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AFRIKA/1913: Ruandas Regierung begrüßt "Genozid-Gericht" Frankreichs (SB)


Neue Runde im Ringen um Einfluß in Afrika

Frankreich geht weiter auf Ruanda zu


Frankreich kommt Ruanda einen weiteren Schritt näher und richtet beim Pariser Tribunal de Grande Instance eine eigene Abteilung für "Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" ein. [1]

Nachdem die beiden Länder vor kurzen erstmals seit 15 Jahren wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen haben, bemüht sich die französische Regierung um weitere Schritte der Annäherung. Das unterstreicht nicht nur der zurückliegende Besuch von Außenminister Bernard Kouchner in Kigali, sondern auch die bevorstehende Reise des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in das Land der tausend Hügel, wie der kleine Binnenstaat auch genannt wird.

Ruanda drängt seit langem auf die Auslieferung von mutmaßlichen Völkermördern aus dem Jahre 1994, als in Ruanda rund 800.000 Einwohner abgeschlachtet wurden. Bei den Opfern handelt es sich um Mitglieder der Tutsi-Ethnie sowie der Twa und jener Hutu, die diesen bei- oder nahe standen. Als Haupttäter gelten Hutu-Milizen. In welchem Ausmaß auch die vom damaligen Warlord und heutigen Präsidenten Paul Kagame angeführte Ruandische Patriotische Armee (RPA) an den Massakern unter der Zivilbevölkerung beteiligt war, ist nicht bekannt und wird auch nicht untersucht, obgleich entsprechende Ermittlungen durch einen Beschluß des UN-Sicherheitsrats vom November 1994 gefordert werden.

Frankreich, das mit der früheren, von Kagame gestürzten Regierung eng verbunden war, hatte offenbar noch während der Kampfhandlungen Waffen nach Ruanda geschickt. Zudem hatte das französische Militär Hutu-Milizen, die sich in riesigen Flüchtlingstrecks versteckten, die Flucht vor der RPA ermöglicht. Nach dem Genozid sind viele Ruander nach Frankreich geflohen, da sie sich dort vor Verfolgung sicher wähnten.

Diese Sicherheit dürfte bald hinfällig sein. Auch wenn Frankreich keine Anstalten macht, den Forderungen Ruandas augenblicklich nachzukommen, wird es eng für jene, die in Frankreich oder seinen Übersee-Dependencen ein neues Leben angefangen haben.

Obgleich die neue Genozid-Abteilung nicht eingerichtet wurde, um ausschließlich Fälle aus einem einzigen Land zu behandeln, erwähnen Kouchner und Justizministerin Michèle Alliot-Marie in einem Artikel über diese neue Einrichtung, der in der Zeitung "Le Monde" veröffentlicht wurde, nur Ruanda namentlich. Das zeigt, daß Frankreich großen Wert darauf legt, die Geschichte hinter sich zu lassen. Nicht anders Paul Kagame, dem immerhin die Verantwortung für ein Attentat auf die Präsidenten zweier Länder vorgeworfen wird. [2]

Wie zu erwarten begrüßt die Regierung Ruandas die Einrichtung einer zentralen Genozid-Abteilung bei einem französischen Gericht. Gegenüber der ruandischen Zeitung "The New Times" [3] sagte Justizminister Tharicesse Karugarama, daß dies helfen werde, jene, die Genozid begangen haben, vor Gericht zu bringen. Kouchner habe bei seinem Besuch in Ruanda zugesagt, daß die spezielle Abteilung mit der Verfolgung von Genozid-Verdächtigen beginnen werde, sobald das französische Parlament der Einrichtung seinen Segen erteilt habe. Das werde in der ersten Jahreshälfte 2010 entschieden.

Französische Untersuchungsbeamte waren bereits nach Ruanda gereist, um Ermittlungen gegen Genozid-Verdächtige, die in Frankreich leben, anzustellen. Fünfzehn Jahre nach dem Verlust seines Einflusses in Ruanda geht Frankreich in die diplomatische Offensive. Was nach außen hin als Versöhnungskurs präsentiert wird, stellt sich als Auftakt zu einer neuen Runde im Ringen der alten und neuen Kolonialmächte - USA und Großbritannien versus Frankreich - um Einfluß in Afrika dar. Ein Aspekt von mehreren betrifft die Sicherung von Ressourcen. Ruanda selbst verfügt über keine großen Rohstoffmengen oder seltene Erden, aber es besitzt über Netzwerkstrukturen einigen Einfluß auf den benachbarten Ostkongo, der eine wahre Schatztruhe für Kupfer, Kobalt, Uran, Coltan, Gold, Silber, Diamanten und andere Rohstoffe ist.


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Anmerkungen:

[1] "Creation of a 'genocide and crimes against humanity' section at the Paris Tribunal de Grande Instance", Bernard Kouchner und Michèle Alliot-Marie, ursprünglich erschienen in der "Le Monde". 7. Januar 2010
http://www.diplomatie.gouv.fr/en/france-priorities_1/international- justice_3650/events_6488/creation-of-genocide-and-crimes-against- humanity-section-at-the-paris-tribunal-grande-instance-07.01.10_ 13500.html

[2] Näheres dazu unter AFRIKA/1911: Habyarimana-Attentat - Kagame läßt sich Weste weiß waschen (SB)

[3] "Rwanda: Gov't Welcomes French Move to Create Genocide Court", The New Times (Kigali), 16. Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201001170008.html

18. Januar 2010