Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

ASIEN/642: Geplanter US-Rüstungsdeal mit Taiwan erzürnt Peking (SB)


Geplanter US-Rüstungsdeal mit Taiwan erzürnt Peking

Patriot-Raketen für Taipeh könnten Einheit Chinas in Frage stellen


Der Plan der USA, modernes Rüstungsmaterial im Wert von 6,4 Milliarden Dollar an Taiwan zu verkaufen, bringt die Regierung der Volksrepublik China in Rage. Peking betrachtet den Inselstaat als abtrünnige Provinz und bemüht sich in letzter Zeit intensiv darum, Taiwan wirtschaftlich und kulturell wieder an das Mutterland heranzuführen. Das geplante Rüstungspaket, das schon länger im Gespräch ist, bringt die Volkschinesen vor allem deshalb auf, weil es mehr als 100 hochmoderne Patriot-3-Raketen enthält. Sollten diese auf der Insel installiert werden, würde Taiwan ähnlich Südkorea und Japan zum integrierten Teil des gegen China gerichteten Raketenabwehrsystems der USA werden. Also bildeten die Raketen nicht nur einen Schutz gegen mögliche Einverleibungsversuche der Volksrepublik, sondern stellten auch den völkerrechtlichen Anspruch Pekings auf Taiwan als unveräußerlichen Bestandteil des chinesischen Staatsterritoriums in Frage.

Am 29. Januar hat die für rüstungstechnologische Zusammenarbeit mit den US-Verbündeten zuständige Defense Security Co-operation Agency (DSCA) den Kongreß offiziell über den geplanten Waffenstransfer nach Taiwan informiert. Nach Angaben des DSCA soll das taiwanesische Militär demnächst 114 Patriot-Raketen vom Typ PAC-3 (2,81 Milliarden Dollar), 60 Kampfhubschrauber vom Typ Black Hawk (3,1 Milliarden Dollar), Kommunikationsausrüstung für die F-16-Flotte seiner Luftwaffe (340 Millionen Dollar), zwei Minensuchboote vom Typ Osprey (105 Millionen Dollar) und 12 seegestützte Harpoon-Raketen (37 Millionen Dollar), die sowohl vom Schiff als auch vom U-Boot aus abgefeuert werden können, erhalten. Allesamt sind das Waffen, die sich zur Abwehr jedweden Versuchs der Volksarmee, über die Taiwanstraße überzusetzen und Taiwan militärisch einzunehmen, besonders gut eignen. Jetzt hat der Kongreß 30 Tage, um über den geplanten Rüstungsverkauf zu beraten. Erheben die Senatoren und Kongreßabgeordneten keinen Einwand, wird mit der Waffenlieferung begonnen.

In einer ersten Stellungnahme Pekings auf die Benachrichtung des Kongresses durch die DSCA erklärte am selben Tag der stellvertretende chinesische Außenminister He Yafei, die geplante Waffenhilfe Washingtons für Taipeh würde für die amerikanisch-chinesischen Beziehungen "Folgen haben, die keine der beiden Seiten sehen möchte". In einer auf der Website des chinesischen Außenministeriums veröffentlichten Stellungnahme Hes hieß es: "Die Bekanntmachung der USA hinsichtlich geplanter Waffenverkäufe an Taiwan wird auf viele wichtige Gebiete des Austausches und der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern [China und Amerika] ernsthafte negative Folgen haben." Zuvor hatte man den US-Botschafter Jon Huntsman in das Außenamt in Peking einbestellt, ihn vor den möglichen Auswirkungen des Rüstungsverkaufs gewarnt und auf einen Verzicht auf das Vorhaben gedrängt.

Die Chancen, daß die Amerikaner Rücksicht auf die Warnungen Pekings nehmen, ist gering. Seit die Chinesen die Bemühungen der Amerikaner torpedieren, schwere Sanktionen gegen den Iran wegen dessen Atomprogramms zu verhängen, sind aus den USA immer mehr china-kritische Stellungnahmen zu vernehmen. War doch letztes Jahr die Rede von den großen Zwei, G-2, USA und China, die künftig die Lösung aller internationalen Probleme unter sich ausmachen würden, so befindet sich das Verhältnis der alten und der neuen Supermacht seit einigen Wochen im freien Fall. Die Regierung Barack Obamas, allen voran Außenministerin Hillary Clinton, greift China u. a. wegen Menschenrechtsverletzungen und Internetzensur an. Demnächst soll der Dalai Lama, den viele Tibeter als geistiges Oberhaupt verehren und den Peking für einen gefährlichen Separatisten hält, in Washington mit großen Ehren empfangen werden.

Als am 27. Januar eine Gruppe ranghoher Senatoren aus beiden großen Parteien, Demokraten und Republikaner, darunter Charles Schumer und John McCain, Präsident Obama schriftlich zur Verhängung einseitiger Sanktionen der USA gegen den Iran und alle Unternehmen, die mit dem "Regime" in Teheran Handel treiben, drängten, fiel der anti-chinesische Tonfall der Botschaft auf. In dem Brief an das Weiße Haus wurde angesichts der zunehmenden Zusammenarbeit zwischen Teheran und Peking vor allem auf dem Energiesektor die Frage aufgeworfen, ob die Volksrepublik "überhaupt daran interessiert" sei, "ein verantwortliches Mitglied des internationalen Systems zu sein". Steigen die Spannungen zwischen Peking und Washington weiter an, droht China von den USA zum "Schurkenstaat" erklärt zu werden.

30. Januar 2010