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JUSTIZ/697: Guantánamo-Gericht vernichtet 9/11 Beweismaterial (SB)


Guantánamo-Gericht vernichtet 9/11 Beweismaterial

Der Prozeß um den 11. September - Erkenntnisgewinn gleich null


Auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba gerät der Prozeß vor einem Militärtribunal gegen fünf mutmaßliche Beteiligte an den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 endgültig zur Farce. Am 11. Mai gingen die Anwälte der Verteidigung, David Nevin and Major Derek Poteet, mit der ungeheuerlichen Beschwerde an die Öffentlichkeit, das Gericht habe Beweismaterial, das für ihre Mandanten "günstig" und für die Gerichtsverhandlung an sich "wichtig und sogar kritisch" wäre, vernichtet. Nevin und Poteet haben deshalb beantragt, daß der zuständige Richter, Oberst James Pohl, und der Chefankläger, Brigadegeneral Mark S. Martins, samt seines gesamten Teams wegen Befangenheit von dem Fall abgezogen werden. Die Chancen, daß der Antrag Erfolg haben könnte, sind gering bis nicht existent.

Worum es sich bei dem vernichteten Beweismaterial handelt, ist unklar. Nevin und Poteet wissen es, dürfen es aber aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht sagen. Doch aus der Berichterstattung von Carol Rosenberg, die seit 2012 den Prozeß für den Miami Herald akribisch verfolgt, geht soviel hervor, daß es die Details der jahrelangen Inhaftierung und Folter der Angeklagten Khalid Sheikh Mohammad, Ramsi Binalshibh, Mustafa Ahmad Al Hawsawi, Ali Abd Al Asis Ali und Walid Muhammed Salih Mubarek Bin Attash während ihrer Zeit in den sogenannten "black sites" der CIA im Ausland waren, die im Mittelpunkt des Interesses standen. Erst 2006 waren die mutmaßlichen 9/11-Komplottsbeteiligten auf Befehl von US-Präsident George W. Bush aus den geheimen CIA-Folterkerkern in Europa und anderswo nach Guantánamo transferiert worden.

Interessanterweise findet die Vernichtung der für die Angeklagten in Guantánamo eventuell entlastenden Beweise just zu dem Zeitpunkt statt, als in den USA eine breite Debatte um die 28 bislang geschwärzten und damit der Öffentlichkeit vorenthaltenen Seiten des gemeinsamen Berichts der Geheimdienstausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat zum Thema 11. September geführt wird. Diese Studie, die 2002 erschien, bildete auch den Ausgangspunkt des 2004 veröffentlichten Berichtes der "unabhängigen" 9/11-Kommission.

In einem am 12. Mai erschienenen Interview mit der New York Times forderte John Lehman, einst Mitglied der 9/11-Kommission, die Regierung Barack Obamas dazu auf, die berühmten "28 Seiten" endlich freizugeben. Der frühere Marineminister Ronald Reagans bestätigte, daß der zurückgehaltene Teil des 9/11-Berichts der Geheimdienstausschüsse Saudi-Arabien belastet. Ihm zufolge erhielten die 19 mutmaßlichen Flugzeugattentäter bei der Vorbereitung des Anschlags von mindestens sechs Vertretern des saudischen Staats in den USA Unterstützung, die entweder in Riads Botschaft in Washington oder bei muslimischen Wohltätigkeitsvereinigungen wie der staatlich subventionierten König-Fahd-Moschee in Culver City in Kalifornien arbeiteten.

Offenbar werden in Guantánamo Bay vor der drohenden Freigabe der geheimnisumwitterten "28 Seiten", die möglicherweise Hinweise nicht nur auf eine Verwicklung Saudi-Arabiens, sondern auch der CIA in den 9/11-Massenmord enthalten, Spuren verwischt, so daß der Tathergang für die Nachwelt unrekonstruierbar bleibt. Bereits am 9. November 2005 hatte Jose Rodriguez, der Leiter des Entführungsprogramms bei der CIA, die Vernichtung aller Videoaufzeichnungen der Folter mutmaßlicher Al-Kaida-Mitglieder angeordnet. Vor Gericht kam Rodriguez später mit der Behauptung durch, er habe die Videobänder nur deshalb vernichten lassen, um sich und seine Mitarbeiter vor möglichen Klagen wegen Kriegsverbrechen zu schützen.

Doch es gibt eine andere Interpretation. Nur sechs Tage vor der Beseitigung dieser Videobänder hatte die Richterin Leonie Brinkema vom Bundesgericht in Virginia die Aushändigung allen Materials angeordnet, das zur Entlastung des sogenannten "20. Hijackers" Zacarias Moussaoui beitragen könnte. Als 2007 die Vernichtung der Bänder bekannt wurde, sorgte dies für einen regelrechten Skandal, der schließlich zur Veröffentlichung des Folterberichts des Senats Ende 2014 führte. Inzwischen weiß man, daß die CIA im Jahr 2002 unter Folter Aussagen des saudischen Bürgers Abu Subaida bezüglich einer angeblich existierenden Verbindung zwischen Osama Bin Laden und Saddam Hussein erzwangen. Damit begründeten 2003 Präsident Bush, Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld den Einmarsch in den Irak.

Der Pakistaner Khalid Sheikh Mohammad, der von den Konzernmedien stets als "Chefplaner" oder "Architekt" von 9/11 geführt wird, wurde von seinen CIA-Peinigern nachweislich 183mal dem Waterboarding unterzogen. Daher liegt der Verdacht nahe, daß seine Angaben zum 11. September den Tatsachen nur bedingt entsprechen und eher Phantasieprodukte sind. Nichtsdestotrotz stellen sie bis heute eine wichtige, wenn nicht sogar die zentrale Komponente der offiziellen Verschwörungstheorie dar. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Vermutung nicht von der Hand weisen, daß mit der Vernichtung weiteren Beweismaterials zum Komplex 11. September durch das Gericht in Guantánamo Bay die wahren Urheber des bedeutendsten "Terroranschlags" der Geschichte geschützt werden sollen.

14. Mai 2016


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