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EUROTREFF/010: US-Militärflüge über Shannon - Ed Horgan berichtet (SB)


US-Militärflüge über Shannon - Ed Horgan berichtet

Kommandant a. D. fürchtet Militarisierung Irlands durch EU und NATO


Edward Horgan gehört in Irland zu den prominentesten Kriegsgegnern. Seit acht Jahren führt der ehemalige Kommandant der Irischen Armee die Proteste gegen die Nutzung des zivilen Flughafens Shannon an der Atlantikküste im Westen Irlands an. Im Rahmen dieses Engagements ist er mehrmals vor Gericht gelandet. Auf der Konferenz "War, NATO and the Lisbon Treaty", die Horgan als internationaler Sekretär der Peace and Neutrality Alliance (PANA) mitorganisierte und die am 5. September am Park Inn Hotel am Flughafen Shannon stattfand, hatte der Schattenblick die Gelegenheit mit diesem eifrigen Friedensaktivisten zu sprechen.

Die Bilder von Flugzeugen, die das folgende Interview schmücken, hat die freiberufliche Journalistin Paula Geraghty allesamt am 5. September am Flughafen Shannon aufgenommen, weshalb sich die Schattenblick-Redaktion für die Nutzung derselben bei ihr herzlich bedanken möchte. Der Versuch des Schattenblicks, am nämlichen Tag eigene Fotos von den US-Militärmaschinen am Rollfeld in Shannon zu machen, ist unter Androhung der Hinzuziehung der Polizei vom Sicherheitspersonal des Flughafens unterbunden worden.

Ed Horgan (stehend), links von ihm Carol Fox von Pana und John Lannon von Shannonwatch.org

Ed Horgan (stehend), links von ihm Carol Fox von Pana und
John Lannon von Shannonwatch.org

SB: Dr. Horgan, könnten Sie uns erklären, wie es kommt, daß ein ehemaliger Offizier der irischen Streitkräfte zu einem der führenden Friedensaktivisten seines Landes geworden ist?

EH: Meiner Meinung nach war das ein ganz logischer Wandel oder Prozeß. Im Laufe meiner 22 Jahre währenden Militärkarriere habe ich für die irische Armee an mehreren UN-Friedensmissionen teilgenommen, unter anderem in Zypern und auf dem Sinai. Glücklicherweise war Irland als neutrales Land seit seiner Staatsgründung nicht direkt an Kriegen beteiligt. Mein Motiv, in den Sechziger Jahren in die Armee einzutreten, hatte zum Teil mit dem Aspekt der Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen in Übersee zu tun. Seit meiner Rückkehr ins Zivilleben habe ich zudem für die OSZE, die UNO und die Europäische Union an zwölf verschiedenen Wahlbeobachtungsmissionen teilgenommen. Wahrscheinlich werde ich sogar im November mit der Jimmy Carter-Gruppe in den Sudan reisen, um bei den Wahlen dort zu helfen.

SB: Hat Ihr Interesse an den Vorgängen auf dem Flughafen Shannon in der Hauptsache damit zu tun, daß Sie zufällig in der Nähe wohnen?

EH: Nicht wirklich. Der Hauptgrund, würde ich sagen, war die Verantwortung des Wissens. Durch meine Zeit beim Militär und durch Aufenthalte in Kriegsgebieten weiß ich, was Bomben anrichten können und was Krieg anrichten kann. In der Folge bin ich zu der strikten Auffassung gelangt, daß Irland sich nicht an solchen Aktivitäten beteiligen sollte. Obwohl wir nur ein kleines Land sind, haben wir über viele Jahre hinweg auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe in Übersee und der Friedenssicherung durch die Vereinten Nationen eine immense Arbeit geleistet. In den Neunzigern jedoch wurde unser bis dahin neutraler Standpunkt langsam zugunsten zunehmender Beteiligung an Militärallianzen aufgegeben - mit der NATO unter dem Vorwand der Partnerschaft für den Frieden und im Rahmen der Europäischen Union in Gestalt der sogenannten Kampfgruppen. Für mich war das, und ist es noch, von Grund auf falsch.

Da ich in der Nähe wohne, habe ich nach dem 11. September 2001 mitbekommen, daß das US-Militär den Flughafen Shannon benutzte. Das hat mich dazu veranlaßt, den ersten Friedensprotest auf dem Flughafen Shannon im November desselben Jahres zu organisieren. Ich glaube, es waren ungefähr ein Dutzend Menschen dabei. Die Proteste haben im Verlauf der Entwicklung, die zur Invasion des Irak im März 2003 führte, zugenommen; zeitweise haben einige Tausend Menschen teilgenommen. Aber mein ausschlaggebender Grund ist die Verantwortung des Wissens. Ich weiß, was Kriege anrichten, ich weiß, wie ungeeignet sie sind. In den vergangenen zehn Jahren habe ich mich auch akademisch weitergebildet. Ich habe meinen BA [Bachelor of Arts] in Geschichte und Politik gemacht, gefolgt von einem MA [Master of Arts] in Friedensforschung und habe gerade meinen Doktor in internationaler Friedensforschung gemacht.

SB: Wann haben Sie den Armeedienst quittiert?

EH: Ich habe die Armee 1986 verlassen.

SB: Und was war Ihr Rang, als Sie gingen?

EH: Ich bin als Kommandant oder Major im Alter von etwa vierzig Jahren ausgeschieden. Ich habe die Möglichkeit der Frühpensionierung in Anspruch genommen. Aus meinem Interesse an den Menschenrechten heraus habe ich viel in dem Bereich Flüchtlinge und Asylsuchende gearbeitet, unter anderem einige Jahre am Folterbetreuungszentrum für Asylsuchende in Dublin. In diesem Zusammenhang möchte ich unterstreichen, daß das grundlegende Menschenrecht das Recht auf Leben ist. Und wenn man jemanden tötet, nimmt man ihm alle Menschenrechte.

SB: Wofür genau benutzt das US-Militär den Flughafen Shannon?

EH: So gut wie für alles. Heute zum Beispiel steht ein US-Militärflugzeug, eine Hercules C-130, auf der Landebahn. Es ist seit ein paar Stunden hier und wird von einer Patrouille der irischen Armee bewacht. Das Flugzeug transportiert höchstwahrscheinlich Munition über den Flughafen Shannon. Und damit meine ich schwere Munition wie 500-Pfund-Bomben und aufwärts. Die kleineren Bomben werden auf andere Weise transportiert, aber das große Material kommt mit Maschinen wie der Hercules und dem C5-Militärtransportflugzeug. Die C130 hier heute ist wahrscheinlich mit Munition für die US-Truppen im Irak oder in Afghanistan beladen. Die Hercules wird auch für den Transport der Predator-Drohnen benutzt, die zur Zeit in Afghanistan und in Pakistan gegen mutmaßliche Taliban-Ziele eingesetzt werden, z.B. für die Tötung mutmaßlicher Führer oder für Angriffe auf feindliche Stellungen.

Besagte Hercules C-130 © Paula Geraghty

Besagte Hercules C-130 © Paula Geraghty

SB: Werden dann auch die Hellfire-Raketen, die von den Drohnen abgefeuert werden, mit ihnen zusammen transportiert?

EH: Ja, absolut. Also klar, wir wissen nicht, was jedes einzelne Flugzeug enthält. Aber wir wissen, daß die Hercules-Maschinen im besonderen, die über Shannon fliegen, selten Truppen transportieren. Normalerweise transportieren sie ausschließlich Kriegsmaterial.

SB: Die Truppen scheinen vorwiegend von kommerziellen Fluglinien befördert zu werden. Ist das korrekt?

EH: Ja. Und wir haben hier im Moment ein Flugzeug von Omni Air International auf dem Flughafen mit rund 200 US-Soldaten. Wir sind nicht sicher, ob sie auf dem Weg ins Kriegsgebiet sind oder von dort zurückkehren. Welches von beiden auch immer, jetzt, während wir hier sprechen, befinden sich diese Soldaten gerade im Terminalgebäude.

Besagte Maschine der Omni Air International (c) Paula Geraghty

Besagte Maschine der Omni Air International (c) Paula Geraghty

SB: Bis zum 11. September 2001 ist es dem amerikanischen Militärimperium gelungen zu überleben, ohne sich des Flughafens Shannon bedienen zu müssen. Britannien ist in der NATO, also gibt es dort viele Luftstützpunkte, wie auch in den Küstenregionen Kontinentaleuropas. Warum, meinen Sie, hat das US-Militär überhaupt angefangen, Shannon zu nutzen?

EH: Erstens denke ich, daß es ein Schachzug unserer eigenen Politiker war, insbesondere des damaligen Taoiseach [Premierminister] Bertie Ahern, um sich bei der Administration von George W. Bush lieb Kind zu machen. Ahern hat die US-Regierung richtiggehend eingeladen, den Flughafen Shannon für den Krieg in Afghanistan zu benutzen. Zweitens meine ich, daß die Bush-Regierung - zusätzlich zu den NATO-Mitgliedern - so viele Länder wie möglich als Teil der sogenannten Koalition der Willigen an der Irak-Invasion im März 2003 und der anschließenden Besetzung beteiligen wollte. Natürlich hätte ein neutrales Land wie Irland nichts mit alldem zu tun haben sollen. Im nachhinein betrachtet hätte sich kein Land, ob neutral oder nicht, beteiligen dürfen, weil die Aktionen der Bush-Administration, einschließlich der Folterflüge, die via Shannon stattgefunden haben, vollkommen illegal waren und internationales Recht sowie die Menschenrechte in jeder Hinsicht gebrochen haben.

Die Markierungen auf dem Container vor der Maschine der Omni Air International - 'PROPERTY OF RAF BRIZE NORTON' lassen erkennen, daß der Flughafen Shannon inzwischen auch benutzt wird, um Frachtgut der königlichen britischen Luftwaffe zu transportieren (c) Paula Geraghty Die Markierungen auf dem Container vor der Maschine der Omni Air International - 'ROYAL AIR FORCE' lassen erkennen, daß der Flughafen Shannon inzwischen auch benutzt wird, um Frachtgut der königlichen britischen Luftwaffe zu transportieren (c) Paula Geraghty

Die Markierungen auf dem Container vor der Maschine der Omni Air International - "PROPERTY OF RAF BRIZE NORTON" (Bild 1) und "ROYAL AIR FORCE" (Bild 2) lassen erkennen, daß der Flughafen Shannon inzwischen auch benutzt wird, um Frachtgut der königlichen britischen Luftwaffe zu transportieren (c) Paula Geraghty

SB: Sie beziehen sich jetzt auf die Frage der außerordentlichen Überstellungen. Wie wichtig ist die Rolle, die Shannon in dem ganzen Folterflugkomplex spielt?

EH: Eine sehr wichtige Rolle - es ist einer der Schlüsselflughäfen. Anders als die Militärflugzeuge, von denen die meisten in der Lage sind, Irland und Shannon zu überfliegen, haben die Privatjets wie die Gulf Stream IV, die von der CIA für die außerordentlichen Überstellungen verwendet werden, eine begrenzte Reichweite von um die 4000 Meilen, was bedeutet, daß sie nicht direkt von den Vereinigten Staaten aufs europäische Festland fliegen können. Tatsächlich benutzen sie entweder eine nördliche oder eine südliche Route. Die nördliche Route führt von den Vereinigten Staaten nach Gander in Neufundland, Kanada, und von dort auf einen europäischen Flughafen (während des Zweiten Weltkriegs war diese Route, da sie im Grunde als einzige zur Verfügung stand, für die Alliierten immens wichtig). Also flogen sie von Gander nach Shannon und von dort aufs europäische Festland und weiter. Die südliche Route führt von Florida und Guantánamo und solchen Orten zu den Azoren oder den Kanarischen Inseln und von dort weiter nach Spanien oder Portugal. Beide Routen wurden weidlich genutzt.

SB: Neben Ihrer Mitgliedschaft bei PANA [Peace And Neutrality Alliance] sind Sie auch in einer Gruppe namens Shannon Watch aktiv, die nicht-zivile Flugzeuge protokolliert, die den Flughafen hier benutzen. Mit Blick auf Folteropfer wie Khalid Scheich Mohammed oder Khaled el-Masri, die mit diesen Flugzeugen transportiert wurden, wissen Sie eigentlich, wer in Shannon gelandet ist?

EH: Nein. Wir haben keine spezifischen Informationen über einzelne Gefangene, die über den Flughafen Shannon transportiert wurden. Wir sind der Überzeugung, daß sich das beizeiten herausstellen wird. Wir wissen von sechs Fällen - einschließlich, wenn ich das richtig erinnere, dem Fall von Khaled el-Masri -, in denen der Flughafen Shannon, entweder unmittelbar bevor der Gefangene zur Überstellung abgeholt wurde oder unmittelbar danach, benutzt wurde, um das Flugzeug aufzutanken. Wir haben also sechs dokumentierte Zwischenfälle, deren Details auf Shannonwatch.org nachzulesen sind. Bis jetzt waren wir jedoch nicht in der Lage, die einzelnen Opfer der außerordentlichen Überstellungen bestimmten Flügen zuzuordnen, die über den Flughafen Shannon gelaufen sind. Die Gefangenen waren in der Regel gefesselt, geknebelt und an den Fußboden dieser Flugzeuge gekettet, waren also offensichtlich nicht in der Lage zu erkennen, auf welchen Flughäfen sie sich befanden. Während sie auf der Rollbahn des Flughafens Shannon waren und das Flugzeug aufgetankt wurde, litten sie unter praktisch völligem Reizentzug, was allein an sich schon eine Form der Folter darstellt.

SB: Und was ist mit den beteiligten Unternehmen? In Verbindung mit den derzeitigen Untersuchungen des US-Justizministeriums zur Folterpraxis der Bush-Regierung wird sehr häufig Bezug auf die Rolle privater Unternehmen genommen. Man erhält den Eindruck, daß praktisch alle Flugzeuge des Programms zur außerordentlichen Überstellung in der Hand von Privatunternehmen waren. Ist das korrekt?

EH: Nein, ich denke, das könnte sogar zu Fehleinschätzungen führen. Es wurden nicht nur nicht alle Flüge von Privatunternehmen durchgeführt, es wurden sogar nicht alle auf Veranlassung der CIA durchgeführt. Das US-Militär, insbesondere die US Air Force, war massiv an dem Transport von Gefangenen beteiligt. Eine beträchtliche Zahl Gefangener wurde an Bord von Hercules C130-Maschinen aus dem "Größeren Nahen Osten" nach Guantánamo geflogen. Darüber hinaus haben CIA-Agenten Flugzeuge verwendet, die Privatunternehmen gehören. In einigen Fällen handelte es sich bei den Firmen um unabhängige, reguläre Unternehmen, in anderen Fällen standen sie mehr oder weniger unter der direkten Kontrolle der CIA - halbwegs getarnt. Das ist also ein kompliziertes Labyrinth, an dessen Boden man nicht so leicht gelangt, aber bis jetzt ist durch Ermittlungen der Europäischen Union und des Europäischen Rates eine ziemliche Fülle an Informationen über diese Firmen zusammengekommen.

Ein weiterer Aspekt, den man nicht übersehen darf und dessen vollständiges Ausmaß noch nicht bekannt ist, ist der, daß Privatfirmen und -personen angeheuert wurden und nicht nur an den Überstellungen, sondern auch an der Folter und an den Verhören von "Terror"-Verdächtigen teilgenommen haben. Das US-Militär hat Menschen im Irak und in Afghanistan gefangengenommen und sie danach in Gefängnissen wie Abu Ghraib und Bagram verhört und gefoltert. Sehr häufig wurden die Gefangenen dann der CIA übergeben, die sie verhörte und recht häufig auch folterte. Und in vielen Fällen engagierte die CIA, weil sie nicht über genügend Personal verfügte, frühere Kollegen, ehemalige Militärangehörige und sogar Zivilisten als private Vertragspartner, darunter Menschen mit schlechtem Leumund. Diese Art Leute, die für private Sicherheitsunternehmen wie Titan und CACI arbeiteten, war sowohl an Verhören als auch an der Folter von Verdächtigen in US-Militärgefängnissen beteiligt. Man hat also drei voneinander getrennte Elemente, was die Aufklärung des gesamten Komplexes ziemlich verkompliziert.

Davon zu sprechen, daß die Nutzung von Shannon durch das US-Militär nach den Attacken vom 11. September anfangen hat, ist eigentlich nicht ganz richtig. Heute wissen wir, zum Teil durch meine Klage gegen die militärische Nutzung von Shannon vor dem Obersten Gericht, daß der Flughafen nicht allein auch zur Zeit des Kosovo-Krieges 1999, sondern auch während des ersten Golfkrieges 1991 benutzt wurde. Das sind Dinge, von denen die Menschen, mich eingeschlossen, zu der Zeit nichts ahnten. Im Verlaufe des Gerichtsverfahrens vor dem Obersten Gericht habe ich Dokumente zutage gefördert, nach denen während des Kosovo-Krieges zwei Flugzeuge, ich meine es waren Boeing 757, auf ihrem Weg aus den USA zum Kriegsschauplatz mit einer Ladung von Marschflugkörpern entweder über den Flughafen Shannon hinweggeflogen sind oder ihn passiert haben. Das war am 9. und am 11. Juni 1999, gerade nach dem Ende der Kampfhandlungen, und die Flugzeuge hatten 40 beziehungsweise 44 Marschflugkörper an Bord.

SB: Und Sie haben auch etwas über die Nutzung des Flughafens Shannon während des ersten Golfkriegs herausgefunden?

EH: Ja.

SB: Zu wie vielen Gelegenheiten hat das stattgefunden?

EH: Ich bin mir nicht sicher. Darüber habe ich nicht soviele Nachforschungen angestellt. Vor 1991, in den Jahrzehnten des Kalten Krieges haben die irische Regierung und das Außenministerium in Dublin eine bemerkenswert konsequente Haltung zur Neutralität eingenommen - eine, die sogar strenger war, als es das internationale Recht fordert. Das ging soweit, daß US-Soldaten, die zwischen Nordamerika und Deutschland unterwegs waren, den Flughafen Shannon nur passieren durften, wenn sie Zivilkleidung trugen und entweder in den Urlaub gingen oder aus dem Urlaub kamen. Dementsprechend war es ihnen nicht gestattet, in Shannon zu landen, wenn sie von einer NATO-Übung kamen oder dahin unterwegs waren.

SB: Was Ihre Klage vor dem Obersten Gericht betrifft - wann haben Sie diese eingereicht? Wie haben Sie sie begründet? Und wie sind Sie damit vorangekommen?

EH: Ich habe sie sofort eingereicht, als der Irak-Krieg anfing, am 20. März 2003, auf der Grundlage von drei Punkten: zwei bezogen sich auf die Abschnitte 28 und 29 der irischen Verfassung und einer auf internationales Recht. Irland ist, anders als die Schweiz und Österreich, nicht neutral per Verfassung. Seine Neutralität ist allein eine Frage der Politik. In der Folge waren die Verfassungsargumente schwach. Ich war also nicht überrascht, als ich in der Hinsicht verloren habe. Aber mit Blick auf das internationale Recht urteilte der Richter zu meinen Gunsten, daß Irland die Haager Konvention und das die Neutralität betreffende internationale Gewohnheitsrecht verletzte, weil es dem US-Militär erlaubte, eine hohe Anzahl von Soldaten und große Mengen an Munition über Shannon zu transportieren.

SB: Wann war dieses Urteil?

EH: Das war im April 2003.

SB: Und hatte es irgendwelche praktischen Konsequenzen?

EH: Nein. Die irische Regierung hat das Urteil im wesentlichen ignoriert. In der Tat haben sie es nicht einfach nur ignoriert, sondern trotz dieses Urteils, daß Irland das die Neutralität betreffende Recht bricht, bestehen die irischen Regierungsangehörigen, einschließlich des damaligen Taoiseach Bertie Ahern und seines derzeitigen Nachfolgers Brian Cowen weiter darauf, daß wir noch immer ein neutrales Land sind.

SB: Obwohl Sie bewiesen haben, daß das rechtlich gesehen nicht der Fall ist?

EH: Obwohl ein Richter des Obersten Gerichts geurteilt hat, daß das nicht der Fall ist!

SB: Wenn wir die Landungen auf Shannon einen Moment lang beiseite lassen, in welchem Ausmaß haben US-Militärflugzeuge seit Ende 2001 den irischen Luftraum passiert?

EH: In einem sehr bedeutenden Ausmaß. Auf unserer Website shannonwatch.org kann man die Daten zur Anzahl und Häufigkeit der Landung von Militärflugzeugen auf dem Flughafen Shannon sowie der Überflüge nachlesen. So landeten im August dieses Jahres zum Beispiel 42 Maschinen der US Air Force in Shannon, während 212 ohne Anhalten durch den irischen Luftraum drüberwegflogen.

SB: Die Überflüge mit US-Militärmaschinen waren also auch etwas, das vor 2001 nicht stattgefunden hat?

EH: Davor wurden sie ganz sicher nicht genehmigt. Das irische Außenministerium hat in seinen Vorschriften und in seiner Korrespondenz mit der US-Botschaft sehr deutlich gemacht, daß eine Erlaubnis nicht nur für Landungen erforderlich war, sondern auch für den Überflug. Und diese Genehmigung wurde bei verschiedenen Gelegenheiten nicht erteilt. Tatsächlich hat das US-Militär in mehreren Fällen bezogen auf das Überflugsrecht und in weiteren Angelegenheiten eine Ablehnung erhalten. Viele der derzeitigen Überflüge führen nach Deutschland oder kommen von dort. Ein gutes Beispiel dafür ist die World Airways, die früher in Shannon landete, sich dann aber 2006 zurückgezogen hat und damit anfing, Leipzig zu benutzen. Viele Flüge auf unserer Liste sind World Airways-Maschinen, die von den Staaten aus durch den irischen Luftraum nach Leipzig fliegen. Sicher werden diese und viele andere Truppentransporte sowie Militärflugzeuge von Leipzig und von anderen Flughäfen auf dem europäischen Festland aus in den Nahen Osten weiterfliegen.

SB: Und der Grund für die Überflüge besteht im wesentlichen darin, daß sie Treibstoff sparen können - stimmt das?

EH: Ja. Irland befindet sich, da es vor der Mitte der europäischen Küste liegt, im Grunde genommen auf einer ziemlich direkten Linie zur nördlichen Hälfte der US-Ostküste.

Ed Horgan

SB: Sie haben einige Male persönlich versucht, die irische Polizei dazu zu bewegen, nationales und internationales Recht am Flughafen Shannon durchzusetzen - zum Beispiel die Verpflichtungen Irlands unter den Genfer Konventionen - und diese aufgefordert, Flugzeuge zu überprüfen, von denen Sie vermuteten, daß sie Opfer der außerordentlichen Überstellungen transportierten. Was ist bei Ihren Bemühungen, dem Recht zur Geltung zu verhelfen, herausgekommen?

H: Meine Erfahrungen - hierauf bezogen und bezüglich der Überwachung von US-Militärmaschinen - sehen so aus, daß ich fünfmal auf dem Flughafen Shannon verhaftet wurde, weil ich US-Flugzeuge photographiert habe und/oder die Gardaí [irische Polizei] gebeten habe, verdächtige CIA-Maschinen zu durchsuchen. Man hat mich dreimal vor Gericht gebracht, das letzte Mal war im vergangenen Juni. In allen Fällen habe ich in dem Verfahren gegen die Gardaí gewonnen.

SB: Wessen hat man Sie angeklagt? Mit welcher Begründung hat man Sie vor Gericht gebracht?

EH: Im Juni 2004 wurde ich verhaftet, als ich in einem Boot auf dem Fluß Shannon gegen die Landung von Bush, der am EU-US-Gipfel auf Schloß Dromoland teilnahm, auf dem Flughafen Shannon protestierte. Für die Dauer des Gipfels war die ganze Flußmündung zur maritimen Sperrzone erklärt worden. Bei einer anderen Gelegenheit wurde ich angeklagt, meinen Wagen während eines Protestes am Flughafen falsch geparkt zu haben. Das letzte Mal war im Juni 2008 und in vielerlei Hinsicht auch das bedeutendste. Ich hatte von einem Friedensaktivisten in den Vereinigten Staaten erfahren, daß ein Flugzeug, das bekanntermaßen mit der CIA in Verbindung stand, die Vereinigten Staaten auf dem Weg nach Gander und dann weiter nach Shannon verlassen würde. Man hatte mich auch darüber informiert, daß dieses Flugzeug in der vorangegangenen Woche in Guantánamo gewesen war. Also flog es von Guantánamo über Florida in die Vereinigten Staaten, nach Gander, zum Flughafen Shannon und dann weiter an einen anderen Ort. Ich wußte also im voraus, daß es fällig war. Ich war um acht Uhr morgens am Flughafen. Kurz nach meiner Ankunft landete das Flugzeug. Ich identifizierte es anhand seiner Leitwerknummer, die lautete N54PA, etwas, das sich mir ins Gedächtnis geprägt hat.

Als erstes habe ich also mit meinem Mobiltelefon bei der Flughafensicherheit angerufen, ihnen die Geschichte des Flugzeugs erzählt und sie gebeten, es zu durchsuchen. Sie haben sich geweigert. Dann habe ich bei der Gardaí der Stadt Shannon angerufen und habe sie informiert. Danach habe ich die Sicherheitszentrale hier auf dem Flughafen Shannon aufgesucht und den diensthabenden Beamten gebeten, das Flugzeug durchsuchen zu lassen. Und als er das verweigerte, bin ich im Sicherheitsgebäude geblieben. Sie haben mich aufgefordert zu gehen, aber ich habe geantwortet, ich würde bis zum Eintreffen der Gardaí bleiben, weil ich wollte, daß sie das Flugzeug durchsuchen. Das führte zu einer etwa halbstündigen Auseinandersetzung. Schließlich, nachdem man mich informiert hatte, daß das Flugzeug etwa zwölf Stunden auf dem Flughafen Shannon bleiben sollte, habe ich das Gebäude aus eigenem Antrieb verlassen. Aber ich habe noch mehrmals die Aufforderung an die Gardaí gerichtet, dieses spezielle Flugzeug zu durchsuchen, habe ihnen dessen Geschichte erzählt und wann es in Guantánamo gewesen war. Ich wurde danach angeklagt, der Aufforderung, den Flughafen zu verlassen, nicht Folge geleistet und das Flughafenpersonal sowie die Flughafensicherheit in der Ausübung ihrer Pflichten behindert zu haben. Das war eine ziemlich schwerwiegende Anklage, denn wenn man mich der Behinderung der Flughafensicherheit für schuldig befunden hätte, wäre ich nicht mehr in der Lage gewesen, per Flugzeug international zu reisen, was meine Menschenrechts- und Wahlbeobachtungsaktivitäten beeinträchtigt hätte.

SB: Wann war dieser spezielle Vorfall?

EH: Am 18. Juni 2008.

SB: Was geschah, als die Angelegenheit vor Gericht kam?

EH: Aufgrund der Schwere der Anklage dauerte es fast ein Jahr bis zum Beginn des Verfahrens. Während ich mich in anderen Fällen selbst vertreten habe, habe ich mich hier nur zu Beginn selbst verteidigt und später einen Rechtsanwalt und einen Barrister hinzugezogen. Wir haben den Fall aus rechtlichen Gründen gewonnen, und die Anklage wurde fallengelassen.

SB: Was die Frage der außerordentlichen Überstellungen und die Ermittlungen, die Dick Marty für den Europarat durchgeführt hat, angeht, so wurden Vermutungen laut, oder es scheint Hinweise darauf zu geben, daß kurz nach dem 11. September, als die NATO-Länder sich dazu bekannt haben, daß ein Mitgliedsstaat angegriffen wurde, und die gemeinsamen Verteidigungsmechanismen aktiviert haben, ein Teil der Vereinbarungen in einem Geheimabkommen bestand, das später die außerordentlichen Überstellungen der CIA deckte. Wenn das unter den NATO-Ländern der Fall ist - und es gibt die Flüge zur außerordentlichen Überstellung, die in den letzten sechs, sieben, acht Jahren auf regelmäßiger Basis in Shannon gelandet sind - was meinen Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß die irische Regierung in einem bestimmten Stadium ebenfalls ein geheimes Abkommen mit der Administration in Washington eingegangen ist und daß das der Grund ist, warum die Gardaí in Shannon auf Ihre Bitte, ihre Pflicht zu tun und die Flugzeuge zu inspizieren, die für illegale und extrem unmoralische Zwecke benutzt werden, nicht eingegangen sind?

EH: Ich denke, daß die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, und ich kann Ihnen sogar das Datum nennen, an dem die Vereinbarung getroffen worden sein könnte, nämlich den 16. März 2002. An diesem Tag hat Bertie Ahern George W. Bush im Weißen Haus besucht. Das alljährliche Treffen zwischen dem US-Präsidenten und dem irischen Taoiseach findet gewöhnlich am 17. März statt, dem irischen Nationalfeiertag. Aber in jenem Jahr fanden die Feierlichkeiten zum St. Patrick's Day im Weißen Haus am 16. März statt, weil Bush eine andere Verpflichtung hatte. Ich habe den starken Verdacht, daß es an diesem Tag zu einem geheimen Abkommen, vielleicht nur mündlich, zwischen Ahern und Bush gekommen ist.

SB: Gibt es, abgesehen davon, daß das der erste Besuch des Taoiseachs in Washington nach den Attacken vom 11. September war, noch etwas, das Sie zu diesem Schluß veranlaßt?

EH: Da gibt es eine Menge. Nach der Invasion in Afghanistan und dem Sturz der Taliban hielt man eine bedeutende Zahl Gefangener fest. Die ersten waren bereits außer Landes geschafft worden. Um den Zeitpunkt des Treffens von Bush und Ahern herum, im Frühjahr 2002, wartete eine größere Anzahl von Gefangenen an Orten wie dem Luftstützpunkt Bagram, in Masar-el-Scharif sowie in Pakistan darauf, nach Guantánamo geflogen zu werden. Es gab auch, wenn ich es richtig erinnere, wirtschaftliche Gründe. Die Bush-Administration hatte damit gedroht, ein Gesetz zu erlassen, das Auslandsinvestitionen von US-Unternehmen in Ländern wie Irland erschweren würde. Eine solches Gesetz machte in Sicht darauf, die amerikanischen Arbeitsplätze zu schützen, wirklich Sinn. Bezeichnenderweise drohte dieses Gesetz nach dem Treffen zwischen Bush und Ahern nicht mehr. Dieser spezielle Gesetzesvorschlag wurde nie eingebracht. Ich meine also, daß es um dieses Datum herum eine thematische Übereinstimmung gegeben hat. Auch die Körpersprache der beiden Männer vor den Fernsehkameras vermittelte den Eindruck, daß noch etwas unter der Hand stattfand. Ich habe Anlaß zu hoffen, daß wir die Details am Ende herausbekommen werden.

SB: Wir nehmen hier heute an der Konferenz "War, NATO and the Lisbon Treaty" teil, die Sie mitorganisiert haben. Könnten Sie uns erklären, warum Sie gegen den Lissabon-Vertrag sind?

EH: Meiner Antwort möchte ich als allererstes vorausschicken, daß ich eigentlich sehr pro-amerikanisch eingestellt bin und sehr viel von der Europäischen Union halte. Ich weiß es ausgesprochen zu schätzen, daß Amerika Westeuropa in bedeutendem Maße vor dem Kommunismus gerettet hat, und ich denke, daß der Marshall-Plan etwas extrem Positives war. Die EU ist weitgehend eine Quelle des Friedens und der Stabilität in Europa gewesen. Ich bin der Meinung, daß sie durch ihr alternatives, sehr positives Beispiel zum Fall des Kommunismus in Osteuropa beigetragen hat. Von diesem Standpunkt aus bin ich für die Europäische Union - aber als ein breiterer und lockerer Staatenbund. Ich bin nicht dafür und habe große Angst davor, daß die EU sich zu einem militarisierten Superstaat entwickelt. Ich denke, es gibt sehr deutliche Hinweise darauf, daß das die Richtung ist, in die sich die EU zunehmend bewegt hat. Und jetzt macht sie mit Hilfe des Lissabon-Vertrags, der im Grunde eine Verfassung darstellt, nur mit anderem Namen, einen großen Sprung in Richtung dieses Superstaates. Ich bin auch davon überzeugt, daß die breite Mehrheit der Menschen in Europa das nicht will und eine Europäische Union in Form einer altruistischen, positiven Organisation von Staaten vorziehen würde, die den Frieden in ganz Europa sowie international vorantreibt. Sie wollen kein Europa, das mit Rußland und den USA konkurriert und einen weiteren Rüstungswettlauf und Kriege oder was auch immer befördert.

SB: Gegner des Lissabon-Vertrags beziehen sich häufig auf ihre Furcht vor einem europäischen Superstaat. Entspräche es nicht eher der Wahrheit, zu sagen, daß Lissabon die EU in die Lage versetzen wird, eine größere und effektivere Rolle im Nordatlantischen Bündnis zu spielen, da der Vertrag den Entscheidungsprozeß reibungsloser machen wird?

EH: Ich wäre ganz stark dieser Meinung, auch wenn viele Menschen in der Friedensbewegung diese nicht teilen und dazu neigen, die NATO und die EU als getrennte Einheiten zu sehen. Man muß sich den Lissabon-Vertrag nur ansehen, in dem die Neubelebung der NATO ausdrücklich als erwünschtes Ziel genannt wird. Und da sind noch andere Aspekte. Von den 27 Ländern, die zur Zeit in der Europäischen Union sind, sind 21 gleichzeitig Mitglieder der NATO. Es bleiben nur die sechs neutralen Länder: Irland, Schweden, Finnland, Österreich, Malta und Zypern. Natürlich ist die zypriotische Neutralität ausgesprochen zweifelhaft.

SB: Sicher, mit dem britischen Militär auf der einen Seite der Insel und dem türkischen Militär auf der anderen.

EH: So weit ich das beurteilen kann, sind die NATO, die Partnerschaft für den Frieden, die europäischen Kampfgruppen in erheblichem Maße ein Teil der gleichen Sache. Für die Zukunft erwarte ich keinen Interessenskonflikt zwischen der Europäischen Union und Nordamerika. Wenn überhaupt, dann sehe ich ein sehr starkes Zusammenwachsen der Interessen. Und es ist ein Zusammenwachsen der Interessen, das sich gegen den Rest der Welt richtet. Das ist die Gefahr, die ich im Lissabon-Vertrag sehe. Vielen Menschen in Irland ist das nicht unbedingt klar. Aber schließlich habe ich in etwa 15 verschiedenen Ländern in Nachkriegssituationen entweder bei der UN-Friedenstruppe oder als Wahlbeobachter gedient. Das war hauptsächlich in Ländern, die wir üblicherweise Dritte-Welt-Länder genannt haben. Ich habe auch die Geschichte des europäischen Kolonialismus studiert und den Schaden, den dieser angerichtet hat - und noch immer anrichtet.

Es ist offensichtlich, daß die Länder in der NATO und in der EU die Absicht haben, weiterhin einen überproportionalen Anteil der weltweiten Ressourcen auf Kosten des Rests der Menschen auf dem Planeten zu verbrauchen. In einem solchen Zusammenhang sind die mehr als eine Million Menschen, die in Afghanistan und im Irak seit 2001 respektive 2003 getötet wurden, lediglich Kollateralschäden. Tatsächlich haben diese Toten aus einem bestimmten, verzerrten Blickwinkel gesehen fast einen positiven Nebeneffekt, weil als Resultat weniger Mäuler zu stopfen sind. Der ganze Prozeß der EU/NATO-Militarisierung ist immens zynisch. Getrennt davon, habe ich mich gegen die Teilnahme der irischen Armee mit den Franzosen an der EUFOR-Mission in Tschad ausgesprochen. Einer der Gründe für meine Ablehnung der Mission besteht darin, daß meiner Meinung nach Frankreich das Land ist, das den meisten Schaden in Afrika angerichtet hat und noch anrichtet. Seine Einmischung verursacht heute enorme Probleme, nicht allein im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik, sondern in der ganzen Region, die als frankophones Afrika bekannt ist. Aus dem Grund sollten sich weder Irland noch die Europäische Union daran beteiligen, Diktatoren von Frankreichs Gnaden im Tschad oder sonstwo zu unterstützen.

SB: Nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der Sowjetunion hat sich eine Art Wettstreit zwischen den USA und den größeren EU-Mitgliedern Britannien, Frankreich, Deutschland und Italien um den Einfluß auf die Länder des früheren kommunistischen Blocks entwickelt, dessen Folgen nicht vollkommen positiv waren - siehe beispielsweise die Zerstörung des früheren Jugoslawien. Wie sehen Sie die Expansion der EU und der NATO nach Osten?

EH: Ich halte das für ziemlich destabilisierend. Der Krieg zwischen Georgien und Rußland im letzten Jahr illustriert das. Er war vollkommen unangemessen und wäre von Georgien nie gewonnen worden. Sie sind mit großer Dummheit von George Bush da hineingezerrt worden und haben einen hohen Preis bezahlt. Zufällig war ich, nur wenige Monate bevor die Kampfhandlungen ausbrachen, als offizieller Beobachter der Präsidentschaftswahlen in Armenien, das an Georgien angrenzt. Und zu der Zeit war Georgien ein Hafen des Friedens, während Armenien wieder Schwierigkeiten mit seinem Nachbarn Aserbaidschan hatte. Der Krieg zwischen Georgien und Rußland ist ein gutes Beispiel, wie die Westmächte ihren Einfluß auf Kosten der Menschen im Kaukasus mißbrauchen. Letztendlich war alles, was der Krieg erreicht hat, daß das, was von Georgien übriggeblieben ist, an die NATO festgeschweißt wurde, während Abchasien und Südossetien nun dem Namen nach unabhängig sind, in Wirklichkeit aber russische Satellitenstaaten geworden sind. Es gibt sogar eine historische Rechtfertigung dafür, daß Abchasien und Südossetien unabhängig werden, denn Joseph Stalin, der Georgier war, hat sie Georgien als Provinzen zugeschlagen, obwohl sie ursprünglich nicht georgisch waren.

SB: Sie haben beträchtliche Erfahrungen aus der Wahlbeobachtung in Irland sowie im Ausland. Was ist Ihre Meinung zu elektronischen Wahlen?

EH: Insbesondere, was Irland betrifft, finde ich die Bemühungen, das einzuführen, vollkommen verrückt. Ich halte die politische Dramatik und das soziale Ereignis, die das Zählen am Wahlabend aufgrund unseres Systems der proportionalen Vertretung und der übertragbaren Einzelstimmgebung mit sich bringen, für extrem wichtig für die Demokratie und für die Gesellschaft als ganzes. Warum sollten wir das ersetzen wollen? Es bringt die Menschen und besonders die Wahlbeauftragten und die Wahlbeobachter oder wen auch immer hinein in den Wahlprozeß. Lokalpolitiker und ihre Großmütter und wen auch immer, beteiligen sich am Zählen der Stimmen und der anschließenden Übertragungen. Es ist ein großartiges soziales Ereignis. Würden wir die Aufregung des Wahlabends abschaffen, die vom Abend bis in die frühen Morgenstunden dauert, mit den Zahlen, die in jedem einzelnen Wahlkreis bis zur Verkündung des Endergebnisses schwanken, und das durch die elektronische Sofortwahl ersetzen - mal abgesehen von irgendwelchen Kosteneinsparungen, die völlig illusorisch sind -, denke ich, würden wir hinsichtlich des sozialen Zusammenhalts und des Interesses des normalen Bürgers an Wahlen und Politik einen enormen Preis zahlen.

SB: Edward Horgan, vielen Dank für dieses Interview.

Ed Horgan mit einem SB-Redakteur

Ed Horgan mit einem SB-Redakteur

19. September 2009