Ganz und gar nutzungsfreies und bewirtschaftbares Brachland gibt es kaum, nicht einmal im tiefsten tropischen Regenwald des Kongo-Beckens. Dort leben die Bewohner eben nicht vom Ackerbau, sondern von der Jagd.

Um dem massiven Ausverkauf Afrikas, der sich nicht allein auf die Landwirtschaft erstreckt, sondern auch die Plünderung beispielsweise mineralischer Ressourcen einschließt, hatte die Kommission der Afrikanischen Union (AU) bereits im Jahre 2006 eine Expertengruppe unter Vorsitz von Prof. Hastings Okoth-Ogendo einberufen. Sie sollte Vorschläge für Richtlinien zur Landpolitik erarbeiten; zu den Problemfeldern gehörten auch Fragen der strittigen Landverteilung, wie sie vielen Staaten als Erbe der Kolonialzeit auflasten und seitdem immer wieder für Konflikte sorgen.

Im vergangenen Monat wurde der Report "Frame Work and Guidelines on Land Policy in Africa" von der AU-Landwirtschaftsministerkonferenz angenommen. Wenige Stunden darauf verstarb Prof. Hastings Okoth-Ogendo. [1] Die Rahmenrichtlinien zur Landpolitik wurde in Zusammenarbeit mit der Africa Development Bank, der UN Economic Commission on Africa und Vertretern der Zivilgesellschaft erarbeitet.

Es sind viele Konflikte zu klären, nur einige können hier genannt werden: Im östlichen Kongobecken kämpfen seit über zehn Jahren verschiedene Interessengruppen um die Kontrolle über die üppigen Bodenschätze; in Sudan rüsten der Norden und der Süden zur Zeit massiv auf, um die Frage, wer den Zugriff auf die Erdölvorkommen in der bereits mehrmals umkämpften, im Grenzgebiet beider Parteien gelegenen Abyei-Region gegebenenfalls mit militärisch Mitteln klären zu können; Sierra Leone muß sich noch immer von einem brutalen zehnjährigen Bürgerkrieg erholen, der wesentlich von der Aussicht auf Einkünfte aus dem Diamantenexport angeheizt wurde; in diesem Jahr wurde der madagassische Präsident Marc Ravalomanana unter anderem deshalb gestürzt, weil er mit dem südkoreanischen Konzern Daewoo einen Pachtvertrag über die Nutzung einer riesigen landwirtschaftlichen Fläche abgeschlossen hat; in Kenia starben im vergangenen Jahr 1200 Einwohner bei wochenlangen blutigen Unruhen, die zwar in Folge von Wahlmauscheleien entstanden waren, aber nicht unerheblich mit ungeklärten Landfragen, früheren Umsiedlungen und einer allgemein wachsenden Armut trotz aussichtsreicher Wirtschaftswachstumszahlen entstanden waren; in Südafrika, das seine Landreform verschleppt, wurden seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den ANC im Jahr 1994 ein Vielfaches mehr weiße Farmer umgebracht als in Simbabwe im Zuge der von Präsident Robert Mugabe erzwungenen Landreform ab dem Jahr 2000.

Abgesehen von zahlreichen postkolonialen oder aktuellen Streitigkeiten über Landnutzungsfragen entstehend in Afrika neue Konfliktlinien, die von außen eingebracht werden. Die EU, USA, China, aber auch Japan, Indien, Rußland und weitere Staaten konkurrieren miteinander um den Zugriff auf die Ressourcen des Kontinents. Die Nutzung des Lands obliegt zwar den AU-Mitgliedsländern, aber eine Rückendeckung ihrer Politik durch die Afrikanische Union scheint angesichts der "Bedrohungen" unverzichtbar. Im Juli werden die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union über die Annahme des Entwurfs für Rahmenrichtlinien zu Landfragen beraten.


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Anmerkungen:

[1] "Africa gears up for radical land laws", The East African Standard, 15. Mai 2009
http://www.eastandard.net/InsidePage.php?id=1144014386&cid=4

19. Mai 2009