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ASIEN/941: Koreakonflikt - alte Feindschaften ... (SB)


Koreakonflikt - alte Feindschaften ...


Auf der koreanischen Halbinsel nehmen die Spannungen wieder spürbar zu. Zwischen den USA und Nordkorea finden vorerst keine weiteren Friedensverhandlungen statt. Ende des Jahres läuft die im April vom nordkoreanischen Staatsratsvorsitzenden Kim Jong-un gesetzte Frist ab, innerhalb derer Washington gegenüber Pjöngjang ernsthaftes Entgegenkommen demonstrieren müßte. Sollte sich an der aktuellen Situation nichts ändern, droht der Rückfall in das Jahr 2017, als US-Präsident Donald Trump und Kim einander mit unflätigen Worten beschimpften und mit Krieg drohten.

Grund für den Stillstand in den Friedensverhandlungen ist die Weigerung der USA, im Gegenzug für die Außerdienststellung und Verschrottung der atomaren Forschungsanlage Yongbyon die gegen Nordkorea verhängten Wirtschaftssanktionen zu lockern, die nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisation Korea Peace Now allein 2018 3.968 Menschen, davon 3.193 Kinder unter fünf Jahren, das Leben gekostet haben. Statt dessen verlangt die Trump-Regierung die komplette Trennung Nordkoreas von seinem Atomwaffenarsenal, bevor mit dem Sanktionsabbau begonnen wird. An diesem Knotenpunkt ist im Februar das zweite Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim in Hanoi gescheitert. Die jüngsten Gespräche auf der Arbeitsebene im Oktober in Stockholm haben die Nordkoreaner nach nur einem Tag abgebrochen, angeblich weil der US-Chefunterhändler Stephen Biegun "mit leeren Händen" gekommen war.

Seitdem ist die Kritik Pjöngjangs an der starren Haltung Washingtons deutlicher geworden. Gegenüber der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur erklärte am 14. November Atomchefunterhändler Kim Myong-gil, in Pjöngjang bestehe keinerlei Interesse an weiteren Gesprächen mit den USA, solange diese nicht ihre "feindliche Politik" gegenüber Nordkorea "grundsätzlich" änderten. Bei diesem Anlaß gab Kim bekannt, daß Biegun beim letzten gemeinsamen Treffen in der schwedischen Hauptstadt die Unterzeichnung eines völkerrechtlichen Vertrages zwecks formeller Beendigung des sich seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakriegs und die gegenseitige Öffnung von Verbindungsbüros in Pjöngjang und Washington angeregt hatte, tat jedoch die beiden Initiativen als halbherzig und wenig substantiell ab.

Am 17. November hatte Trump per Twitter ein Treffen mit Kim Jong-un im Dezember angeregt, um den "Deal abzuschließen", und behauptet, er sei "der einzige", der eine Versöhnung zwischen den USA und Nordkorea besiegeln könne. Die offizielle Reaktion aus Pjöngjang, die am 19. November erfolgte, war mehr als ernüchternd. Zu Beginn tat man die Verschiebung eines für Dezember geplanten gemeinsamen Manövers der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte als halbherzige Geste ab und verlangte die dauerhafte Einstellung solcher gefährlichen Kriegspiele. Anschließend erklärte Außenamtssprecher Kim Kye-gwan, in Pjöngjang sei man an Gesprächen, die Nordkorea "nichts bringen" und lediglich ein "Geschenk" für Trump darstellten, mit denen der US-Präsident "prahlen" könne, nicht interessiert.

Insgesamt wird der Ton aus Pjöngjang merklich konfrontativer. Bei den Nordkoreanern sind offenbar die Hoffnungen des Jahres 2018 der Ernüchterung gewichen. Im Oktober hat Pjöngjang mit beleidigenden Worten Südkorea entweder zur Demontage oder Renovierung des Tourismuszentrums am Diamantenberg im östlichen Nordkorea, nahe der Demilitarisierten Zone am 38. Breitengrad, aufgefordert. Der Betrieb dort steht bis auf vereinzelte Begegnungen nordkoreanischer und südkoreanischen Familien seit der Erschießung eines südkoreanischen Touristen durch einen nordkoreanischen Soldaten im Jahre 2008 quasi still. Doch wegen der umfassenden Finanzsanktionen von USA und Vereinten Nationen sieht sich Südkorea nicht imstande, die Anlage wieder flottzumachen und den Betrieb wieder hochzufahren.

Am 7. November hat Pjöngjang Shinzo Abe als "Idioten" und "Schurken" bezeichnet, nachdem der japanische Premierminister einen nordkoreanischen Raketentest kritisiert hatte. Zwei Tage zuvor hat das nordkoreanische Außenministerium Joe Biden, der laut Umfragen aktuell das Feld der Bewerber um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten 2020 anführt, als "tollwütigen Hund" beschimpft, weil Barack Obamas Vizepräsident bei einem Wahlkampfauftritt Kim Jong-un als "Tyrannen" kritisiert hatte.

Währenddessen zeigt die Militärallianz in Ostasien, welche die USA vor Jahrzehnten gegenüber China, Rußland und Nordkorea errichtet haben, deutliche Risse. Wegen des anhaltenden Streits mit Seoul um angeblich fehlende Wiedergutmachung Japans für den Zweiten Weltkrieg hat Tokio im Juli "aus Sicherheitsgründen" den Export einiger wichtiger Chemikalien aus Japan nach Südkorea gestoppt, auf die die dortige High-Tech-Industrie angewiesen ist. Seoul hat sich mit dem Ausstieg aus dem General Security of Military Information Agreement (GSOMIA), das den nachrichtendienstlichen Austausch zwischen den USA, Japan und Südkorea gewährleisten soll, revanchiert.

Inzwischen hängt zwischen Seoul und Washington der Haussegen schief, weil Trump die jährliche Summe, die Südkorea zum Unterhalt der im Land stationierten 28.500 US-Soldaten aufbringen soll, von aktuell einer Milliarde Dollar in einem Schwung auf das Fünffache erhöhen will. Am 18. November brachen die Finanzverhandlungen beider Seiten darüber nach nur wenigen Minuten ab. Interessanterweise hatte einen Tag zuvor bei einer Regionalkonferenz in Bangkok Südkoreas Verteidigungsminister Jeong Kyeong-doo mit seinem chinesischen Amtskollegen Wei Fenghe ein Abkommen über die Einrichtung mehrerer telefonischer Hotlines sowie die verstärkte Zusammenarbeit ihrer Streitkräfte unterzeichnet.

22. November 2019


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