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ASIEN/934: Taiwan - die USA lädt nach ... (SB)


Taiwan - die USA lädt nach ...


Mit lautstarkem Protest hat China auf die am 8. Juli bekanntgegebene Entscheidung des Pentagons reagiert, Waffen im Wert von 2,6 Milliarden Dollar, darunter 108 schwere Panzer vom Typ M1A2-Abrams, 250 tragbare Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger sowie 1.240 Anti-Panzer-Raketen vom Typ TOW, an Taiwan zu verkaufen. Am 9. Juli erklärte Geng Shuang, Sprecher des Außenministeriums in Peking, Washingtons Rüstungsexport an Taipeh verstoße gegen internationales Recht und stelle eine "krude Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas", welche "die Souveränität und Sicherheitsinteressen der Volksrepublik" verletze, dar. Die Pressekonferenz beendete Geng mit der unzweideutigen Ermahnung: "Taiwan ist ein unteilbarer Teil des Territoriums Chinas und niemand sollte die Entschlossenheit seiner Regierung und seines Volks, die Souveränität und die territoriale Integrität des Staats zu verteidigen und sich ausländischer Einmischung zu widersetzen, unterschätzen."

Seit Donald Trump im November 2016 die US-Präsidentenwahl gewonnen hat, hat er keine Gelegenheit ausgelassen, Streit mit China zu provozieren. Nicht einmal als Präsident vereidigt, hat er Peking in Rage versetzt, als er, vollkommen unüblich, einen telefonischen Gratulationsanruf der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen entgegennahm. Als die USA 1979 formelle diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufnahm, ging das mit der Abwertung Taiwans, die sich seit dem Ende des Bürgerkriegs 1949 unter der Kuomintang Chiang Kai-schecks Republik China nannte, einher. Die USA bekannte sich zur pekingschen "Ein-China-Politik", wofür sich die Volkschinesen im Gegenzug verpflichteten, die Wiedervereinigung mit der abtrünnigen Insel niemals mit Gewalt, sondern ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu bewerkstelligen. Während die USA für Taiwan eine Sicherheitsgarantie abgab, nahm die Volksrepublik den Platz Taiwans als Vetomacht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein.

Der rasante Aufstieg Chinas zur größten Wirtschaftsmacht der Erde hat alte Animositäten bei der politischen Elite der USA geweckt. Unter Barack Obama hat die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton China mit der Ausrufung von Amerikas "pazifischem Jahrhundert" den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen. Auf die Containment-Strategie des Pentagons einschließlich der Verlegung größerer Militärkapazitäten nach Japan, Guam und Australien sowie der strategischen Annäherung an Indien reagierte die Volksrepublik mit der Beinah-Verwandlung des gesamten Südchinesischen Meers in einen chinesischen Binnensee mittels des Ausbaus zahlreicher unbewohnter Inseln und Riffe zu Festungen mit Raketenstellungen, Start- und Landebahnen sowie Hafenanlagen. Um Chinas Hoheit über besagte Objekte grundsätzlich in Frage zu stellen, führen US-Kriegsschiffe regelmäßig innerhalb der von der Volksrepublik jeweils beanspruchten Seegrenze von zwölf Seemeilen sogenannte "Freedom of Navigation Operations" durch. Die Behauptung Washingtons, derlei Aktionen dienten dem freien Handel und der Aufrechterhaltung des internationalen Schiffsverkehrs, ist natürlich Humbug. Kein Staat ist mehr auf die ungehinderte Schiffahrt im Südchinesischen Meer angewiesen als die Volksrepublik. Im Ernstfall sieht die operative Planung der USA für einen Krieg mit China - offizieller Name "AirSea Battle" - die Verhängung und Durchsetzung einer Seeblockade dort vor.

Seit dem Einzug Trumps ins Weiße Haus hat der Kongreß mit großer überparteilicher Mehrheit der Demokraten und Republikaner mehrere Gesetze verabschiedet, um Taiwan diplomatisch aufzuwerten. Des weiteren fahren US-Kriegsschiffe trotz Protesten aus Peking verstärkt durch die Taiwan-Straße. In Peking nimmt man die Entwicklung mit Sorge zur Kenntnis. Schließlich weigert sich Tsai seit ihrer Wahl 2016 zur taiwanesischen Präsidentin, sich zum "Ein-China-Prinzip" zu bekennen. Darum herrscht seit drei Jahren auf der politischen Ebene zwischen der Insel und dem Festland trotz der stetig wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen absolute Funkstille. Im Januar hat Chinas Präsident Xi Jinping die Wiedervereinigung der Volksrepublik mit Taiwan als "unvermeidlich" bezeichnet und ihre baldige Verwirklichung in Aussicht gestellt.

Das wollen die Amerikaner nicht ohne weiteres hinnehmen. Im Mai empfing John Bolton als erster Nationaler Sicherheitsberater der USA den taiwanesischen Amtskollegen, David Lee, in Washington. Etwa zur selben Zeit veröffentlichte die Defence Intelligence Agency (DIA) eine Studie, in der es hieß, Volksarmee und Volksmarine bereiteten eine überfallartige Landeoperation auf Taiwan zur See und per Luft vor, die es mit aller Macht zu verhindern gelte. Das jüngste Rüstungspaket für Taiwan ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Hinzu kommt die baldige Bewilligung des Verkaufs von 66 Kampfjets der neuesten Version des Typs F-16 an die taiwanesische Luftwaffe.

Inzwischen rückt Washington langsam, aber sicher von dem vor rund 50 Jahren von Richard Nixon und Mao Tse-dung vereinbarten Prinzip der Einheit Chinas ab. In dem am 1. Juli veröffentlichten "Indo-Pacific Strategy Report" des Pentagons hieß es: "Als Demokratien im Indo-Pazifik sind Singapur, Taiwan, Neuseeland und die Mongolei zuverlässige, fähige und natürliche Partner der Vereinigten Staaten. Alle vier Staaten tragen zu den Missionen der USA rund um die Welt bei und unternehmen aktiv Schritte, um eine freie und offene internationale Ordnung aufrechtzuerhalten." Die Stilisierung Chinas zur "revisionistischen Macht" in dem Bericht wird in Peking niemanden überraschen, wohingegen die Bezeichnung "Staat" für Taiwan bei den sicherheitspolitischen Entscheidungsträgern der Volksrepublik sämtliche Alarmglocken läuten lassen dürfte. Ende Juli wird Taiwans Präsidentin Tsai in New York, der Heimatstadt Trumps, erwartet. Man muß leider davon ausgehen, daß die Trump-Administration einen Weg finden wird, aus der Stippvisite Tsais an den Hudson einen "Staatsbesuch" zu machen und die Volksrepublik damit zu provozieren.

10. Juli 2019


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