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ASIEN/760: Das US-Militär drängt auf Verbleib in Afghanistan (SB)


Das US-Militär drängt auf Verbleib in Afghanistan

John McCain macht sich als Sprachrohr der Militaristen nützlich


Gegen Stabsfeldwebel Robert Bales ist am 23. März von einem Militärgericht in Fort Leavenworth, Kansas, Anklage wegen der Ermordung von 17 Zivilisten in Afghanistan - die meisten von ihnen Frauen und Kinder - erhoben worden. Das am 11. März in der Provinz Kandahar erfolgte Massaker hat in Afghanistan wütende Proteste ausgelöst und in den USA erneut Zweifel am Sinn und Zweck des inzwischen zehneinhalb Jahre andauernden Einsatzes der NATO am Hindukusch aufkommen lassen. Umfragen zufolge will die Mehrheit der Amerikaner, daß ihre Truppen nach Hause geholt werden. In den anderen NATO-Staaten ist die Ablehnung des Afghanistankrieges noch stärker ausgeprägt. Deswegen plant die NATO offiziell, alle ihre Streitkräfte bis 2014 aus Afghanistan abzuziehen. Bis dahin sollen die neue afghanische Armee und die Polizei selbst in der Lage sein, für die Sicherheit im Lande zu sorgen.

Gegen dieses Vorhaben regt sich jedoch Widerstand - vor allem in militaristischen Kreisen in den USA. Dies wurde am 22. März bei einem Auftritt des ISAF-Oberkommandeurs, US-General John Allen, vor dem verteidigungspolitischen Ausschuß des Senats in Washington deutlich. Angeführt von John McCain, dem einflußreichen republikanischen Senator aus Arizona, verliehen die Mitglieder des Oberhauses des amerikanischen Kongresses ihrer Sorge Ausdruck, daß die US-Öffentlichkeit angesichts der medialen Aufregung um das von Bales verübte Massaker von Defätismus erfaßt werden könnte und daß die Regierung in Washington auch nach der Präsidentenwahl im kommenden November sich veranlaßt sehen könnte, Afghanistan komplett zu räumen. Das dürfe nicht sein, so die Senatoren, schließlich hätten die USA bereits zu viele Ressourcen in die "Sicherheit" Afghanistans investiert. Des weiteren könnte ein vollständiger Abzug der NATO-Streitkräfte aus Afghanistan als Sieg der Taliban gedeutet werden - eine in Washington inakzeptable Vorstellung.

Bis Ende dieses Jahres sollen die Anzahl der in Afghanistan stationierten US-Streitkräfte von derzeit 100.000 auf rund 68.000 verringert werden. Wie geht es aber danach weiter, wollten die Herren Senatoren von Marineinfanteriegeneral Allen wissen. Auch 2013 würde in Afghanistan heftig gekämpft werden; die NATO sei weiterhin auf dem Vormarsch, aber der Feind noch nicht endgültig besiegt worden; also wäre zusätzlich zu den rund 40.000 Soldaten der NATO und den mehr als 200.000 Soldaten und Polizisten Afghanistans eine beträchtliche Streitmacht der USA vonnöten, so Allen. Ob dann 68.000 Soldaten ausreichen würden, fragte der Vietnamkriegsveteran McCain, der sich selbst für den Politiker in der USA mit dem größten militärischen Sachverstand hält. Allen meinte, 68.000 sei "für den Anfang eine gute Zahl", er müsse jedoch den Verlauf der Kampfsaison des kommenden Sommers abwarten, bevor er Präsident Obama eine konkrete Empfehlung machen könne.

Am interessantesten an der Befragung von Allen war dessen Eintritt für den Verbleib eines größeren Kontingents an US-Streitkräften in Afghanistan, auch nach dem offiziellen NATO-Abzugstermin 2014. Derzeit handeln Vertreter Washingtons mit denen des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ein Abkommen über eine langfristige Sicherheitspartnerschaft aus. Die Verhandlungen sollen schwierig laufen. Presseberichten zufolge drängen die Amerikaner auf den Erhalt von fünf bis sechs größeren Stützpunkten. Allen begründete seine Forderung nach eine Verlängerung der NATO-Mission in Afghanistan nach 2014 mit der Aussage, es dürfe dort kein "Sicherheitsvakuum" entstehen. Über den Kampf gegen Al Kaida oder die Verhinderung eines zweiten 9/11 verlor er kein Wort. Somit bestätigt sich der Verdacht, daß die Jagd nach Osama Bin Laden nur ein Vorwand war und daß der eigentliche Zweck der Afghanistan-Invasion in der Besetzung eines geopolitisch wichtigen Landes mitten in Zentralasien und in der Nähe zu Rußland und China war.

24. März 2012