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AFRIKA/2125: Dürre - Simbabwe erklärt nationalen Notstand (SB)


Ein Viertel der Bevölkerung Simbabwes hungert

Eine Reform der Landreform könnte Ernährungsunsicherheit der kleinbäuerlichen Haushalte verringern


In mehreren Staaten des südlichen Afrikas herrscht eine schwere Dürre. Wissenschaftler führen sie auf das Klimaphänomen El Niño zurück, das in diesem Jahr besonders kräftig ausfällt. Am 2. Februar hat der Präsident des südafrikanischen Binnenstaats Simbabwe, Robert Mugabe, für viele ländliche Gebiete den Nationalen Notstand ausgerufen und dadurch den Weg für Hilfslieferungen an die Bedürftigen freigemacht.

Der einstige "Brotkorb Afrikas" leidet inzwischen regelmäßig unter zu geringen Niederschlägen, so daß die Landwirtschaft nicht ihr volles Potential entfalten kann und Simbabwe Getreide aus den Nachbarländern importieren muß. Das dürfte sich in diesem Jahr besonders schwierig gestalten, denn auch Südafrika, Malawi und Sambia erleben eine außergewöhnliche Trockenheit. Tausende Stück Vieh sind bereits verendet, Mais und andere Agrarpflanzen verdorren auf dem Feld, und Stauseen verzeichnen einen geringen Pegelstand, was die elektrische Stromversorgung beeinträchtigt.

Simbabwe hat die Dürre besonders schwer getroffen. Im nationalen Durchschnitt weisen die Stauseen nur 51 Prozent ihrer Füllmenge auf. Hier stieg die Zahl der Einwohner, die nicht genug zu essen haben, von anfänglich 1,5 Mio. auf 2,66 Mio., was 26 Prozent der Bevölkerung entspricht, teilte der Minister für Öffentliche Arbeiten, Saviour Kasukuwere, laut AFP mit. Ihm zufolge sind mindestens 16.500 Stück Vieh gestorben, und in den besonders schwer betroffenen Gebieten wurden 75 Prozent des Getreides vernichtet. [1]

Dem Minister zufolge haben 95 Prozent Simbabwes weniger als 75 Prozent der Niederschlagsmenge erhalten, die normalerweise für diese Jahreszeit zu erwarten gewesen wäre, berichtete die regierungsnahe Zeitung "The Herald". [2]

Auch wenn die jahrelangen Bemühungen seitens des Westens, die simbabwische Regierung unter Präsident Robert Mugabe zu Fall zu bringen, anscheinend nachgelassen haben, unterliegt das Land noch immer Sanktionen und erleidet dadurch permanent vor allem wirtschaftliche Nachteile. Bereits die Ernte im April 2015 fiel nur halb so groß aus wie im Jahr davor, sagte David Orr, Sprecher des UN-Welternährungsprogramms. Sollte die aktuelle Dürre anhalten, wird sich in diesem Jahr die magere Zeit bis über die Ernte hinaus ausdehnen. Die Zahl der Bedürftigen werde weiter zunehmen.

Als "magere Zeit" gilt jene im südlichen Afrika regelmäßig auftretende Phase, wenn die Vorräte der letzten Ernte aufgebraucht sind, die neue Ernte aber noch nicht eingefahren wurde.

Mugabe war vor rund 15 Jahren in Ungnade gefallen, nachdem er eine jahrzehntelang aufgeschobene Landreform - eines der Hauptziele des Befreiungskampfs, der 1980 Erfolg hatte - durchführen ließ. Etwa 4500 riesige Plantagen, die unter Verwaltung von Weißen standen und 70 Prozent der fruchtbarsten Böden umfaßten, wurden enteignet (nur teilweise entschädigt), zerschlagen und an mehrere hunderttausend schwarze Kleinbauern verteilt.

Daß sich bei diesem Vorgang manche Regierungsmitglieder die Filetstücke unter den Nagel gerissen haben, ist nicht akzeptabel, aber sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal der Regierungspartei ZANU-PF. In Deutschland beispielsweise hätte es nach der Wiedervereinigung bei der Abwicklung der ostdeutschen Ländereien durch die BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft) ohne eine entsprechende politische Hilfestellung nicht passieren können, daß heute ein beträchtlicher Teil der fruchtbaren Ackerböden großen Konzernen gehört.

Wenn nun AFP berichtete, Kritiker sähen in der Landreform Mugabes eine Mitverantwortung für die heutige Mangellage, so scheint das Argument in erster Linie politisch motiviert zu sein. Denn ein Land wie Südafrika, das nach dem Ende der Apartheid 1991 durchaus vergleichbare Ausgangsbedingungen wie Simbabwe besaß, hat keine radikale Landreform durchgeführt (es wurden allerdings im Laufe der Jahre mehrere tausend weiße Farmer umgebracht), und dennoch muß es in diesem Jahr Getreide importieren. Auch Sambia und Malawi stehen nicht in dem Ruf, "Schurkenstaaten" zu sein, und doch müssen sie Ernteverluste hinnehmen.

Die Umverteilung von Ländereien im Zuge der Landreform an die Kleinbauern in Simbabwe hat möglicherweise sogar eine noch größere Notlage unter der Landbevölkerung verhindert, ist doch bekannt, daß Kleinbauern im allgemeinen schonendere Bewirtschaftungsformen anwenden als Plantagenbesitzer, vor allem wenn sie ökologischen Landbau betreiben. Zudem wurden in Simbabwe bis zur Landreform viele "cash crops" angebaut, also Pflanzen wie Tabak, die für den Export bestimmt sind und nicht unmittelbar der Hungerbekämpfung dienen. Wären die Weltmarktpreise für dieses Erzeugnis hoch, so könnten die Kleinbauern, die nach der Landreform weiterhin Tabak anbauen, theoretisch genügend Einnahmen erwirtschaften, um sich mit genügend Nahrungsmitteln zu versorgen. Doch ist der Weltmarktpreis für Tabak starken Schwankungen unterworfen, so daß die Kleinbauern zwar landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung haben, aber dennoch nicht genügend zu essen.

Die Subsistenzwirtschaft, die unter marktradikalen Ökonomen einen schlechten Ruf genießt, soll hier nicht idealisiert werden, doch unter bestimmten Umständen hat sie Vorteile, weil sich die Bauern in Zeiten der Not zumindest selbst versorgen können. (Beispielsweise kommen viele Menschen in Rußland, gegen das aktuell Sanktionen des Westens verhängt sind, nur deshalb über die Runden, weil sie in ihren Gärten und auf ihren Datschen Gemüse und Obst anbauen.)

Im südlichen Afrika hungern aufgrund der Dürre mindestens vierzehn Millionen Menschen, warnt das Welternährungsprogramm. Die simbabwische Regierung könnte sicherlich sehr viel mehr für die Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung tun, aber nicht, indem sie die Landreform rückgängig macht, sondern im Gegenteil, indem sie alle Formen der Bereicherung, wie sie bis zur erzwungenen Landreform mit der Folge einer extrem ungleichen Verteilung der Landfläche einherging und wie sie nach der Landreform, nur unter einem anderen Vorzeichen, fortgesetzt wurde, beendet.

Die simbabwischen Kleinbauern sollten seitens der Regierung stärker darin unterstützt werden, verschiedene Getreide und Gemüse anzubauen, so daß die Landbevölkerung besser gegen klimatische Einbrüche und Schädlingsbefall ihrer Ernte gewappnet ist. Der Aufbau von Lagerkapazitäten und lokalen Vermarktungsstrukturen kann ebenfalls zur deutlichen Verbesserung der Ernährungssouveränität beitragen. Demgegenüber würde durch eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft die Weltmarktbindung und damit die Abhängigkeit von profitorientierten Interessen, auf die die simbabwischen Bauern keinerlei Einfluß haben, zunehmen.


Fußnoten:

[1] http://www.spacedaily.com/reports/Zimbabwe_declares_state_of_disaster_over_drought_999.html

[2] http://allafrica.com/stories/201602050595.html

8. Februar 2016


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