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HISTORIE/301: Japans Biowaffenforscher von den USA ausspioniert (SB)


Japans Biowaffenforscher von den USA ausspioniert

Wie Washington sein wichtigstes Geheimnis unter Verschluß hielt


In den letzten dreißig Jahren sind durch Historikerforschungen und die Freigabe einst geheimer Dokumente in den USA einige Details hinsichtlich des Ausmaßes der Erforschung und des Einsatzes von biologischen Waffen durch die kaiserliche japanische Armee in dem von ihr besetzten Teil Chinas während des Zweiten Weltkrieges bekannt geworden. Die Zahl der Chinesen, welche den von den Japanern systematisch ausgesetzten Krankheitserregern wie Anthrax, Cholera, Pocken, Ruhr und Typhus zum Opfer fielen, geht in die Hunderttausende. Die Grausamkeit der "medizinischen" Experimente, welche von 1936 bis 1945 japanische Militärwissenschaftler der berüchtigten Einheit 731 an ihrem Hauptquartier nahe der nordchinesischen Stadt Harbin an rund 3000 amerikanischen, chinesischen und sowjetischen Kriegsgefangenen in der Regel ohne Narkose durchführten, übertraf sogar die, welche ihre Kollegen in den deutschen Konzentrationslagern an den ihnen hilflos ausgelieferten osteuropäischen "Untermenschen" vornahmen.

In einem Bericht der britischen Tageszeitung Independent vom 20. April 2005 zum Thema japanische Greueltaten während der Besetzung Chinas und der Belastung, welche diese heute noch für das Verhältnis der beiden ostasiatischen Länder darstellen, erinnerte sich Yoshio Shinozuka, der damals als 16jährige Hilfskraft für die Einheit 731 arbeitete, an seine erste Teilnahme an einem der teuflischen Experimenten:

Ich kannte den Chinesen, den wir lebendig sezierten. Bei der Vivisektion konnte ich seinen Blick, wegen des Hasses in seinen Augen, nicht erwidern. Er war mit Pestbakterien infiziert worden, und als die Krankheit voranschritt, wurde sein Gesicht und sein Körper völlig schwarz. Noch lebendig, wurde er auf eine Trage in das Autopsiezimmer gebracht, wo ich den Befehl erhielt, den Körper zu waschen. Ich verwendete einen Gummischlauch und einen Besen, um ihn zu waschen. Die Organe des Mannes wurden eines nach dem anderen methodisch herausgeschnitten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA die sowjetischen Berichte über die japanischen Biowaffenexperimente als kommunistische Propaganda abgetan. Diese Haltung ging nicht allein auf den Anti- Kommunismus zurück. Die US-Militärbehörden im besetzten Japan hatten einen perfiden Deal mit dem früheren Leiter der Einheit 731, Generalleutnant Shiro Ishii, und seinen führenden Kollegen gemacht. Die Vereinbarung lief auf die Übergabe sämtlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse gegen Straffreiheit und finanzielle Unterstützung aus Reptilienfonds des Pentagons hinaus. In Briefen an die Vorgesetzten im Washingtoner Verteidigungsministerium rühmte sich 1947 der Verhandlungsführer der Amerikaner, Brigadegeneral Charles Willoughby, damals Leiter der nachrichtendienstlichen Einheit G2 der US- Besatzungstruppen in Japan, die "gewonnenen Informationen" würden "bei der künftigen Entwicklung des BW-Programms der USA von größtem Nutzen sein", die "Daten über menschliche Experimente könnten sich als unschätzbar erweisen", für einen "Klacks" - geschätzte 150.000 bis 200.000 Yen - habe sich Amerika in den Besitz der "Früchte von 20 Jahren Labortests und Forschungen" gebracht.

Natürlich sollte dies alles streng geheim bleiben. Zu diesem Zweck haben die US-Militärbehörden in Japan den Briefverkehr von Ishii und neun weiteren, führenden Ex-Mitarbeitern von Einheit 731 kontrolliert und in Notfall auch zensiert. Dies geht aus einer einst geheimen, auf den 15. Februar 1946 datierten Mitteilung der US-Armee an das Zensurbüro der US-Besatzungsbehörde hervor. Wie die Tageszeitung Japan Times am 10. Februar unter Verweis auf die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete, hat Taketoshi Yamamoto, Professor für Mediengeschichte an der Tokioter Waseda-Universität, eine Kopie des Dokuments im Mikrofilmearchiv der Bibliothek der nationalen Abgeordnetenversammlung Japans gefunden. Im Japan-Times-Artikel wird Prof. Yamamoto mit den Worten zitiert: "Es handelt sich um wertvolles Material, das beweist, daß die US-Behörden heimlich zensiert haben."

Die Geheimnistuerei der Amerikaner in Bezug auf die Kriegsbeute von Einheit 731 hatte ihren Grund. Während des Koreakrieges, dessen heiße Phase von 1950 bis 1953 dauerte und der bis heute offiziell noch nicht beendet ist, hat die US-Luftwaffe eigene biologische Waffen, darunter mit Pest infizierte Flöhe und vergiftete Truthahnfedern, über Nordkorea ausgesetzt. [1] Als 36 gefangengenommene US-Piloten in Vernehmungen diese Taten zugaben, erfand man in der Propagandaabteilung des Pentagons einfach den Begriff der "Gehirnwäsche", um die belastenden Geständnisse abtun zu können. Das Erschreckende ist, daß dieser Trick funktionierte.

12. Februar 2010

Fußnote:

1. Li Onesto, U.S. POWs during the Korean War, Global Research, 3. September 2008