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ASIEN/855: Die USA fordern China im Südchinesischen Meer heraus (SB)


Die USA fordern China im Südchinesischen Meer heraus

Wie weit geht die US-Marine mit ihrer Freiheit der Schiffahrt?


Scheinbar unaufhaltsam steigern sich die USA und die Volksrepublik China in eine brandgefährliche Konfrontation im Südchinesischen Meer hinein. Das Telefonat, mit dem am 9. Februar der neue US-Präsident Donald Trump seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zusicherte, entgegen früheren Äußerungen doch noch die seit 1972 bestehende Ein-China-Politik Washingtons anzuerkennen und von einer diplomatischen Aufwertung der Insel Taiwan, die Peking als abtrünnige Provinz betrachtet, abzusehen, hat zwar die Gemüter erst einmal beruhigt, jedoch an der Grundtendenz in Richtung Krieg nichts verändert. Seit 2010 Barack Obamas Außenministerin Hillary Clinton die Durchsetzung der freien Schiffahrt im Südchinesischen Meer zum "nationalen Interesse" der USA erklärte, rüsten beide Seiten kontinuierlich auf.

Während das Pentagon Marines im nordaustralischen Darwin stationiert, verstärkt U-Boote und Langstreckenbomber nach Guam verlegt und in Japan und Südkorea wichtige Komponenten des amerikanischen Raketenabwehrsystems installiert, bauen die Chinesen mittels Sandaufschüttung fleißig sieben Riffe und Inseln zu regelrechten Festungen aus, um ihren Territorialansprüchen im Südchinesischen Meer Nachdruck zu verleihen. Mit der im März 2016 geäußerten Aussage, die USA und China würden sich "innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre einen Krieg liefern", dürfte Trumps wichtigster Berater Steve Bannon Recht behalten. Derzeit sieht es sogar aus, als könnte der befürchtete Waffengang zwischen der bestehenden und der aufstrebenden Supermacht, der ominöse Erinnerungen an die Konkurrenz zwischen dem deutschen Kaiserreich von Wilhelm II. und dem viktorianisch-edwardianischen British Empire weckt, die in das Blutbad des Ersten Weltkriegs mündete, noch früher als von Bannon prognostiziert stattfinden.

Aktuell zeigt sich China bemüht, seine Differenzen mit den anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers, allen voran mit den Philippinen und Vietnam, in bilateralen Verhandlungen bzw. im Rahmen der Beratungen der ASEAN-Gruppe, deren nächstes Gipfeltreffen Ende April in Manila stattfindet, zu lösen. Mit Rodrigo Duterte, der letztes Jahr zum Präsidenten der Philippinen gewählt wurde, hat es die Volksrepublik mit einem Staatsmann zu tun, der einen für Manila und Peking zufriedenstellenden Ausweg aus dem Disput über die Hoheit der Spratley Inseln sucht und im Gegensatz zur Vorgängerregierung Benigno Aquinos nicht gewillt ist, sich von Washington instrumentalisieren zu lassen. Ende Januar hat Duterte die Volksrepublik ausdrücklich um die Entsendung einiger chinesischer Marineschiffe gebeten, um des Problems der Piraterie durch die islamistische Gruppe Abu Sayyaf in der Sulu See zwischen den südlichen Philippinen und den Inseln Ostmalaysiens Herr zu werden.

Bei ihrem Treffen am 21. Februar auf der Insel Borocay sprachen sich die ASEAN-Außenminister gegen die "Militarisierung" des Südchinesischen Meeres aus. Der philippinische Außenminister Perfecto Yasay, dessen Land derzeit den ASEAN-Vorsitz innehat, gab sich am Ende der Beratungen zuversichtlich, daß die Gruppe bis Juni bzw. Juli einen Rahmenvertrag samt Verhaltenskodex ausgearbeitet haben wird, der es künftig möglich macht, Zwischenfälle und Konflikte aufgrund der komplizierten, zum Teil überlappenden Territorialansprüchen im Südchinesischen Meer zu vermeiden. In einem dazu passenden Kommentar der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurde der Fortschritt bei den ASEAN-Beratungen als "positives Signal ... an auswärtige Störenfriede, daß sie aufhören können, Wellen zu schlagen" gewertet.

Doch es widerspräche dem globalen Führungsanspruch der USA, würden diese die Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers ihre Probleme unter sich regeln lassen. Der Einflußgewinn für Peking käme für Washington einem unerträglichen Prestigeverlust gleich. Dazu kommt, daß sich die USA mit ihren zwölf Flugzeugträgern samt jeweils dazugehörigen Kampfflotten berufen fühlen, ihre eigene Vorstellung von freier Schiffahrt auf allen Weltmeeren bis an die Zwölf-Meilen-Seegrenze jeden Staates durchzusetzen. Was Washington als Dienst an der Menschheit verkauft hat vor allem die Funktion, keine maritimen Einflußsphären anderer Großmächte entstehen zu lassen.

Deswegen sind die USA nicht gewillt, den von China forcierten Ausbau von sieben Riffen und Inseln im Südosten des Südchinesischen Meers hinzunehmen. Das hat Rex Tillerson Ende Januar bei der Anhörung im Senat zu seiner Nominierung zum neuen US-Außenminister mehr als deutlich gemacht. Auf die martialischen Worte des ehemaligen Exxon-Vorstandsvorsitzenden folgen inzwischen Taten. Am 18. Februar hat der US-Flugzeugträger Vinson mit Patrouillenfahrten im Südchinesischen Meer begonnen. Wie lange sie andauern werden, ist unklar. Ob ein Schiff oder ein Flugzeug der Vinson-Kampfgruppe in die Zwölf-Meile-Zone um die eine oder andere chinesische Insel eindringt, muß sich noch zeigen. Sollte es dazu kommen, wäre es eine schwere Provokation, auf die eine Gegenreaktion seitens der Volksrepublik vorprogrammiert wäre.

In einem Bericht, der am 22. Februar erschienen ist, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters zwei nicht namentlich genannte Vertreter der US-Regierung mit der Behauptung, das chinesische Militär habe auf den Riffen Subi, Mischief und Fiery Cross, die zu den Spratleys gehören, mehrere Betongebäude errichtet, deren Dächer laut Satellitenbildern zurückziehbar bzw. abnehmbar seien. Diesen Umstand werteten die zitierten Regierungsvertreter als eindeutigen Hinweis, daß in den Gebäuden Boden-Luft-Raketen stationiert werden sollten oder bereits worden sind. In der Reuters-Meldung hieß es, die nicht ganz durchschaubaren Aktivitäten der Chinesen auf den Spratleys stellten "für US-Präsident Donald Trump eine erste Prüfung" dar. Wenn die Glaubwürdigkeit Amerikas auf dem Spiel steht, kann der Krieg nicht weit sein.

25. Februar 2017


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