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ASIEN/686: USA richten dauerhafte Stützpunkte in Afghanistan ein (SB)


USA richten dauerhafte Stützpunkte in Afghanistan ein

Walter Pincus gibt die Langzeitplanung des Pentagons bekannt


Nach den Plänen von US-Präsident Barack Obama soll schon im kommenden Juli mit dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan begonnen werden. Nur unter dieser Bedingung hatte Obama im Dezember 2009 dem Drängen seiner Generäle nach Aufstockung der Zahl der am Hindukusch stationierten US-Soldaten um weitere 30.000 auf mehr als 100.000 zugestimmt. Seit einigen Tagen zeichnet sich jedoch bereits ab, daß es noch lange nach dem Ablauf der von Obama gesetzten Frist eine größere US-Truppenpräsenz in Afghanistan geben wird. Die Hinweise dafür sind den öffentlichen Äußerungen des neuen Oberkommandierenden in Afghanistan, US-General David Petraeus, der den geplanten Abzug vom Erfolg der eigenen Aufstandsbekämpfungstrategie gegen die Taliban abhängig machen will, zu entnehmen wie auch in Walter Pincus' aufschlußreichem Artikel, "Air base expansion plans reflect long-term investment in Afghanistan" ("Ausbau der Luftwaffenbasen spiegelt langfristige Investition in Afghanistan wider"), der am 23. August bei der Washington Post erschienen ist, zu finden.

Pincus, der seit Jahren zum Thema nationale Sicherheit für die Washington Post schreibt, berichtet vom Ausbau dreier Luftwaffenstützpunkte im Süden und im Norden Afghanistans, der seines Erachtens "die Pläne des Pentagons illustriert, in dem Land weiterhin millionenteure Anlagen zu errichten, um zunehmende US-Militäroperationen bis weit in die Zukunft zu unterstützen". Laut Pincus steht der Ausbau besagter US-Fliegerhorste in Afghanistan im Widerspruch zu den Plänen Obamas, denn "von keinem der drei Projekte ... erwartet man, daß es vor der zweiten Hälfte 2011 abgeschlossen sein wird". Alle drei Basen "sollen von den US-Streitkräften und nicht von ihren afghanischen Kameraden benutzt werden", so der Pulitzerpreisträger.

Bei dem ersten Projekt geht es um die Errichtung einer 100 Millionen Dollar teuren Anlage auf dem nördlich von Kabul liegenden Luftwaffenstützpunkt Shindand, in der man Hubschrauber der Spezialstreitkräfte, Drohnenflugzeuge, Büros, Wartungshangars, 14 Auftankfahrzeuge, eine Kommandozentrale, 60 Mann Personal und eine permanent verfügbare Menge an 40.000 Litern Flugzbenzin unterbringen will. Auf dem Camp Dyer der US-Marineinfanterie in der südafghanischen Provinz Helmand, von wo aus die US-Spezialstreitkräfte offenbar viele ihrer Einsätze durchführen, soll ebenfalls für rund 100 Millionen Dollar der Flugplatz erweitert werden, um dort mehr Flugzeuge und Hubschrauber unterbringen zu können. Derzeit ist laut Pincus' Verweis auf einen entsprechenden, dem Kongreß vorliegenden Finanzierungsantrag am Camp Dyer weder die Landebahn groß genug, noch gibt es genug Abstellplätze für "die Anzahl der benötigten Maschinen" des Special Operations Command.

Beim letzten der drei Vorhaben handelt es sich um den Ausbau des US-Luftwaffenstützpunktes im nordafghanischen Masar-i-Scharif - ebenfalls für 100 Millionen Dollar. Dort machen "zunehmende Operationen und eintreffender Nachschub mehr Rollbahnen und Parkraum für Hubschrauber und Starrflügelflugzeuge plus drei weitere Wartunghangars erforderlich". Nach Angaben von Pincus geht die geplante Erweiterung des Fliegerhorsts in Masar-i-Scharif zum Teil auf den Wunsch des US-Militärs zurück, dort die Starts bzw. Landungen von bis zu sechs Hubschraubern und zwei Flugzeugen gleichzeitig abwickeln zu können. Aus dem Finanzierungsantrag geht hervor, daß es sich bei den beiden Flugzeugtypen um die größten Transportmaschinen der US-Luftwaffe, die C-5 Galaxy und die C-17 Globemaster III, geht. Die Fähigkeit, zwei von ihnen in Masar-i-Scharif gleichzeitig starten oder landen zu können, soll nach Angaben des Pentagons dazu dienen, "große Logistik- und Unterstützungsoperationen in die Region hinein auszuweiten".

Für den Ausbau der Basen der neuen Afghanischen Nationalarmee (ANA) und der neuen afghanischen Polizei, die spätestens 2013 die Verantwortung für die Sicherheit im eigenen Lande übernehmen sollen, hat der US-Kongreß bereits 5,3 Milliarden Dollar bewilligt. Für das Fiskaljahr 2011 hat das Pentagon weitere 1,3 Milliarden Dollar für seine langfristigen Bauvorhaben in Afghanistan beantragt. Vor diesem Hintergrund schreibt Pincus: "Die drei Basen, die zwecks Verwendung durch die USA nach 2011 erweitert werden, weisen zwar auf die Erwartung fortgesetzter Kampfoperationen hin, sind aber nur Teil eines breiter angelegten Ausbaus der amerikanischen Einrichtungen im ganzen Land." Da stellt sich die Frage, ob Obama es mit dem angekündigten Beginn des Truppenabzugs im Juli 2011 überhaupt ernst meint bzw. ob nicht die US-Generalität unabhängig davon, wer im Weißen Haus Haus sitzt, am Hindukusch ihre eigene Außen- und Sicherheitspolitik betreibt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß bereits am 13. Januar 2009 und damit genau eine Woche vor der Amtseinführung Obamas als 44. Präsident der Vereinigten Staaten, Walter Pincus in der Washington Post den Artikel "U.S. Construction in Afghanistan Sign of Long Commitment" über die schon damals höchst rege Bautätigkeit des Pentagons in Afghanistan veröffentlichte. Damals schrieb er: "Der massive Bau von Kasernen, Ausbildungseinrichtungen, Hauptquartieren, Lagerhallen und Flugplätzen - in einem Umfang von bis zu vier Milliarden Dollar - zur Verwendung durch die amerikanischen und afghanischen Streitkräfte deutet auf ein langfristiges Engagement des US-Militärs zu einem Zeitpunkt hin, an dem der Kurs der designierten Obama-Regierung bezüglich des Afghanistankrieges noch nicht klar ist." Ungeachtet aller andersklingenden Verlautbarungen aus dem Weißen Haus oder dem State Department gab es - und gibt es bis heute - für die umfangreichen Maßnahmen zur Errichtung zahlreicher "dauerhafter" US-Militärstützpunkte in Afghanistan wie übrigens auch im Irak nur eine einzige plausible Erklärung: Die Amerikaner sind gekommen, um zu bleiben.

24. August 2010