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AFRIKA/1934: FAO-Mitarbeiter glaubt nicht an Wunder durch Gentechnik (SB)


Biotechnologie-Konferenz in Mexiko

Landwirtschaftsexperte sieht in der Grünen Gentechnik kein Allheilmittel gegen kommenden Nahrungsmangel


Die bisherige Bevölkerungsentwicklung läßt vermuten, daß die Erde im Jahre 2050 von neun Milliarden Menschen bewohnt wird. Da stellt sich die Frage, wie diese Menschen ernährt werden können. Von Vertretern der Biotechindustrie ist häufig zu hören, nur mit Hilfe gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft lasse sich der zunehmende Mangel und Hunger in der Welt mit Aussicht auf Erfolg bekämpfen. Vor genau dieser Haltung warnte der stellvertretende FAO-Generaldirektor Modibo Traore auf einer viertägigen Konferenz zur Agrikulturellen Biotechnologie in Entwicklungsländern, die Anfang des Monats auf Einladung der UN-Organisation International Fund for Agricultural Development (IFAD) in der mexikanischen Stadt Guadalajara stattfand. [1]

Die moderne und die konventionelle Biotechnologie liefere potente Werkzeuge für den Agrarsektor, einschließlich der Fischerei und Forstwirtschaft, räumte Traore ein, erklärte aber zugleich, daß die Biotechnologie bislang keine große Bedeutung im Leben der Bewohner der meisten Entwicklungsländer hat.

Die FAO stellt sich nicht gegen die Biotechnologie in der Landwirtschaft, sondern befürwortet sie ausdrücklich. Biotechnologische Innovationen wie Hybridreis für Afrika haben nach Angaben dieser Organisation die Erträge verdoppelt und sollten dazu beitragen, die Nahrungsproduktion bis 2050 zu verdoppeln - auch vor dem Hintergrund der zu erwartenden klimatischen Veränderungen aufgrund der Erderwärmung.

Deshalb wandte sich Traore vor allem gegen die Einstellung, daß gentechnisch veränderte Organismen (GMO) ein Allheilmittel gegen Hunger sind. Auch Verbesserungen der Bewirtschaftungsform, der Inputs und der Biodiversität könnten zur Ertragssteigerung beitragen, sagte er. Zudem müßten andere wichtige Faktoren wie die Landwirtschaftspolitik, die institutionelle Unterstützung der Bauern, Investitionen in das humane und physikalische Kapital berücksichtigt werden.

Tatsächlich wird bis heute der weltweit überwiegende Teil der Nahrung in kleinbäuerlichen Strukturen produziert. Noch, muß man sagen, denn jahrzehntelang haben Institutionen wie IWF, Weltbank und westliche Regierungen die Subsistenzwirtschaft in den armen Ländern als Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung und des Fortschritts bezeichnet und durch politische Maßnahmen zurückgedrängt. Für einen adäquaten Ersatz wurde nicht gesorgt. Als Folge dieser Politik verarmte die Landbevölkerung mehr und mehr, und ausgerechnet in den ländlichen Regionen, in denen eigentlich die Nahrung auch für die Stadtbewohner produziert wird, wüten die verheerendsten Hungersnöte. Es konnte gar nicht ausbleiben, daß die Menschen aus den Armutsregionen abwanderten. Die Landflucht hält bis heute an. Es entstanden regelrechte Megastädte mit bis heute wild wachsenden, infrastrukturell nur sehr dürftig ausgestatteten Slums. Dort bauen sich soziale Spannungen auf, die nicht selten in Unruhen münden.

Die gleichen gesellschaftlichen Kräfte aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die lange Zeit eine gezielte Vernachlässigung des Agrarsektors in den Entwicklungsländern gefördert haben, um die Profite und den Einfluß von Großunternehmen zu fördern, treten heute mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, daß nur die Großunternehmen die Nahrungsnot in der Welt beheben können.

Darum paßte es wohlhabenden Staaten wie USA, Kanada, Australien nicht, daß der Weltagrarrat IAASTD in seinem umfangreichen Weltagrarbericht sowohl der Plantagenwirtschaft als auch der Gentechnik in der Landwirtschaft eine Absage erteilt und statt dessen eine Förderung der kleinbäuerlichen Strukturen dringend empfohlen hat. Damit geht der Weltagrarrat noch deutlich über die Position der FAO hinaus. Die hatte zwar im vergangenen Jahr in Rom einen Welternährungsgipfel abgehalten, aber der Standpunkt, auf den sich die rund 400 Experten des Weltagrarberichts, den die Bundesrepublik nicht unterzeichnet hat, geeinigt haben, tauchte auf dem Gipfeltreffen so gut wie nicht auf und fand auch keine Berücksichtigung im Abschlußpapier der Konferenzteilnehmer. Der stellvertretender FAO-Generaldirektor hat also Erkenntnisse vorgetragen, die für viele Experten auf dem Gebiet nichts Neues sind.


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Anmerkungen:

[1] "UN warns of harmful impact on poor farmers of narrow focus on biotechnology. FAO calls for a new approach to agricultural reserach", UN News, 1. März 2010

4. März 2010