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LATEINAMERIKA/2197: Multimillionär Martínelli neuer Präsident Panamas (SB)


Großunternehmer will das Land wie seine Supermarktkette führen


In Panama waren rund 2,2 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen und über die Zusammensetzung des künftigen Parlaments zu entscheiden. Bei der Präsidentenwahl hat der konservative Unternehmer und Spitzenkandidat der Opposition, Ricardo Martínelli von der Partei für Demokratischen Wandel (PCD), das Rennen gemacht. Wie die nationale Wahlkommission bekanntgab, sei Martínelli mit einem Ergebnis von knapp 61 Prozent der unangefochtene Sieger. Die Kandidatin der regierenden Revolutionären Demokratischen Partei (PRD), Balbina Herrera, kam den Angaben zufolge auf 37 Prozent. Der frühere Präsident Guillermo Endara folgte abgeschlagen auf dem dritten Platz. Amtsinhaber Martín Torrijos durfte sich nach einer Amtszeit von fünf Jahren gemäß der Verfassung nicht zur Wiederwahl stellen. Angaben von Wahlbeobachtern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zufolge war die Abstimmung bei hoher Beteiligung fast problemlos verlaufen.

Der Vorsitzende der Wahlkommission, Erasmo Pinilla, teilte Martínelli umgehend mit, daß er der klare Sieger sei. Die Kandidatin der Regierungskoalition gestand ihre Niederlage ein. Martínelli, der sein Amt am 1. Juli antritt, erklärte, er wolle eine Regierung der nationalen Einheit bilden. Panama wird künftig von einem Staatschef geführt, der Multimillionär und Eigentümer der größten Supermarktkette des mittelamerikanischen Landes ist. Schon im Vorfeld des Urnengangs galt der 57jährige Großunternehmer, der ein Imperium aus Supermärkten, Banken und landwirtschaftlichen Unternehmen führt, als Favorit.

Bei der Präsidentschaftswahl 2004 war Ricardo Martínelli noch weit abgeschlagen mit nur vier Prozent der abgegebenen Stimmen auf dem vierten und letzten Platz gelandet. Während damals Martín Torrijos den Sieg davongetragen hatte, folgte Guillermo Endara auf dem zweiten Rang, der das Land nach der US-Militärintervention gegen Noriega 1989 fünf Jahre lang regiert hatte. Der Kandidat der Arnulfistischen Partei, Ex-Außenminister und Millionär José Miguel Alemán, kam auf Platz drei.

Steigende Lebenshaltungskosten und Sorgen um die Wirtschaft haben die Unterstützung für die amtierende Regierung schwinden lassen. So lebt heute mehr als jeder vierte Einwohner Panamas unter der Armutsgrenze. Sowohl Martínelli als auch Herrera hatten die Bekämpfung der Armut zum zentralen Thema ihres Wahlkampfs gemacht. Der Oppositionskandidat versprach unter anderem, er werde sich für niedrigere Lebensmittelpreise und eine monatliche Rente von 100 Dollar für über 70jährige einsetzen. Zudem stellte er Investitionen zur Förderung der Infrastruktur in Aussicht, um die Wirtschaft anzukurbeln. Auch will Martínelli eine Einheitssteuer von 10 bis 20 Prozent einführen, um ausländische Investoren anzulocken.

Da sich die Programme der beiden führenden Parteien kaum unterscheiden, ist ein grundlegender politischer oder wirtschaftlicher Richtungswechsel nicht zu erwarten. Aus diesem Grund hatte die Nationale Front zur Verteidigung der ökonomischen und sozialen Rechte (FRENDASO) zum Boykott der Wahl aufgerufen. In der wichtigsten Gruppierung der Linken in Panama sind die Bauarbeitergewerkschaft SUNTRACS, Parteigänger der radikalen Linken und Vertreter sozialer Bewegungen vertreten, die am Aufbau einer Basis für den Wandel arbeiten. Sie solidarisieren sich mit Hugo Chávez und Evo Morales, nach deren Vorbild sie die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung anstreben. (junge Welt 02.05.09)

Die beiden führenden Kandidaten hatten den gut 5 Milliarden Dollar teuren Ausbau des Panamakanals unterstützt. Ein Problemkomplex, den die unterlegene Balbina Herrera ins Zentrum ihres Wahlkampfs gerückt hatte, ist die steigende Rate schwerer Straftaten im Land, wobei nach Angaben der Regierung insbesondere die organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch ist. Als internationaler Finanzplatz zieht Panama Geldströme aus allen erdenklichen Quellen an, wobei es aufgrund seiner Nachbarschaft mit Kolumbien auch ein Transitland des Drogenhandels ist. Hinzu kommen chinesische Triaden und Jugendbanden, welche der Sicherheitslage in dem kleinen Land ohne Streitkräfte abträglich sind.

Ricardo Martínelli wetterte in seinem Wahlkampf insbesondere gegen korrupte Politiker, denen er vorwarf, sie zögen mittellos in den Regierungspalast ein und verließen ihn als Millionäre. Wenngleich solche Vorwürfe aus dem Mund eines Multimillionärs seltsam anmuten mögen, scheint der Oppositionskandidat doch mit seinem Status eines politischen Quereinsteigers Punkte gemacht zu haben. Reichtum mit einer Supermarktkette und anderen Unternehmen zu scheffeln, gilt offenbar als ehrbar, während Politiker, die in die eigene Tasche wirtschaften, verhaßt sind. Als man ihm vorwarf, er wolle das Land wie seine Supermarktkette führen, erklärte er allen Ernstes: "Hoffentlich wird mir dies gelingen!" (NZZ Online 02.05.09)

Der Kleinstaat Panama ist nach wie vor von extremen sozialen Unterschieden geprägt. Die rasant gewachsene Skyline der Hauptstadt zeugt von Wohlstand einer prosperierenden Elite und gehobenen Mittelschicht mit Geschäftsverbindungen in alle Welt. Das beachtliche Wirtschaftswachstum, welches in den letzten fünf Jahren im Schnitt über acht Prozent betrug, wurde auf dem Rücken einer in Armut lebenden Mehrheit realisiert, die in den Städten als Subproletariat und insbesondere in der zu einem erheblichen Teil indígenen Landbevölkerung überproportional hoch von Armut betroffen ist.

Die nun in der Präsidentschaft abgelöste PRD ging aus einer Abspaltung der ehemaligen Kommunistischen Partei hervor. Vor fünf Jahren gewann Martin Torríjos für sie die Wahl, der dabei von der Popularität seines Vaters, des früheren Juntachefs General Omar Torrijos, profitierte. Diesen ohne weitere Erklärung als Diktator zu bezeichnen, ist insofern irreführend, als er nicht dem klassischen Profil lateinamerikanischer Juntaoffiziere entsprach, die als Statthalter US-amerikanischer Hegemonialinteressen fungierten.

Als er am 11. Oktober 1968 mit Hilfe der Nationalgarde den US-hörigen Präsidenten Arnulfo Arias stürzte, mußten die nationalen Eliten um ihre Privilegien und die USA um ihre Kontrolle des Panamakanals fürchten. Inspiriert von Gamal Abdel Nassers Nationalisierung des Suezkanals strebte Omar Torrijos eine Neuorientierung des Landes an, die sozialökonomische Reformen und Ansätze nationaler Souveränität umfaßte. Er bot Washington die Stirn und verhandelte mit dem damaligen US-Präsidenten James Carter erfolgreich die inzwischen vollzogene Rückgabe des Panamakanals. Mindestens ebenso wichtig wie die Rückgewinnung der Kanalzone waren sozialpolitische Reformen und ein Demokratisierungsprozeß, der dem Land ein passables Sozialsystem und Einkommensniveau bescherte.

Auch die damalige Wende in der Außenpolitik Panamas stieß in Washington auf heftige Ablehnung, hegte General Torrijos doch unverhohlene Sympathie für die Sandinisten in Nicaragua. Im Jahr 1981 war er einer von vier fortschrittlichen Präsidenten lateinamerikanischer Staaten, die unter dubiosen Umständen ums Leben kamen. Wenngleich dies nie bewiesen werden konnte, dürfte der von der CIA aufgebaute General Manuel Antonio Noriega für den tödlichen Hubschrauberabsturz verantwortlich gewesen sein.

Die von Teilen der Linken mit seinem Sohn Martín Torrijos verbundenen Hoffnungen erfüllten sich nicht. Der scheidende Staatschef hinterläßt ein ruiniertes Gesundheitssystem sowie eine Bilanz mißachteter demokratischer Rechte, verheerender Umweltschäden und repressiver Übergriffe gegen Gewerkschaften. Soweit er überhaupt eine gewisse Umverteilung des Wohlstands in Angriff nahm, blieb dieses Vorhaben bereits im Ansatz stecken.

4. Mai 2009