Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

ASIEN/592: Verheerende Bilanz der US-Drohnenangriffe in Pakistan (SB)


Verheerende Bilanz der US-Drohnenangriffe in Pakistan

Für sechs getötete "Terroristen" müssen jeweils 94 Zivilisten sterben


Die Politik der USA, die seit dem Amtsantritt von Barack Obama als Präsident forciert wird, nämlich von ferngesteuerten Drohnen vom Typ Predator aus mutmaßliche, in Pakistan befindliche "Terroristen" bzw. militante Gegner der NATO-Besetzung Afghanistans mit Hellfire-Raketen zu beschießen, ist hochumstritten. Pakistaner alle Bevölkerungsschichten und -gruppen sehen in den Angriffen eine Verletzung der Souveränität ihres Landes und empören sich zurecht über die vielen zivilen Opfer. Deshalb fordert die Regierung in Islamabad seit Monaten Washington dazu auf, auf solche Angriffe zu verzichten - vergeblich.

Doch es sind nicht nur die Frage der Souveränität und das hohe Blutzoll unter der Zivilbevölkerung allein, welche Präsident Ali Asif Zardari und die anderen führenden Politiker Pakistans umtreibt. Sie müssen mitansehen, wie im eigenen Land bewaffnete radikal-islamische Organisationen, die Islamabad eine Komplizenhaft mit den USA vorwerfen, als Reaktion auf die Drohnenangriffe immer mehr Bombenanschläge und Überfälle durchführen, und haben deshalb berechtigte Angst vor dem Ausbruch eines regelrechten Bürgerkrieges.

Selbst in den USA gibt es nicht wenige Experten, die der Meinung sind, daß die Predator-Angriffe mehr Probleme schaffen, als sie lösen. In einem Artikel, den die Zeitungsgruppe McClatchy, Herausgeberin unter anderem der Miami Herald, am 7. April unter der Überschrift "Do U.S. drones kill Pakistani extremists or recruit them?" veröffentlichte, schrieb der Journalist Jonathan S. Landay von der "zunehmenden Sorge unter US-Militärs und Geheimdienstlern", daß die Drohnenangriffe den Kampf gegen Al Kaida und Co. noch schwieriger, statt leichter machten. Demnach treibt die Empörung über die vielen getöteten Zivilisten immer mehr junge Männer in die Arme der NATO-Gegner, während die Drohnenangriffe auf Ziele in den gebirgigen, an der Grenze zu Afghanistan liegenden Stammesgebieten viele Militanten dazu veranlassen würden, ihre Stützpunkte in die Hafenstadt Karatschi zu verlegen, wo sie unter den mehr als zwölf Millionen Bewohnern kaum noch zu lokalisieren wären. Dazu Landy:

"US-Drohnenangriffe 'könnten mehr geschadet als geholfen haben', erklärte ein US-Militär, der in die Terrorabwehroperationen sehr involviert ist. Der Militär, der um Anonymität bat, weil er nicht autorisiert war, sich öffentlich zu äußern, bezeichnete die Drohnenangriffe als einen 'Rekrutierungsbonus für die pakistanischen Taliban'. 'Eine nicht geringe Anzahl unserer Feinde sind nicht mehr da, wo sie früher waren", sondern hätten sich 'an Orten verlegt, wo wir sie nicht mehr wie früher angreifen können', fügte er hinzu."

Wie wenig effektiv die Drohnenangriffe sind bzw. in welchem ungeheuren Ausmaß Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen werden, geht aus einer detaillierten Analyse, die der Journalist Amir Mir am 10. April in der pakistanischen Zeitung The News International (Jang) unter Verweis auf offizielle Zahlen aus Islamabad veröffentlichte. Demnach hätten bei den 60 Drohnenangriffen, welche entweder das Pentagon oder die CIA zwischen dem 14. Januar 2006 und dem 8. April 2009 in Pakistan durchgeführt haben, die abgefeuerten Hellfire-Raketen lediglich 10 Mal das eigentliche Ziel getroffen. Laut Angaben hat man dabei lediglich 14 gesuchte Al-Kaida-Anführer getroffen, jedoch parallel dazu 687 "unschuldige pakistanische Zivilisten" umgebracht, so Mir. Dieser errechnete die Erfolgsquote der US-Drohnenangriffe auf "nicht mehr als sechs Prozent".

11. April 2009