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ASIEN/577: Nachschubprobleme der NATO in Afghanistan nehmen zu (SB)


Nachschubprobleme der NATO in Afghanistan nehmen zu

Erfolge der Taliban bringen Washington und Teheran einander näher


Für die NATO Streitkräfte in Afghanistan nehmen die Nachschubprobleme gewaltig zu. In der Nacht zum 2. Februar haben unbekannte Täter eine Brücke am pakistanischen Khyber-Paß, kurz vor dem Grenzübergang zu Afghanistan, mit Sprengstoff zum Einsturz gebracht. Über Pakistan, insbesondere den Khyber-Paß, läuft der größte Teil der Nachschublieferungen für die westlichen Truppen am Hindukusch. Während dessen steht Kirgistan Presseberichten zufolge kurz davor, dem US-Militär die weitere Nutzung des Luftwaffenstützpunktes Manas, der ebenfalls für die Versorgung der NATO-Streitkräfte in Afghanistan von nicht geringer Bedeutung ist, zu untersagen. Angesichts solcher Entwicklungen könnten sich die USA, die unter dem neuen Präsidenten Barack Obama ihre Truppenstärke in Afghanistan von 30.000 auf 60.000 Mann zu verdoppeln beabsichtigen, gezwungen sehen, sich an den Iran zu wenden. Schließlich ließe sich vom Persischen Golf aus der Nachschub nach Afghanistan leichter organisieren, als über Rußland und die Staaten Zentralasiens.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters am 2. Februar unter Berufung auf pakistanische Regierungsvertreter berichtete, haben Militante kurz nach Mitternacht am selbem Tag rund 23 Kilometer westlich der Stadt Peshawar eine 30 Meter lange Eisenbrücke über eine Schlucht im Khyber-Paß in die Luft gejagt. Normalerweise wird die Brücke von bewaffneten Wachleuten geschützt. Warum diese den Überfall nicht verhinderten, ist unklar. Reuters zitierte den pakistanischen Regierungsbeamten Rahat Gul dahingehend, daß die Instandsetzung der Brücke "einige Zeit" in Anspruch nehmen wird. Unter normalen Bedingung müßte man von einigen Wochen ausgehen. Bleibt die Brücke bzw. bleiben die Reparaturarbeiten Überfällen der Taliban oder ihrer Verbündeten bei den paschtunischen Milizen in den Federally Administered Tribal Areas (FATA) ausgesetzt, könnte es noch länger dauern, bis der Nachschub der NATO über den Khyber-Paß wieder rollen kann - wenn überhaupt.

Bisher gelangten 75 Prozent des Nachschubs für die NATO-Soldaten - darunter 40 Prozent des Treibstoffs - nach der Landung im Hafen Karatschi über zwei Routen nach Afghanistan. Die nördliche Route lief über den Khyber-Paß und die Grenzstadt Torkham und von dort in die afghanische Hauptstadt Kabul, die südliche zur Grenzstadt Chaman und vor dort nach Kandahar, der ehemaligen Taliban-Hochburg, im Südwesten Afghanistans. Täglich passierten bisher rund 300 Lastwagen Torkham und 100 Lastwagen Chaman mit kriegswichtigem Material für die NATO-Streitkräfte. Sollte durch die Sprengung der Brücke am Khyber-Paß die nördliche Route vollständig ausgefallen sein, steht die NATO-Generalität vor einem enormen logistischen Problem.

Als Ende letzten Jahres die Angriffe der Taliban und ihrer pakistanischen Kampfgefährten auf die Nachschubrouten der NATO deutlich zunahmen, haben Vertreter der westlichen Militärallianz Gespräche mit den Regierungen Rußlands und den Ländern Zentralasiens und des Kaukasus aufgenommen, um alternative Straßen- und Schienenverbindungen zu eruieren. Diese Verhandlungen laufen noch, werden jedoch gleichzeitig durch die Abneigung Washingtons, auf das Wohlwollen Moskaus angewiesen zu sein und dadurch die strategische Bedeutung Rußlands auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion anerkennen zu müssen, erschwert.

Angesichts dieser Gemengelage böte sich die Einrichtung einer neuen Nachschubroute über den Iran an, brächte es Washington endlich fertig, die Schmach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran vor 30 Jahren zu überwinden und diplomatische Beziehungen zur Islamischen Republik Iran aufzunehmen. Gerade erst Ende Januar wurde eine 223 Kilometer lange, von Indien für 150 Millionen Dollar finanzierte Schnellstraße, welche die Stadt Delaram in der afghanischen Provinz Nimroz mit Zaranj an der iranischen Grenze verbindet, eröffnet. Auf iranischem Territorium gibt es eine weitere Schnellstraße, die Zaranj mit der Hafenstadt Chahbahar am östlichen Ende des Persischen Golfs verbindet. Über eine solche Trasse ließen sich die NATO-Streitkräfte in Südafghanistan leichter versorgen, als durch die unsicheren pakistanischen Stammesgebiete. Nicht umsonst hat sich der NATO-Oberbefehlshaber General John Craddock am 2. Februar gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press in der Frage alternativer Nachschubrouten durch den Iran aufgeschlossen gezeigt. Wenn andere NATO-Partner entsprechende Arrangements mit Teheran eingehen wollten, hätte er nichts dagegen, so der US-Militär.

3. Februar 2009