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AFRIKA/2160: Somalia - gescheitert an beschränktem Interesse ... (SB)



Die Bundeswehr beendet ihre Ausbildungsmission in Somalia. Das vorgebliche Ziel des Einsatzes - Aufbau einer Regierungsarmee, die die Kontrolle in dem Bürgerkriegsland zurückgewinnt - ist weitgehend gescheitert.

Der angekündigte Rückzug des deutschen Kontingents aus der EU-Ausbildungsmission Somalia (EUTM Somalia) steht grundsätzlich für die Fehleinschätzung, einem Land, dessen gesellschaftliche Struktur durch und durch von Clans bestimmt wird, von oben herab das eigene Staatsmodell aufdrücken zu können. In Folge der diversen ausländischen Interventionen in Somalia jüngeren Datums (seit 1991), zu der auch EUTM gerechnet werden muß, hat die Gewalt und Not in dem Land nicht ab-, sondern zugenommen.

Nach Angaben von SPIEGEL online [*] werden die deutschen Militärausbilder - derzeit fünf an der Zahl - bis Ende März 2018 zurückgezogen. Diese haben sich auf dem Flughafen der Hauptstadt Mogadischu verschanzt, nehmen selber an keinen Militäreinsätzen im Land teil und bilden somalische Soldaten aus. Die Operation sei für den nötigen Aufwand und das Risiko für die deutschen Soldaten schlicht zu ineffektiv, habe es in der Bundeswehrführung zuletzt geheißen, so das Politmagazin.

Obgleich die somalische Regierung eine breite militärische Unterstützung aus dem Ausland erfährt, gelingt es ihr nicht, einen Staat zu bilden, der auch die Exekutivgewalt über das gesamte Territorium innehat, nicht einmal dann, wenn man die abtrünnigen Provinzen Somaliland und Puntland abzieht. Die islamistische Jugendorganisation al-Shabab kontrolliert noch immer weite Landesteile, obschon sie sich erstens der regulären somalischen Armee, zweitens der 22.000 Personen starken Truppe AMISOM mit Soldatinnen und Soldaten aus Äthiopien, Burundi, Dschibuti, Ghana, Kenia, Nigeria, Sierra Leone und Uganda (die im wesentlichen die Hauptstadt sichern) und drittens Spezialeinheiten der USA (und womöglich weiterer NATO-Staaten) sowie viertens Drohnenangriffen seitens der USA ausgesetzt sieht.

Auch al-Shabab erhält massive ausländische Unterstützung, ohne die sich die Islamisten vermutlich nicht gegen die Übermacht behaupten könnten. Nicht zuletzt aber haben sie den Vorteil der stärkeren Verbundenheit mit der Bevölkerung, wohingegen sich in der Wahrnehmung vermutlich vieler Somalier die Regierungssoldaten hinter ausländischen Kräften verstecken und sich von ihnen schützen lassen. Das mag vielleicht aus Sicht beispielsweise mancher Exil-Somalier kein Problem sein - verständlicherweise, wenn man bedenkt, daß das Gegenmodell - ein strenges Scharia-Regime der Islamisten - ebenfalls ein von außen auf die somalische Clanstrukturen oktroyiertes Gesellschaftsmodell wäre -, hat aber hinsichtlich des geringen Vertrauens in die Regierungssoldaten seitens der Bevölkerung große Bedeutung.

Die Verbundenheit mit starken islamistischen Kräften hatte sich im Jahr 2006 besonders deutlich gezeigt, als vorübergehend die Union der Islamischen Gerichte die Kontrolle über Mogadischu übernommen und die damals dort vorherrschenden Banden und Wegelagerer (trotz deren Finanzierung und Bewaffnung durch den US-Geheimdienst CIA) vertrieben hatte. Rund ein halbes Jahr lang galt die Hauptstadt als sicher, doch handelte es sich um jene Grabessicherheit, die Auspeitschen, Hände abhacken, Steinigen und andere Bestrafungen des implementierten islamischen Rechts zu erzeugen im Stande war.

Die westlichen Militärinterventionen wie EUTM Somalia und EU NAVFOR Somalia (EU-Seestreitkräfte Somalia; auch Operation Atalanta genannt) sowie die erwähnte AMISOM sind und bleiben Fremdkörper in einem Land, in dem spätestens seit Beginn der Kolonialzeit immer wieder ausländische Interessen versucht haben, ihre Vorstellung von Staatenbildung durchzusetzen. Das Anliegen richtete sich dabei wohl weniger auf die Perspektive, eines Tages - falls das Nation Building funktioniert und die politische Lage stabil bleibt - Rohstoffe sicherstellen zu können, wie es hin und wieder zu lesen ist, als vielmehr darum, an dieser herausragenden geostrategischen Schnittstelle zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel sowie an einer der weltweit bedeutendsten Seeverbindung - Suez-Kanal, Rotes Meer, Golf von Aden, Indischer Ozean - dauerhaft Fuß zu fassen.

Der Rückzug der Bundeswehr aus EUTM bedeutet nicht, daß Deutschland beabsichtigt, seine hegemonialen Interessen in dieser Weltregion aufzugeben. So ist die Bundeswehr mit bis zu 600 Einsatzkräften an EU NAVFOR beteiligt, die von Anfang an die größere und deutlich gewichtigere militärische Mission in Somalia war, und von einer Einstellung dieses Mandats war in dem SPIEGEL-Bericht nicht die Rede. In vielerlei Hinsicht gescheitert ist das erklärte Ziel von EUTM und damit auch der Bundeswehr.

Wahrscheinlich wäre der Bürgerkrieg in Somalia längst zu Ende gegangen, wenn nicht ständig von außen her versucht würde, an den Menschen vor Ort vorbei das Land nach eigenen Vorstellungen zu formen. Ein anderes Interesse ist auch bei der Bundeswehr als exekutiver Arm der Bundesregierung und des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht zu erkennen. Ansonsten hätte man von Anfang an, also seit dem Staatszerfall 1991, mehr Wert auf die Selbstbestimmung der Menschen gelegt. Wer jedoch nach dem Motto vorgeht, am deutschen Wesen soll die Welt genesen, produziert Leid und Elend, wo auch immer er seinen Stiefelabdruck im Boden hinterläßt.


Fußnote:

[*] http://www.spiegel.de/politik/ausland/bundeswehr-zieht-aus-somalia-ab-a-1190832.html

5. Februar 2018


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