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AFRIKA/2121: "Blutige" Rohstoffe - US-Firmen halten sich bedeckt (SB)


Undurchsichtige Machenschaften in der Lieferkette

Amnesty International und Global Witness prangern US-Wirtschaft an, die Herkunft von Mineralien aus Konfliktgebieten zu verschleiern


Solange im Osten Kongos weiter um Zugriff auf die ergiebigen Rohstofflagerstätten gekämpft wird und Konfliktparteien sich über den Verkauf von Rohstoffen finanzieren, liegt die Vermutung nahe, daß aus den "Konflikt-Mineralien" Waren hergestellt werden, die auch unter dem deutschen Weihnachtsbaum landen. Oder unter dem der US-Bürgerinnen und -Bürger. In welchem Ausmaß das geschieht, weiß niemand genau zu sagen. Aber eine Ahnung, daß es häufiger der Fall sein könnte als vermutet, bietet der gemeinsame Report "Digging for Transparency" (z. Dt.: Graben nach Transparenz) von Amnesty International und Global Witness, der am 22. April 2015 veröffentlicht wurde. [1]

Die beiden Menschenrechtsorganisationen haben 100 börsennotierte US-amerikanische Unternehmen, die nach dem "2010 Dodd Frank Act" (Section 1502) verpflichtende Auskünfte zur Verwendung von Mineralien (Conflict Minerals Reports) abgeben müssen, unter die Lupe genommen und festgestellt, daß die Berichte von 79 dieser Unternehmen nicht einmal den Minimalstandards genügten. Mehr als der Hälfte von ihnen hatte verschwiegen, wenn in der Versorgungskette eine Risikostelle entdeckt worden war. Überhaupt waren nur 16 der 100 Unternehmen über ihre unmittelbare Versorgungskette hinausgegangen und hatten sich erkundigt, wo die Mineralien verarbeitet werden.

Das "2010 Dodd Frank Act" (Section 1502) verpflichtet seit 2014 mehr als 1000 in den USA ansässige Unternehmen, die möglicherweise Mineralien aus Zentralafrika verarbeiten, Berichte über die Herkunft ihrer Rohstoffe an die U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) zu senden. Mit dem Gesetz soll das Risiko vermindert werden, daß durch den Erwerb von Mineralien aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK) und ihren Nachbarländern Konflikte und Menschenrechtsverletzungen gefördert werden.

Die DRK ist überaus rohstoffreich. Dort werden Mineralien wie Gold, Zinn, Wolfram und Tantal gefördert, die unverzichtbare Bestandteile von Mobiltelefonen, Laptops und anderen IT-Produkten, erneuerbaren Energiesystemen, aber auch von Hightech-Rüstungsgütern sind.

Das "2010 Dodd Frank Act" soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern Anhaltspunkte dafür liefern, ob sie ein ethisch "sauberes" Produkt erwerben. Theoretisch können sie durch ihr Kaufverhalten Einfluß darauf nehmen, daß immer mehr Rohstoffe nur nach ethischen Standards abgebaut und verarbeitet werden.

Die Realität sieht anders aus, wie Amnesty International und Global Witness feststellten. Denn die Unternehmensangaben für die SEC halten nicht, was sie versprechen. Die Organisationen fordern eine deutliche Nachbesserung für die zweite Runde an Berichten, die im Juni 2015 abgegeben werden sollen. Darüber hinaus appellieren sie an das Europäische Parlament, dafür zu sorgen, daß in die Gesetzgebung zu Konfliktmineralien [2], über die im kommenden Monat beraten wird, eine Nachweispflicht für Waren eingeschrieben wird, die Mineralien wie Gold, Zinn, Wolfram und Tantal enthalten und für den europäischen Markt vorgesehen sind.

Wie ist der Bericht von Amnesty International und Global Witness zu bewerten? Wenn er dazu beiträgt, das Ausmaß an Sklaverei und anderen Menschenrechtsverletzungen in den rohstoffreichen Regionen Zentralafrikas zu verringern, hat er seine Funktion erfüllt. Es wäre zu begrüßen, wenn Unternehmen verpflichtet werden, auf die Herkunft ihrer Mineralien und damit letztlich auf die Arbeitsbedingungen in ihrer Lieferkette zu achten.

Festzustellen ist aber auch, daß der Bericht "Digging for Transparency" in seiner Analyse nicht sehr tief gräbt. Die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft beginnt und endet gewiß nicht in den Konfliktgebieten. Überall dort, wo Menschen ihre Arbeitskraft für Lohn zu Markte tragen, wird die Gesellschaft in Arm und Reich geschieden, bereichern sich die einen an dem, was letztlich die Physis der anderen beim Rohstoffabbau hergibt. Der ist somit per se konfliktgeladen und das nicht nur in Afrika.

Ein Meilenstein bei der Verabschiedung ethischer Standards für den Rohstoffabbau bildete Anfang 2003 der "Kimberley-Prozeß" der Diamantenindustrie. Fortan sollten keine "Blutdiamanten" mehr gehandelt werden, hieß es. Auffällig war allerdings, daß sich der Diamantenmonopolist DeBeers erst dann an die Spitze dieser Bewegung gesetzt hatte, als sein Weltmarktanteil durch Diamanten unter anderem aus dem Bürgerkriegsland Sierra Leone empfindlich abnahm. Mit dem Begriff "Blutdiamant" sollte jedoch nicht nur die sierraleonische Konkurrenz ausgestochen, sondern auch das generell angeschlagene Image von Diamanten aufpoliert werden, das sich in niedrigeren Verkaufszahlen bemerkbar gemacht hatte.

Ob die Diamanten wie in Sierra Leone aus dem Fluß gewaschen oder wie in Botswana aus riesigen Löchern in der Erde herausgestemmt werden, in beiden Fällen klebt Blut an den Händen der Arbeiter - es ist ihr eigenes. Gleiches gilt für den Rohstoffabbau in Ostkongo. Und so, wie es unstrittig ist, daß dort Menschen in sklavereiähnlichen Verhältnissen arbeiten, besteht kein Zweifel daran, daß bis in höchste Regierungskreise der DRK und Ruandas und ihrer Verbündeten auch in Europa und den USA hinein Seilschaften existieren, die vom Geschäft des Rohstoffabbaus, der stets blutig ist, profitieren. Ob mit oder ohne "Ethisch sauber"-Zertifikat der SEC ...


Fußnoten:

[1] tinyurl.com/mdspku4

[2] tinyurl.com/pf9g5og

23. April 2015


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