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ASIEN/785: Tätowierter Taliban sorgt in Pakistan für Spekulation (SB)


Tätowierter Taliban sorgt in Pakistan für Spekulation

Stecken ausländische Mächte hinter den pakistanischen Taliban?



Sechs Monate vor den Parlamentswahlen in Pakistan haben die pakistanischen Taliban in der Grenzregion zu Afghanistan offenbar eine neue Offensive gestartet. Am 15. Dezember griffen schwerbewaffnete Männer den von zivilen und militärischen Maschinen benutzten Flughafen von Peshawar, Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, an. Es kamen dabei 15 Menschen - 10 Angreifer und 5 Zivilisten - ums Leben. Dutzende weitere Personen wurden verletzt. Am 17. Dezember starben 17 Menschen, als in der Stadt Jamrud, die unweit von Peshawar in Khyber liegt, einem der von den Bundesbehörden in Islamabad verwalteten Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas - FATA) entlang der afghanischen Grenze, eine Autobombe vor einem Amtsgebäude explodierte. Viele der Todesopfer waren Frauen und Kinder, die an einer Bushaltestelle warteten, als die Bombe ferngezündet wurde. Die Behörden gaben die Zahl der Verletzten des Anschlages von Jamrud mit 44 an. Zu beiden Aktionen hat sich die Führung der aus Nordwasiristan operierenden Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) bekannt. Doch wer hinter der pakistanischen Taliban steckt, ist vielen Pakistanern unklar.

Bei fünf der getöteten Teilnehmer der gescheiterten Erstürmung des Flughafens von Peshawar handelt es sich nach Angaben der pakistanischen Behörden um Bürger Usbekistans. Die Angreifer waren in zwei Gruppen unterteilt. Die eine schoß mit einer Rakete zunächst den Weg auf das Flughafengelände frei. Doch ein mit einer größeren Bombe präpariertes Auto explodierte, kurz nachdem es durch die Lücke in der Außenmauer gefahren war, und tötete alle Fahrzeuginsassen. Praktisch gleichzeitig nahm aus einer anderen Richtung die zweite Gruppe, die sich vorher in einem Gebäude mit Blick auf den Flughafen versteckt hatte, das dortige Militärpersonal unter Beschuß. Nach einem rund einstündigen Feuergefecht ließen die Angreifer schließlich von ihrem Vorhaben ab. Während einige tot zurückblieben, ergriffen die Überlebenden die Flucht. Anschließend stellte die Polizei mehrere Sprengstoffgürtel, Waffen und Munition sicher.

Eine überraschende Entdeckung bei den Aufräumarbeiten hat in Pakistan und darüber hinaus für eine aufgeregte Diskussion gesorgt. Auf dem Rücken eines der getöteten TTP-Kämpfer befand sich ein großes Tattoo, das den Kopf eines Dämonen oder Drachen darstellte. Seit Bilder der Tätowierung in der pakistanischen Presse veröffentlicht wurden, versuchen sich viele Menschen einen Reim daraus zu machen. Nach Angaben der Behörden handelt es sich um das erste Mal, daß man bei einem getöteten oder gefangengenommenen Mitglied der pakistanischen Taliban auf eine solche "westliche" Tätowierung gestoßen ist.

Weil Tattoos in der islamischen Welt eigentlich sehr verpönt sind, sehen einige Beobachter in der Tätowierung den Beweis dafür erbracht, daß zumindest einige der pakistanischen Taliban keine streng gläubigen Moslems sind und keinen Dschihad im religiös-militärischen Sinne führen. Es gibt unbestätigte Meldungen, wonach der tatöwierte Mann nicht zu den Selbstmordattentätern gehörte, sondern bei der Erstürmung des Flughafens eine leitende Funktion innehatte und nur durch Zufall von einer Kugel der Sicherheitskräfte getötet wurde. Es wird deshalb spekuliert, ob es sich bei diesem Mann um das Mitglied eines ausländischen Geheimdienstes oder Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens handeln könnte.

Seit dem Aufkommen der pakistanischen Taliban im Jahr 2007 hält sich in Pakistan hartnäckig der Verdacht, daß die USA dahinter stecken könnten, die es den Pakistanern wegen Islamabads Unterstützung der afghanischen Taliban um Mullah Mohammed Omar in gleicher Münze heimzahlen wollen. Man verweist in diesem Zusammenhang gern auf David Coleman Headley, der als Agent der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA die Anschläge, die Ende 2008 im indischen Mumbai 168 Menschen das Leben kosteten, geplant und vorbereitet hat, sowie auf den CIA-Mitarbeiter Raymond Davis, der im Januar 2011 am hellichten Tag auf einer Straßenkreuzung im Lahore zwei Männer - angeblich seine Beschatter vom pakistanischen Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) - kaltblütig erschoß; Davis wurde zwei Monate später nach Bezahlung eines Schmerzengeldes an die Opferfamilien freigelassen. Auf seinem Mobiltelefon hat die pakistanische Polizei nach eigenen Angaben Bilder von Militärinstallationen an der Grenze zu Indien sowie die Telefonnummern einschlägig bekannter Personen aus der islamistisch-"terroristischen" Szene in der Grenzregion zu Afghanistan gefunden.

19. Dezember 2012