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ASIEN/925: Koreakonflikt - gespaltenes Haupt ... (SB)


Koreakonflikt - gespaltenes Haupt ...


Einen Monat nach dem plötzlichen Abbruch der Verhandlungen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden Kim Jong-un Ende Februar in Hanoi herrscht beiderseits des Pazifiks eine gewisse Ratlosigkeit, wie es im sogenannten Friedensprozeß auf der koreanischen Halbinsel weitergehen soll, der 2018 maßgeblich durch die Vermittlung von Südkoreas linksliberalem Präsidenten Moon Jae-in in Schwung gekommen war. Haupthindernis auf dem Weg zur Beendigung des seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakriegs, zur Beilegung des Atomstreits zwischen Pjöngjang und Washington sowie zur koreanischen Wiedervereinigung sind Hardliner in den USA, die partout auf den strategischen Brückenkopf Südkorea in unmittelbarer Nähe des chinesischen Nordens samt der Hauptstadt Peking nicht zu verzichten bereit sind. Die Fraktion der Militaristen in der Trump-Regierung wird vom Nationalen Sicherheitsberater John Bolton angeführt, der bereits unter George W. Bush als Staatssekretär im Außenministerium und UN-Botschafter gezielt für Chaos und offene Feindseligkeit auf dem diplomatischen Parkett gesorgt hatte.

Vor dem Gipfeltreffen in der vietnamesischen Hauptstadt hatten sich nach monatelangen Diskussionen die Chefunterhändler Nordkoreas und der USA, Kim Yong-chol und Stephen Biegun, auf ein erstes Maßnahmenpaket verständigt, das den Friedensprozeß ein Stück weit vorangebracht hätte, so daß es beiden Delegationen möglich war, mit einem Erfolg in der Tasche nach Hause zurückzukehren. Der Mini-Deal, wie ihn Biegun noch im Januar bei einem Auftritt an der Stanford Universität in Kalifornien vor den versammelten Ostasienexperten der USA umrissen hatte, sah die Aufhebung einiger US-Sanktionen vor, um das wirtschaftliche Leiden der nordkoreanischen Bevölkerung zu lindern, wofür im Gegenzug Pjöngjang unter Aufsicht ausländischer Wissenschaftler die Atomanlage Yongbyon samt Urananreicherungsanlage und Plutoniumfabrik stillegen und demontieren sollte.

Dazu sollte es leider nicht kommen. Unbemerkt von der breiteren Öffentlichkeit brachen am 22. Februar maskierte und bewaffnete Männer in die nordkoreanische Botschaft in Madrid ein, mißhandelten das dortige Personal und verschwanden mit einigen gestohlenen Computern und Mobiltelefonen in schnellen Autos, gerade als die spanische Polizei, die von Nachbarn alarmiert worden waren, auftauchte. Hinter der Aktion vermutet Spaniens Geheimdienst die Kollegen von der CIA, auch wenn sich in der Zwischenzeit eine bis bis dahin unbekannte nordkoreanische Oppositionsgruppe zu dem Vorfall bekannt hat. Die Aktion weist alle Anzeichen einer gezielten Provokation auf. Schließlich war Nordkoreas Chefunterhändler bei den Atomgesprächen bis 2017 Botschafter seines Landes in Madrid. Laut Polizeiangaben haben die Einbrecher bei der Mißhandlung der Botschaftsangehörigen von diesen Informationen über Kim Yong-chol verlangt. Man darf annehmen, daß es den Teilnehmern der Kommando-Operation mitnichten um Erkenntnisgewinn, als vielmehr um die Aussendung einer eindeutigen Botschaft an die Führung in Pjöngjang ging.

Klugerweise hat Nordkorea nach außen hin nicht auf die Mißhandlung seiner Diplomaten in Madrid reagiert und den groben Verstoß gegen internationales Recht nicht einmal publik gemacht. Statt dessen reiste Kim samt Delegation nach Hanoi, traf sich dort am 28. Februar mit Trump und dinierte mit ihm in freundlicher, herzlicher Atmosphäre am selben Abend. Am nächsten Vormittag gerieten jedoch die Verhandlungen, bei denen die vorbereitete Vereinbarung zwischen Biegun und Kim Yong-chol von deren Chefs lediglich abgesegnet werden sollte, in schwieriges Fahrwasser. Angetrieben von Bolton und Außenminister Mike Pompeo verlangte Trump plötzlich die Stillegung nicht nur von Yongbyon, sondern auch von einer weiteren nahegelegenen, jedoch bis dahin geheim gebliebenen Urananreicherungsanlage. Trotz des "Schocks" - so die Formulierung der South China Morning Post vom 26. März - angesichts dieser überraschende Wendung soll sich Kim zur Erfüllung der zusätzlichen Forderung bereiterklärt, jedoch im Gegenzug die Aufhebung weiterer Sanktionen Washingtons verlangt haben. Dieser Bitte zu entsprechen sah sich der US-Präsident nicht imstande. Ohne Einigung, geschweige denn eine Annäherung, gingen die beiden Delegationen auseinander, wie es Bolton vermutlich von Anfang an geplant hatte.

Immerhin hat Trump Anfang März mit seiner überraschenden Entscheidung, die großen Frühlingsmanöver der südkoreanischen und amerikanischen Streitkräfte Key Resolve und Foal Eagle auszusetzen, die Gemüter in Pjöngjang etwas beruhigen können. Dennoch ist die nordkoreanische Führung auf Bolton und Pompeo stinksauer. Auf einer Pressekonferenz am 15. März warf Nordkoreas Außenminister Choe Son-hui den beiden vor, in Hanoi "eine Atmosphäre der Feindseligkeit und des Mißtrauens" verbreitet und somit versucht zu haben, das gute Verhältnis zwischen Trump und Kim zu torpedieren. Choe drohte sogar indirekt mit der Wiederaufnahme nordkoreanischer Raketen- und Atomtests, sollte Washington weiterhin einseitige Forderungen an die Adresse Pjöngjangs richten und sich selbst zu keinem Entgegenkommen bereit zeigen.

Am 21. März folgte aus Washington der nächste Querschuß, als das Finanzministerium Sanktionen gegen zwei chinesische Reedereien unter dem Vorwurf verhängte, sie betrieben weiterhin illegal Handel mit Nordkorea. Die Ankündigung wurde nicht im Finanzministerium selbst, sondern vor der Presse im Weißen Haus gemacht, was darauf hinweist, daß hinter der Veranstaltung der Nationale Sicherheitsberater steckte. Die Reaktion Pjöngjangs erfolgte prompt. Am 22. März, einem Freitag, zog die nordkoreanische Regierung ihre sämtlichen Mitarbeiter ab, die seit vergangenem Jahr im gemeinsamen Verbindungsbüro in Kaesong unweit der Demilitarisierten Zone (DMZ) am 38. Breitengrad den Kontakt zu Südkorea aufrechterhalten hatten. In Seoul war das Entsetzen groß. Die Vision von Präsident Moon hinsichtlich einer Wiederinbetriebnahme des Industrieparks in Kaesong, wo noch 2013 30.000 Nordkoreaner für 123 südkoreanischen Unternehmen gearbeitet hatten, drohte zu platzen.

Noch am selben Tag griff Trump ein und verkündete per Twitter die Aussetzung weiterer Sanktionen gegen Nordkorea. Zunächst dachten alle Beobachter, es handele sich um die Rücknahme der Sanktionen gegen die chinesischen Reedereien. Später stellte sich heraus, daß Trump mit der Maßnahme ein größeres Sanktionspaket verhindert hatte, mit dem das US-Finanzministerium die Volkswirtschaft Nordkoreas endgültig in die Knie zwingen wollte. Trumps schnelles Handeln hat eine Krise und eventuell sogar einen Abbruch der Kontakte zwischen Washington und Pjöngjang verhindert. Am Montag, den 25. März, erschienen die Nordkoreaner zur Arbeit im Verbindungsbüro in Kaesong, als wäre nichts passiert. In den kommenden Tagen reist Chefunterhändler Biegun erneut zu Gesprächen in die nordkoreanische Hauptstadt, um zu retten, was noch zu retten ist. Derweil gerät Trump seitens Konzernmedien wie der New York Times und Boltons neokonservativen Amigos wegen seines "ungewöhnlichen diplomatischen Stils" einschließlich seines Festhaltens am Prinzip Verhandlungen statt Krieg heftig in die Kritik.

28. März 2019


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