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ASIEN/633: Kontroverse um Blackwater in Pakistan nimmt kein Ende (SB)


Kontroverse um Blackwater in Pakistan nimmt kein Ende

Jeremy Scahill deckt die Aktivitäten Blackwaters in Pakistan auf


In Pakistan nimmt die Sorge der Menschen, ihr Land gerate in den Strudel des Krieges zwischen der NATO und den Taliban im benachbarten Afghanistan, zu. Die Sorge ist mehr als berechtigt. Die Streitkräfte Islamabads liefern sich seit Wochen und Monaten in den Grenzregionen Südwasiristan, Bajaur und Swat-Tal heftige Kämpfe mit den pakistanischen Taliban. Wie man aus dem aufsehenerregenden Artikel Jane Mayers "The Predator War" in der 26.-Oktober-Ausgabe der Zeitschrift New Yorker erfährt, haben die USA seit dem Amtsantritt von Barack Obama als Präsident am 22. Februar mehr per Drohne durchgeführte Raketenangriffe auf "terroristische" Ziele im pakistanischen Grenzgebiet durchgeführt und dabei mehr Zivilisten getötet, als während der gesamten achtjährigen Amtszeit von George W. Bush.

In der pakistanischen Öffentlichkeit kursieren seit Monate Berichte, wonach Söldner des privaten US-Militärunternehmens Blackwater mit Einverständnis der Regierung in Islamabad in Pakistan dunklen, illegalen Umtrieben nachgehen. Sie werden verdächtigt, die CIA-Drohnen mit Hellfire-Raketen zu bestücken, des "Terrorismus" verdächtigte pakistanische Bürger zu entführen und/oder zu liquidieren u. v. m. In einer am 16. November bei Youtube veröffentlichten Videobotschaft hat Azam Tariq, Sprecher von Hakimullah Mehsuds Tehreek-e-Taliban, jede Verantwortung der pakistanischen Taliban für den blutigen Überfall auf die Islamische Universität in Islamabad am 20. Oktober und den verheerenden Anschlag auf einem Markt in der Stadt Peshawar am 28. Oktober, bei dem mehr als 100 Menschen ums Leben kamen, abgestritten und behauptet, beide Ereignisse sollten als propagandistische Flankierungsmaßnahme die Armeeoffensive in Südwasiristan begleiten und seien das Werk von Undercover-Agenten Blackwaters.

Das Thema Blackwater erhält auch Auftrieb durch die Pläne der USA, in Islamabad eine gigantische neue Botschaft und ähnlich überdimensionierte Konsulate in Lahore und Peshawar einzurichten, die jeweils mehreren hundert Mitarbeitern Platz bieten sollen. Man befürchtet, daß diese Anlagen zu Tummelplätzen von staatlichen und privaten Geheimdienstlern und Militärs aus den USA werden und daß deren Aufgabe in der Destabilisierung Pakistans bestehen wird, damit man am Ende dessen Legitimität soweit in Frage stellen kann, daß sich Islamabad gezwungen sieht, die pakistanischen Atombomben abzugeben. In der westlichen Presse werden solche Vermutungen als Beleg für den angeblichen Hang der Pakistaner zu Verschwörungstheorien abgetan. Anne Patterson, die US-Botschafterin in Islamabad, wird nicht müde zu behaupten, es gebe keine Blackwater-Leute in Pakistan. Der pakistanische Innenminister Rehmam Malik schlägt in dieselbe Kerbe und hat am 21. Oktober sogar seinen Rücktritt für den Fall angekündigt, daß eine Blackwater-Präsenz in Pakistan nachgewiesen werde. Die drastische Erklärung kam einen Tag, nachdem der High Court in Lahore aufgrund einer Beschwerde der Wattan-Partei in der Provinz Punjab das Bundesjustizministerium bis zum 3. Dezember aufgefordert hat, sich zu Berichten, daß die Regierung in Islamabad 200 Blackwater-Leute illegal - das heißt ohne Visum und bewaffnet - ins Land gelassen hätte, Stellung zu nehmen.

Die in Pakistan grassierenden Gerüchte über illegale Aktivitäten von Blackwater-Mitarbeitern als Verschwörungstheorien abzutun, wie es in den letzten Wochen unter anderem der Londoner Guardian, der Boston Globe und Christian Science Monitor getan haben, zeugt von Leichtfertigkeit, gepaart mit dem Wunsch, dubiose Aktiväten westlicher Geheimdienste herunterzuspielen. Solchen durchsichtigen Beschwichtigungsversuchen steht die berühmte, selbstherrliche Aussage der US-Senatorin Dianne Feinstein vom 12. Februar anläßlich einer Anhörung des von ihr geleiteten Geheimdienstausschusses des Oberhauses des Washingtoner Kongresses gegenüber, sie verstehe die Aufregung der pakistanischen Öffentlichkeit über die Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan nicht, wo doch diese von Basen in Pakistan aus geflogen würden. Mit diesem flapsigen Spruch hat Feinstein Pakistans Präsident Ali Asif Zardari, Premierminister Yousuf Raza Gilani und Innenminister Malik in eine Erklärungsnot gebracht, aus der diese seitdem den Weg nicht wieder herausgefunden haben. Eine weitere Bestätigung für den Verdacht, daß es irgendeine Art von Geheimabkommen zwischen Islamabad und Washington gibt und daß das pakistanische Volk von seinen führenden Politikern in Sachen nationaler Sicherheit nach Strich und Faden belogen wird, lieferte wenige Tage danach, nämlich am 17. Februar, die Londoner Times, die unter Verweis auf die Lieferung von rund 3 Millionen Litern des Flugbenzins F34 den Stützpunkt Shamsi in der dünnbesiedelten Provinz Belutschistan als den Ort identifizierte, von wo aus die US-Drohnen zu ihren Angriffen starten.

Diese und andere Enthüllungen der letzten Monate verblassen jedoch im Vergleich zu den Angaben, die Jeremy Scahill unter der überschrift "Blackwater's Secret War in Pakistan" am 23. November in der angesehenen linksliberalen US-Zeitschrift The Nation gemacht hat. In einem gut recherchierten Artikel packt Scahill, der wie kein zweiter die Geschichte von der mächtigsten Privatarmee der Welt verfolgt, seitenweise Einzelheiten über das aus, was Blackwater im Kriegsgebiet Af-Pak betreibt. Scahill bezieht sich dabei zum Teil auf mehrere anonyme Quellen, darunter ein ehemaliges Mitglied des US-Militärgeheimdienstes und ein ehemaliger Blackwater-Manager. Denen zufolge steht "innerhalb und außerhalb Pakistans" die Elitedivision Blackwater Select an vorderster Front des Kampfes des Pentagons und der CIA gegen Taliban und Al Kaida.

Laut Scahill arbeitet Blackwater Select für das US Joint Special Operations Command (JSOC) von einem geheimen Stützpunkt in der pakistanischen Hafenstadt Karatschi aus. Der Auftrag ist so geheim, daß die eigentlich zuständigen Politiker im Kongreß und Weißen Haus nichts darüber wissen. Die Blackwater-Mitarbeiter in Pakistan, allesamt ehemalige Navy Seals, Army Rangers und Ex-Fallschirmjäger, die jetzt bei Blackwater ihren früheren soldatischen Spezialaufgaben für viel mehr Geld nachgehen, machen Jagd auf Al Kaida und Taliban bis nach Zentralasien hinein, sichern Nachschubtransporte der NATO bis zur afghanischen Grenze, bilden die pakistanischen Streitkräfte aus und begleiten diese bei der Aufstandsbekämpfung in den paschtunischen Stammesgebieten. Nach Angaben Scahills beladen sie nicht nur in Shamsi, sondern auch auf einem zweiten geheimen Stützpunkt im südafghanischen Dschalalabad die Predator- und Reaper-Drohnen mit Hellfire-Raketen und bewachen auch noch beide Gelände.

Geheimhaltung - an der demokratischen Kontrolle vorbei natürlich - ist hier das A und O. Weil die CIA gegenüber dem Kongreß rechenschaftspflichtig ist, hatte damals Donald Rumsfeld die Spezialstreitkräfte für die echte "Drecksarbeit" geholt. Nach Angaben Scahills haben in den ersten Jahren des "globalen Antiterrorkrieges" Rumsfeld, Bush und Vizepräsident Dick Cheney das JSOC unter der Führung von dessen damaligem Stellvertretenden Oberbefehlshaber General Stanley McChrystal sozusagen als Sondertruppe des Weißen Hauses in den Kampf geschickt. Wenn man bedenkt, daß Obama nach erst drei Monaten im Amt den damaligen US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, General David McKiernan, frühzeitig entließ, um ihn gegen McChrystal auszutauschen und dabei ist, dessen Forderung nach einer Truppenaufstockung von rund 40.000 Mann nachzukommen, steht im Kriegsgebiet Af-Pak offenbar viel Blutvergießen bevor. Auf die Leute von Blackwater, das inzwischen offiziell Xe Services heißt, kommt jede Menge Arbeit zu.

25. November 2009

Siehe hierzu im SCHATTENBLICK unter BUCH\SACBUCH:

REZENSION/428: Jeremy Scahill - Blackwater (US-Militärpolitik) (SB)