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ASIEN/802: CIA tötet Pakistans Talibanchef Hakimullah Mehsud (SB)


CIA tötet Pakistans Talibanchef Hakimullah Mehsud

Langley übt Vergeltung für den Angriff auf FOB Chapman 2009



Totgesagte leben länger. Auf Hakimullah Mehsud traf dieses Sprichwort eine Zeitlang zu. Seit seinem Aufstieg mit nur 29 Jahren zum Chef der pakistanischen Taliban infolge eines Raketenangriffs der CIA auf seinen älteren Vetter Baitullah Mehsud im August 2009 hatten die US-Behörden mehrmals die Tötung Hakimullah Mehsuds bekanntgegeben. Jedesmal stellte sich jedoch die Erfolgsmeldung als verfrüht heraus. Am 1. November scheint die Glückssträhne des Anführers der pakistanischen Taliban gerissen zu sein. Die Nachricht von seiner Hinrichtung durch einen an diesem Tag per Drohne durchgeführten Raketenangriff der CIA in der Grenzregion Nordwasiristan ist nur wenige Stunden später von den pakistanischen Taliban selbst bestätigt worden. Was dies für die Bemühungen der Regierungen in Kabul, Islamabad und Washington um einen Frieden mit den Taliban auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze bedeutet, muß sich noch zeigen.

Angeblich auf Drängen Afghanistans und der USA hatten die pakistanischen Behörden am 21. September Mullah Abdul Ghani Baradar, einst ein hochrangiger Vertreter der afghanischen Taliban, freigelassen. Wenn es nach Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai und seinen US-Amtskollegen Barack Obama geht, soll sich Baradar bei der Führung der afghanischen Taliban um Mullah Mohammed Omar für ein Ende ihres bewaffneten Kampfs stark machen. Inwieweit Baradar die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen kann, ist unklar. Die USA verhandeln derzeit mit der Karsai-Regierung über ein State of Forces Agreement (SOFA), das den Verbleib von rund 10.000 amerikanischen Soldaten in Afghanistan nach dem offiziellen Abzug der NATO 2014 ermöglichen soll. Das Pentagon insistiert darauf, daß durch das SOFA die US-Soldaten in Afghanistan nicht den Gesetzen des Gastlandes unterworfen sein dürfen. Kabul lehnt die Forderung bisher ab. Eine Loya Jirga, eine Versammlung der afghanischen Stammesältesten, soll in den kommenden Wochen über das Abkommen abstimmen.

Bis heute hat es nicht das geringste Anzeichen dafür gegeben, daß die Taliban von ihrer Kernforderung, dem Abzug aller ausländischen Soldaten aus Afghanistan, abrücken und sich mit einer dauerhaften US-Militärpräsenz am Hindukusch abfinden. Im Gegenteil, die Vertreter des Islamischen Emirats Afghanistan haben in ihren Stellungnahmen der letzten Monate die laufenden Verhandlungen zwischen Kabul und Washington kritisch kommentiert und sich darauf festgelegt, daß ihre Waffen erst schweigen werden, wenn alle ausländischen Besatzungstruppen Afghanistan verlassen haben.

In Pakistan ist bekanntlich die Ablehnung der CIA-Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan groß. Über das strittige Thema sprach am 22. Oktober Pakistans alter und neuer Premierminister Nawaz Sharif bei einem Besuch im Weißen Haus mit US-Präsident Obama. Im Anschluß kündigten die USA Finanzhilfe für Pakistan in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar an, was eine gewisse Entspannung in den bilateralen Beziehungen zur Folge hatte. Dessenungeachtet hat am 31. Oktober Oppositionsführer Imran Khan, dessen Bewegung für Gerechtigkeit in der Grenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa regiert, mit einer Blockade der Nachschubtransporte für die NATO nach Afghanistan gedroht, sollten die Drohnenangriffe nicht eingestellt werden.

Wie es der Zufall will, erfolgte das CIA-Attentat auf Hakimullah Mehsud nur wenige Stunden nachdem die Zentralregierung in Islamabad die Aufnahme von Verhandlungen mit den pakistanischen Taliban, um letztere zu einem Waffenstillstand zu bewegen, angekündigt hatte. Deswegen warf Innenminister Chaudry Nisar Ali Khan nach Bekanntwerden der Liquidierung des Anführers der pakistanischen Taliban den USA vor, in Pakistan "die Friedensgespräche zu torpedieren". Den Verantwortlichen in Washington dürfte es vor allem darum gegangen sein, demonstrativ jenen Mann zur Strecke zu bringen, der für den tödlichsten Angriff auf die CIA seit Beginn des Afghanistankrieges, nämlich den Selbstmordanschlag auf der Forward Operating Base (FOB) Chapman der US-Streitkräfte in der afghanischen Provinz Khost am 30. Dezember 2009, verantwortlich war. Dabei fanden fünf CIA-Außendienstler, zwei Söldner des Sicherheitsunternehmens Xe Services, früher Blackwater genannt, und ein Mitarbeiter des jordanischen Geheimdienstes General Intelligence Department (GID) den Tod. Jedenfalls sind die Kräfteverhältnisse bei den afghanischen und pakistanischen Taliban für Außenstehende viel zu undurchsichtig, als daß man infolge des Ablebens Hakimullah Mehsuds eine Stärkung der Falken bzw. der Tauben prognostizieren könnte.

2. November 2013