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AFRIKA/2007: Strategie der Spaltung - USA bieten Sudan Deal an (SB)


Geopolitik mit Hilfe der Terrorliste

US-Regierung will Ernte jahrelanger "Balkanisierung" Sudans einfahren


Die USA haben der sudanesischen Regierung ein unmoralisches Angebot unterbreitet: Wenn sie dafür Sorge trägt, daß am 9. Januar zwei Referenden zur Zukunft Südsudans und dem weiteren Verbleib der Erdölregion Abyei ordnungsgemäß ablaufen, dann werde das Land möglicherweise schon im Juli von der Terrorliste gestrichen. Da fragt man sich, was das eine mit dem anderen zu tun haben soll. Ist das so zu verstehen, daß eine Regierung, die Referenden abhalten läßt, automatisch keinen sogenannten Terrorismus unterstützt? Andersherum gefragt: Wenn Sudan keinen Terrorismus unterstützt, wieso steht es dann immer noch auf der Terrorliste?

Washingtons Angebot wurde am letzten Wochenende von US-Senator John Kerry auf einem Treffen mit dem sudanesischen Präsidentenberater Ghazi Salaheddin in Khartum präsentiert. Eine Abmachung beträfe nicht die Sanktionen gegen Sudans Regierung wegen ihres Vorgehens gegen Aufständische in der westlichen Provinz Darfur und ebenfalls nicht den internationalen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir.

1993 haben die USA Sudan auf die Terrorliste gesetzt. Das Land biete nationalen und internationalen Kämpfern Unterschlupf, wurde behauptet. Damals genoß auch der einstmals vom CIA geförderte und später steckbrieflich gesuchte Osama bin Laden in Sudan Gastrecht und hat dort unter anderem den Bau von Straßen finanziert. Nach einigem Druck seitens Washingtons bot die sudanesische Regierung an, Osama bin Laden in ein drittes Land auszuweisen, wo er dann vom FBI aufgegriffen werden könnte. Die US-Regierung ließ sich nicht darauf ein, was zu der Vermutung Anlaß gab, daß sie anderes mit dem Gesuchten vorhatte.

1996 verließ der Al-Qaida-Anführer Sudan und zog nach Afghanistan. Zwei Jahre darauf nahm das US-Militär dies zum Anlaß, um mehrere Lager auf afghanischem Boden mit Cruise Missiles zu zerstören. Parallel zu dieser blutigen Aktion wurde in einem Vorort von Khartum eine moderne Medikamentenfabrik von US-Raketen dem Erdboden gleichgemacht. Die Behauptung, daß dort Chemiewaffen hergestellt wurden, die für Angriffe gegen die USA vorgesehen seien, erwies sich als glatte Lüge. Keine vier Jahre darauf führten die USA einen weiteren Angriff gegen Afghanistan durch, und wieder diente die Ergreifung Osama bin Ladens, also jenes Mannes, der einst militärisch von den USA im Kampf gegen die russischen Besatzungstruppen in Afghanistan unterstützt wurde und den die US-Behörden längst sicher hinter Schloß und Riegel hätten haben können, als Vorwand.

Auf der US-Liste der Staaten zu stehen, die angeblich Terrorismus unterstützen, birgt einige Nachteile. Das müssen zur Zeit noch neben Sudan die Länder Iran, Kuba und Syrien erfahren. Unter anderem werden ihre Aktivitäten auf dem globalen Finanzmarkt behindert und sie erhalten keine Rüstungsgüter und Waren, die eventuell zu militärischen Zwecken gebraucht werden könnten.

Wie oben erwähnt, haben die USA und ihre Verbündeten noch mehrere Eisen im Feuer, damit der Druck gegen Sudan nicht nachläßt. Das Land von der Terrorliste zu nehmen, wäre somit kein "schmerzhaftes" Unterfangen für die USA. Aber was erhielten sie als Gegenleistung dafür! Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird eines der Referenden die Separation Südsudans zur Folge haben. Damit entstünde in Afrika ein neuer Staat, der Washington überaus wohlgesonnen wäre und der die Kontrolle über einen nicht unbeträchtlichen Teil der sudanesischen Erdölfelder erhielte. Bislang dürfen US-amerikanische Ölgesellschaften nicht mit sudanesischen Unternehmen zusammenarbeiten, auch nicht denen des Südens. Diese Restriktionen würden künftig nicht mehr gelten.

Was die erdölreiche Abyei-Region betrifft, könnten sich ihre Bewohner für einen Anschluß an Südsudan entscheiden. Davon würden die USA enorm profitieren, zumal sie dadurch die Chance erhielten, den geopolitischen Kontrahenten China auszumanövrieren. Bislang ist China Hauptabnehmer sudanesischen Erdöls.

Sowohl der Norden als auch der Süden haben seit dem Friedensvertrag im Jahr 2005, in dem auf Druck des US-Sondergesandten John Danforth unter anderem das Abhalten jener Referenden festgelegt wurde, militärisch kräftig aufgerüstet. Die zentrale Offenlassung im Friedensvertrag betrifft die Zukunft der Region Abyei. Die gleichnamige Stadt wurde bei Kämpfen zwischen Nord und Süd im Mai 2008 weitgehend zerstört. Mit erneuten Kämpfen ist fest zu rechnen, egal, ob sich die Bewohner für den Norden oder für den Süden entscheiden. Bislang sieht es allerdings nicht danach aus, als ob der 9. Januar als Wahltermin eingehalten wird.

Wenn jede beliebige Regierung eine "Terrorliste" aufstellen könnte, auf der sie die ihr unliebsamen Staaten nennt, würden auch westliche Industriestaaten wie die USA, Kanada und etliche Mitgliedsländer der Europäischen Union genannt. Das Problem besteht allerdings darin, daß nicht jedes Land wie die USA über die militärischen und wirtschaftlichen Mittel verfügt, um andere zur Einhaltung seiner Terrorbestimmungen nötigen zu können. Das Angebot der US-Regierung an Sudan zeigt, was niemanden überraschen dürfte, daß die Terrorliste ein weiterer Pfeil im Köcher der USA ist, um die Welt nach ihren globalhegemonialen Wünschen zu gestalten.

Die Zerschlagung Sudans soll den USA und ihren Verbündeten nicht nur dabei dienen, sich die lukrativsten Häppchen einzuverleiben - sprich: Erdölgeschäfte abzuschließen -, sondern auch die Möglichkeit der Entstehung eines funktionierenden, muslimisch regierten Vorbildstaats für die schwarzafrikanische und arabische Welt bereits im Ansatz zu verhindern. Ohne den rund zwanzig Jahre währenden Nord-Süd-Konflikt, ohne den 2003 in der westlichen Provinz Darfur ausgebrochenen Bürgerkrieg und ohne die verschiedenen sozialen Brandherde in östlichen und zentralen Landesteilen bestünde die Gefahr, daß sich Sudan der globalen Dominanz des Westens entzieht und dafür Nachahmer findet. Wohingegen eine Separation des Südens das Land erheblich schwächte. Für die USA gibt es auf dem afrikanischen Schlachtfeld viel zu gewinnen.

11. November 2010