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ASIEN/923: Koreakonflikt - Wolkenlächeln und Bodenkrieg ... (SB)


Koreakonflikt - Wolkenlächeln und Bodenkrieg ...


Im Vorfeld des zweiten Gipfeltreffens zwischen Donald Trump und Kim Jong-un Ende Februar in Hanoi war in den amerikanischen Leitmedien die große Sorge vermeintlicher Sicherheitsexperten, der US-Präsident könnte dem nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden zu weit entgegenkommen, unüberhörbar. In der New York Times zum Beispiel veröffentlichte Barack Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice einen Gastkommentar, in dem es hieß, eine Anerkennung Nordkoreas als Atommacht durch Trump wäre eines Friedensnobelpreises für den New Yorker Baulöwen nicht wert. Wie man inzwischen weiß, waren die Befürchtungen der Militaristen in Washington vor einer möglichen Abschwächung von Trumps "Politik des maximalen Drucks" gegenüber Pjöngjang reichlich hergeholt. Im Vorfeld des Treffens hat Trumps eigener Nationaler Sicherheitsberater John Bolton alle seine Kontakte im Kongreß, in den Medien sowie bei diversen Washingtoner Denkfabriken mit dem Versprechen besänftigt, Amerikas Interessen in Ostasien vor einem möglichen "Ausverkauf" durch Trump persönlich zu schützen. Das hat er auch getan. Aus den informiertesten Analysen des Treffens in Hanoi geht hervor, daß es Bolton war, der mit überzogenen Forderungen die Nordkoreaner zum Abbruch der Gespräche veranlaßte.

Wie nachhaltig Bolton den koreanischen Friedensprozeß beschädigt hat, zeigt die deprimierende Veränderung in der Position des US-Chefunterhändlers Stephen Biegun. Hatte dieser noch im Januar bei einer Rede an der Stanford Universität in Kalifornien eine abgestufte Lösung des Atomstreits mit Nordkorea nach dem Motto 'vorsichtiger Sanktionsabbau gegen überprüfbare Abrüstungsschritte' in Aussicht gestellt, so klingt dessen Einschätzungen inzwischen völlig anders. Es werde keine "schrittweise Denuklearisierung" Nordkoreas geben, darüber herrsche bei der Trump-Administration "völlige Einigkeit", erklärte Biegun am 11. März auf einer Konferenz der Carnegie Foundation in Washington zum Thema Atomwaffenpolitik.

Im Verlauf monatelanger Vorverhandlungen sollen sich Biegun und der Leiter der nordkoreanischen Delegation bei den Verhandlungen mit den USA, Kim Yong-chol, sehr wohl darüber verständigt haben, welche Maßnahmen Nordkorea unternehmen müßte, um in den Genuß erster Sanktionserleichterungen der USA zu kommen. Hierzu gehörte an erster Stelle die komplette Stillegung und Demontage des Forschungsinstituts Yongbyon samt Urananreicherungsanlage und der Plutoniumfabrik, und zwar unter Aufsicht amerikanischer sowie internationaler Fachleute. Um so erstaunter dürften Kim und seine Berater gewesen sein, als in Hanoi ihnen gegenüber auf der anderen Seite des großen Verhandlungstisches nicht Biegun, sondern Bolton neben Trump saß und er sie plötzlich mit der Forderung nach der Auflistung ihres gesamten Bestands nicht nur an nuklearen, sondern auch biologischen und chemischen Waffenmaterialien sowie Vorläuferprodukten provozierte.

Bereits als Staatssekretär im Außenministerium zuständig für internationalen Terrorismus und Rüstungskontrolle in der Regierung George W. Bushs hatte Bolton Anfang der Nuller-Jahre die Nordkoreaner dermaßen mit Vorwürfen und Gruselgeschichten über ihr "Regime" traktiert, daß sie ihn öffentlich als "menschlichen Abschaum" und "Blutsauger" beschimpften. Mit der drastischen Namensgebung lagen sie nicht so ganz falsch. Schließlich hat Bolton 2002 und 2003 an führender Stelle jenen erlogenen Vorwand für eine Irakinvasion produziert und publiziert - Stichwort "Massenvernichtungswaffen" -, was Hunderttausenden von Menschen das Leben gekostet und eine ganze Region bis heute destabilisiert hat. Die Herbeiführung einer Endabrechnung mit Saddam Hussein war Bolton damals dermaßen wichtig, daß er nicht darauf verzichtete, zur Jahreswende 2002/2003 persönlich nach Den Haag zu reisen und dort dem Leiter der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen, José Bustani, mit möglichen Folgen für dessen in den USA studierenden Söhnen zu drohen, sollte der brasilianische Diplomat noch vor dem angloamerikanischen Einmarsch in das Zweistromland Bagdad vom Vorwurf des Besitzes chemischer Kampfstoffe freisprechen.

Bereits im vergangenen Herbst hat Bolton mutwillig eine Krise in den Verhandlungen zwischen Pjöngjang und Washington herbeigeführt, als er öffentlich die "Libyen-Option" als optimalste aller Lösungen des "Problems" nordkoreanischen Atomwaffen pries. Mit der direkten Anspielung auf das Schicksal Muammar Gaddhafis, der sich 2003 von seinem Atomwaffenprogramm trennte und mit dem Westen Frieden schloß, nur um acht Jahre später von der NATO und ihren islamistischen Handlangern gestürzt und ermordet zu werden, hat Bolton erneut seine Brutalität offen zur Schau gestellt.

Doch ein sonderbarer Vorfall, der sich vor wenigen Wochen in Madrid ereignete, liefert weitere Indizien für die brandgefährliche Rücksichtlosigkeit der Trump-Regierung im allgemeinen, Boltons im besonderen. Nach einem sensationellen Bericht der führenden spanischen Zeitung El País vom 13. März haben am Nachmittag des 22. Februars zehn maskierte und bewaffnete Männer die Botschaft Nordkoreas im Diplomatenviertel Aravas gestürmt, die acht Mitarbeiter dort gefangen genommen, sie mit Schnüren gebunden, ihnen Säcke über die Köpfe gelegt, sie zusammengeschlagen und vernommen. Eine Frau konnte dennoch durch ein Fenster entkommen. Deren Hilfeschreie wurden von einem Nachbarn gehört, der wiederum die Polizei alarmierte. Als die Guardia Civil eintraf, öffnete ihr ein Mann die Eingangstür der Botschaft und erklärte, alles sei in Ordnung, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. "Minuten später verließen rasend schnell zwei Luxusautos das Botschaftsgelände. Die für die Flucht verwendeten Fahrzeuge gehörten der diplomatischen Mission [Nordkoreas - Anm. d. SB-Red.] und wurden später in einer nahegelegenen Straße aufgefunden", so El País.

In dem Artikel, der auf der englischsprachigen Seite des El-País-Internetportals unter der Überschrift "CIA implicated in attack on North Korean embassy in Madrid" erschienen ist, schreiben die Journalisten Miguel González und Patricia Ortega Dolz mit Verweis auf "Ermittler der spanischen Polizei und des Nationalen Geheimdienstzentrums (CNI)", an der Aktion sei keine Verbrecherbande, sondern eine "militärische Zelle", die absolut professionell vorgegangen sei, beteiligt gewesen - daran zu erkennen, daß sie lediglich Computer und Mobiltelefone mitgenommen habe. Die Quellen von González und Dolz, die an der "hochgeheimen Ermittlung" beteiligt sind, gehen davon aus, daß hinter der Aktion die CIA steckt. Laut Erkenntnissen bestand das Ziel der Operation darin, Informationen über Kim Yong-chol zu bekommen. Schließlich war Nordkoreas Chefunterhändler bei den Atomgesprächen mit den USA bis 2017 der Botschafter seines Landes in Madrid. Möglicherweise ging es bei dem Überfall weniger um Informationsbeschaffung als darum, Kim selbst eine "Botschaft" der unangenehmen Art zu übermitteln. So oder so dürfte ein solch eklatanter Verstoß gegen internationales Recht, was den Schutz von Diplomaten betrifft, nur mit dem Segen des von Bolton geleiteten Nationalen Sicherheitsrats und des US-Außenministeriums, wo bekanntlich Ex-CIA-Chef Mike Pompeo das Sagen hat, durchgeführt worden sein.

13. März 2019


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