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ASIEN/748: USA wollen auch nach 2014 in Afghanistan bleiben (SB)


USA wollen auch nach 2014 in Afghanistan bleiben

ISAF-Oberkommandierender Allen wirft NATO-Abzugspläne in den Müllkorb


Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 6. Oktober in Brüssel, bei dem sich Barack Obamas früherer CIA-Direktor Leon Panetta als neuer Pentagon-Chef vorstellt, steht neben Libyen Afghanistan ganz oben auf der Tagesordnung. Während die Militärintervention der nordatlantischen Allianz in Nordafrika nach dem gelungenen Sturz der Regierung Muammar Gaddhafis kurz vor dem Ende zu sein scheint - seit mehreren Tagen sind westliche Kampfjets keine Einsätze mehr geflogen - jährt sich der Einmarsch in Afghanistan, wo kein Ende der Kämpfe in Sicht ist und der Krieg immer noch mit voller Härte geführt wird, dieser Tage zum zehnten Mal. Beim großen NATO-Gipfel vor einem Jahr im portugiesischen Lissabon haben Barack Obama und die anderen NATO-Regierungschefs 2014 als Zeitpunkt genannt, bis zu dem die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan vollständig an die einheimische Armee und Polizei übergeben sein sollte. Doch anzunehmen, das laufe auf den Abzug aller westlichen Streitkräfte hinaus, wäre ein Irrtum.

Im ersten Amtsjahr als US-Präsident hatte sich Obama von seinen Generälen zu einer drastischen Aufstockung der Anzahl der in Afghanistan stationierten amerikanischen Soldaten von rund 40.000 auf mehr als 100.000 drängen lassen. Der damalige Generalstabschef Admiral Michael Mullen, der damalige CENTCOM-Chef David Petraeus - inzwischen Panettas Nachfolger bei der CIA - und der damalige ISAF-Oberkommandeur in Afghanistan General Stanley McChrystal hatten behauptet, mit den zusätzlichen Soldaten würden sie den Vormarsch der Taliban zum Erliegen bringen und die Aufständischen an den Verhandlungstisch zwingen. Gemäß dieses Szenarios hatte Obama von den Militärs das Versprechen erhalten, Mitte 2011 mit dem Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan beginnen zu können, um sich im präsidialen Wahlkampf 2012 als Kandidat präsentieren zu können, der die Kriege George W. Bushs im Irak und Afghanistan erfolgreich beenden konnte.

Die ausgeklügelten Pläne von Amerikas Aufstandsbekämpfungskoryphaeen ließen sich jedoch nicht in die Tat umsetzen. Weder gibt es Erfolge auf dem Schlachtfeld vorzuweisen, noch haben die Taliban die weiße Fahne gehißt und um die Aufnahme von Friedensgesprächen gebeten. Ganz im Gegenteil haben die bisherigen, hinter den Kulissen geführten Kontakte zwischen den beiden Kriegsparteien nur gezeigt, daß es keine Verhandlungsbasis gibt, denn zur Erfüllung der wichtigsten Forderung der Aufständischen, nämlich dem Abzug aller ausländischen Streitkräfte, sind die USA prinzipiell nicht bereit. Ähnlich wie im Irak stellt Washington bestenfalls die Heimholung der "kämpfenden" Truppen in Aussicht - wozu der Abzug von 10.000 US-Soldaten bis Ende dieses Jahres und weiterer 20.000 im Jahr 2012 gehört. Eine dauerhafte US-Militärpräsenz in Afghanistan, und sei es nur in Form von Ausbildern und Beratern der afghanischen Sicherheitskräfte, bleibt nach wie vor das oberste Ziel des Weißen Hauses und des Pentagons.

Nichts verdeutlicht dies besser als ein Interview, das General John Allen, der im Juli Petraeus als ISAF-Oberbefehlshaber gefolgt war, dem US-Fernsehsender CBS gegeben hat und am 4. Oktober ausgestrahlt worden ist. Hatte Obama am 1. Oktober noch verkündet, der Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan verliefe wie auf dem letztjährigen NATO-Gipfel beschlossen, so stellte Allen die aktuelle und künftige Lage ganz anders dar. Unter Verweis auf angebliche Erfolge im Kampf gegen Al Kaida und Taliban erklärte der Vier-Sterne-General:

Der Plan heißt siegen. Der Plan heißt erfolgreich sein. Einige Leute mögen glauben, wir würden infolge der Lissaboner Konferenz und des Übergangs 2014 abziehen, tatsächlich werden wir eine lange Zeit hier sein.

(...)

Ich glaube nicht, daß die NATO und ihre Verbündeten bereit sind, diese sehr instabile Region zu verlassen. Die Vereinigten Staaten wollen nicht, daß Pakistan versucht, aus Afghanistan einen Vasallenstaat zu machen. Wir haben es hier mit einer sehr komplizierten und einer sehr gefährlichen Region zu tun. Und ich denke, die US-Streitkräfte werden sehr lange hier sein.

6. Oktober 2011