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ASIEN/677: UN-Diplomatie entschärft Koreakrise um Marineunglück (SB)


UN-Diplomatie entschärft Koreakrise um Marineunglück

Ausgewogene Resolution des UN-Sicherheitsrats sorgt für Entspannung


Für die maßlose Selbstgerechtigkeit, mit der sich tagein, tagaus die Macher der New York Times in ihren Leitartikeln zu diesem oder jenem Weltgeschehen melden, lieferte die Ausgabe des 11. Juli wieder ein absolutes Paradebeispiel. Unter der Überschrift "Security Council Blinks" wurde der politischen Führung aller 15 Mitgliedsländer des Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der Vorwurf gemacht, in der entsprechenden Stellungnahme vom 9. Juli zum Thema der Versenkung der südkoreanischen Korvette Cheonan - das heißt in der Konfrontation mit Nordkorea - als erster "geblinzelt" und damit kleinbeigegeben zu haben. Normalerweise ist man bei der einflußreichsten Zeitung der Welt im Ton gemäßigt und zieht eine friedliche, diplomatische Lösung internationaler Krisen vor. Bei sogenannten "Schurkenstaaten" wie Nordkorea oder dem Iran fällt bei der Redaktion von Amerikas "Paper of Record" jedoch schnell die liberale, humanistische Maske.

Bei der "Gray Lady" regte man sich darüber auf, daß in der Resolution der Sicherheitsrat einerseits seine "tiefe Sorge" über das Urteil einer von Vertretern der USA und ihrer Verbündeten besetzten, der Kontrolle des südkoreanischen Verteidigungsministeriums unterliegenden Untersuchungskommission, derzufolge die Cheonan von einem Torpedo der nordkoreanischen Marine versenkt wurde, zum Ausdruck gebracht, andererseits die Beteuerungen Pjöngjangs, mit dem Vorfall nicht das Geringste zu tun gehabt zu haben, "notiert" hatte. Wie von den USA und Südkorea gewollt, hätte es laut der NYT-Chefredaktion seitens des UN-Sicherheitsrats eine "klare Verurteilung" des "Akts unverschämter Aggression" der Nordkoreaner geben müssen, nur sei diese durch die Vertreter der Volksrepublik China, der Schutzmacht Nordkoreas, bis zur Bedeutungslosigkeit "verwässert" worden.

Unabhängige Beobachter vor allem in China und Südkorea sind von der Verantwortung Nordkoreas für die Versenkung der Cheonan und den Tod von 46 der 104 Besatzungsmitglieder am 26. März noch lange nicht so überzeugt, wie man sich am Times Square in Manhattan gibt. Wie der Schattenblick bereits in den vergangenen Monaten berichtet hat, hat die südkoreanische Presse nicht wenige Indizien aufgetan, die auf ein Unglück im Rahmen eines Kriegsspiels der Marinestreitkräfte Südkoreas und der USA hindeuten. Vor diesem Hintergrund war der Verzicht auf eine einseitige Verurteilung Nordkoreas durch den UN-Sicherheitsrat nicht nur angebracht, sondern stellte auch einen wichtigen Schritt zur Entschärfung der aufgeheizten Lage auf der koreanischen Halbinsel dar.

Quasi als Entgegenkommen dafür, daß Peking Pjöngjang vor einer riesigen Blamage mit schweren diplomatischen Konsequenzen bewahrt hatte, erklärte sich gleich am 10. Juli die Regierung Nordkoreas zur Rückkehr zu den Sechsergesprächen bereit. Bei diesen Verhandlungen versuchen seit Jahren bisher vergeblich die Unterhändler Chinas, Japans, Rußlands, der USA sowie Nord- und Südkoreas den sogenannten "Atomstreit" auf der koreanischen Halbinsel zu lösen. Im September 2005 war eine gerade erzielte, große Einigung vom US-Finanzministerium durch die Verhängung schwerer Sanktionen gegen die Banco Delta Asia in der chinesischen Sonderzone Makau, über die Nordkorea einen Großteil seines Außenhandels abwickelte, torpediert worden. Die Folgen des mutwilligen Eingriffs Washingtons waren die beiden nordkoreanischen Atomtests im Oktober 2006 und Mai vergangenen Jahres. Jedenfalls als weiterer positiver Schritt in Richtung Entspannung in Ostasien ist die Meldung der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap vom 11. Juli zu deuten, wonach das Kommando der von den USA angeführten Streitkräfte der Vereinten Nationen in Südkorea auf den Vorschlag der Nordkoreaner, die Militärs beider Seiten sollten sich gemeinsam mit den Ursachen für die Versenkung der Cheonan befassen, eingehen will.

12. Juli 2010