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AFRIKA/2182: Entwicklungsfonds - Kehrwert Selbstbedienung ... (SB)



"Der Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF) verfolgt das Ziel, das Potenzial des afrikanischen Agrarsektors auf allen Ebenen - Produktion, Verarbeitung, Dienstleistungen und Handel - zugunsten der Armen zu erschließen."
(Deutsche Bank AG) [1]

"In den letzten fünf Jahren haben vor allem die Fondsmanager der Deutschen Bank sowie reiche private Anleger vom AATIF profitiert. Den größten Batzen dabei hat sich mit etwa 13 Millionen Dollar die Deutsche Bank gesichert."
(Roman Herre, Menschenrechtsorganisation FIAN) [2]

Was waren das noch für überschaubare Verhältnisse, als in Deutschland "Kolonialwaren" in gleichnamigen Läden angeboten und als Handel ausgewiesene Raubzüge in den Überseegebieten betrieben wurden. In der heutigen neokolonialistischen Zeit werden Mensch und Natur um keinen Deut weniger ausgebeutet, allerdings wird dies mit anderen Etiketten versehen. Beispielsweise dem der Entwicklungshilfe. So erweist sich der vom früheren Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) initiierte Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF) als ausgesprochen attraktiv ... für jene, die ihn verwalten.

Von diesem 2011 von der Bundesregierung gemeinsam mit der KfW Bankengruppe und der Deutschen Bank gegründeten Entwicklungsfonds profitiert vor allem letztgenannte, berichtete die Organisation FIAN am Mittwoch. Sie hat den aktuellen Jahresbericht [3] des AATIF untersucht und festgestellt, daß zwischen August 2011 und März 2018 über 33 Millionen US-Dollar an Zinsen aus Afrika an den Fonds geflossen sind. Dieser ist in Luxemburg angesiedelt, obgleich ein deutsches Ministerium für die Gelder verantwortlich zeichnet. Die luxemburgische Gesetzgebung ist für solche Art von Geschäften, bei denen unter den beteiligten Akteuren unterschiedliche Stufen der Haftbarkeit (Risikoklassen) greifen, weniger streng als die deutsche. Bei diesem "Wasserfall" genannten Prinzip tragen private Investoren das geringste, die Banken ein mittleres und das Entwicklungsministerium (und damit die Steuerzahler) das größte Risiko. Umgekehrt werden bei der Gewinnverteilung zuerst die privaten Investoren und als letztes der Staat berücksichtigt.

Die Bundesregierung, die ihre eigene Gesetzgebung umgeht und privaten Geldgebern auf dem Rücken afrikanischer Kleinbauern zu lukrativen Geschäften verhilft, räumt sogar unumwunden ein, daß sie die Steueroase Luxemburg für solche Art von Geschäften benötigt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE aus dem vergangenen Jahr hervor [4].

Jenen 33 Millionen Dollar an Zinsen, die aus Afrika nach Luxemburg transferiert wurden, stehen lediglich 15 Millionen Dollar an eingeworbenen zusätzlichen Privatinvestitionen gegenüber, obgleich genau das eine "zentrale Strategie solcher 'Entwicklungs'-Fonds" sei, schreibt FIAN. Roman Herre, Agrarreferent bei der deutschen Sektion dieser Menschenrechtsorganisation, kommentiert das nüchtern: "In den sieben Jahren des Bestehens vom AATIF wurden mehr als doppelt so viele Zinsen nach Europa überwiesen als zusätzliche private Gelder für Investitionen in Afrika mobilisiert. Dieses Geld fehlt vor Ort, wo der Fonds laut Auftrag die wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Armen ankurbeln soll."

Obschon einiges angekurbelt wurde, kam das nicht den Armen zugute, sondern den Reichen: Von den erwähnten 33 Mio. Dollar Zinsen wurden rund 21 Mio. für "Erfolgsprämien", Gehälter für das Fondsmanagement sowie für Ausschüttungen an Investoren ausgegeben. Allein die Deutsche Bank habe sich mit rund dreizehn Millionen Dollar den "größten Batzen" gesichert, schreibt FIAN.

Die Organisation übt scharfe Kritik an dem grundsätzlichen Trend, daß Investmentfonds die Entwicklungspolitik übernehmen. Im Mai 2018 schrieb Herre: "Mittlerweile leiht sich das BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) riesige Summen vom Kapitalmarkt, um diese dann weiterzureichen. Wurden 2006 noch 160 Mio. Euro geliehen, sind diese 'Marktmittel' der Entwicklungsbank KfW auf knapp vier Mrd. Euro explodiert und reichen fast an die sechs Mrd. öffentlicher Entwicklungshilfe des BMZ." [5]

Beim AATIF waren 9,5 Millionen Dollar allein an Verwaltungskosten angefallen - ein Phänomen, das in ähnlicher Form auch aus anderen staatlichen wie nichtstaatlichen Entwicklungszusammenhängen bekannt ist. Die Verwaltung von Hilfsgeldern ist ihrerseits ein lukratives Geschäft, verhilft dem einen oder anderen zu einem sicheren Posten und hat eine eigene "Hilfe"-Branche geschaffen. Der AATIF ist offenbar Teil dieser Machenschaften.

Dem noch nicht genug erweisen sich auch die Projekte, die vom AATIF finanziell unterstützt werden, als brisant. FIAN hat eigenen Angaben zufolge seit 2013 den vom AATIF unterstützten Investor Agrivision auf Mauritius, der in Sambia knapp 20.000 Hektar Land aufgekauft hat, beobachtet. Demnach kommt es in dem südafrikanischen Binnenland zu massiven Landkonflikten. Laut WDR Monitor handelt es sich bei Agrivision um ein Vorzeigeprojekt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Es hat zehn Millionen Dollar erhalten und produziert auf Tausenden von Hektar, wo früher Kleinbauern Subsistenzlandwirtschaft betrieben haben, Soja, Weizen und Mais in Plantagenwirtschaft. Das meiste davon wandert in den Export. Anstatt 1000 oder noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen, wie ursprünglich zugesagt, arbeiteten dort zunächst nur 258 Personen. Inzwischen wurde die Zahl auf 147 Arbeitsplätze reduziert, wobei ein Teil davon nur zeitweilig besteht, beispielsweise während der Ernte.

Der Abgeordnete Niema Movassat (DIE LINKE), Mitglied des Entwicklungsausschusses des Deutschen Bundestags, spricht von einem "entwicklungspolitischen Skandal": "Unfassbar, dass die Bundesregierung Fonds in Steueroasen anlegt, damit private Investoren in Afrika Rendite machen können und das auf dem Rücken der afrikanischen Bauern, deren Existenzgrundlagen zerstört werden. Und das verkauft uns die Bundesregierung als Vorzeigemodell der Entwicklungspolitik." [6]

Vorbildcharakter hat das Agrivision-Projekt in Sambia allenfalls darin, wie man in den Ländern des Südens das Modell der exportorientierten Plantagenwirtschaft gegen die angestammten Nutzungs- und Besitzrechte von Dorfgemeinschaften durchsetzt und dafür auch noch ethische Pluspunkte einheimst, weil man vermeintlich rückständigen Menschen den Fortschritt gebracht hat.


Fußnoten:

[1] https://www.db.com/cr/de/konkret-Africa-Agriculture-Trade-and-Investment-Fund.htm

[2] https://www.fian.de/artikelansicht/2018-11-21-aatif-niebels-entwicklungsfonds-nutzt-vor-allem-der-deutschen-bank/

[3] https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/bilder_allgemein/Presse/18_10_Finanzdaten_AATIF.pdf

[4] http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/134/1813451.pdf

[5] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/wirtsch/pwent107.html

[6] https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/afrika-politik-104.html

23. November 2018


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