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LATEINAMERIKA/2202: Bank des Südens kann ihre Arbeit aufnehmen (SB)


Einigung über Kapitalausstattung und Stimmenverteilung erzielt


Seit Jahrhunderten werden die Bodenschätze und landwirtschaftlichen Erzeugnisse Lateinamerikas von nationalen Eliten und weit mehr noch von kolonialen und imperialistischen Mächten geplündert, die Not und Elend über die Menschen in dieser Weltregion gebracht haben. Ein zentrales Werkzeug, die Ausbeutung zur forcieren und die Verfügung zu perfektionieren, ist die Verschuldung, die ihre Opfer nicht nur zwingt, die Schatztruhen der Gläubiger zu füllen, sondern sie zugleich ihren Schuldherren überantwortet. Für einen Schub in die Schuldknechtschaft sorgten insbesondere die Militärdiktaturen, die von den Geberländern und der internationalen Finanzadministration mit günstigen Krediten angefüttert wurden, die sie zur Bereicherung der führenden Gesellschaftsschichten, zum Kauf sündhaft teuren Kriegsgeräts in den USA und in Europa sowie zum Ausbau des repressiven Apparats verwendeten - nicht jedoch in eine Entwicklung der Gesellschaft investierten, die man als Fortschritt bezeichnen könnte.

Die Regimes brachten nicht nur alle oppositionellen Kräfte zur Räson, sondern lieferten Staat und Gesellschaft einer ökonomischen Fessel der Verschuldung aus, in die sie sich immer tiefer und auswegloser verstricken sollten. In dieser Phase stieg die Auslandsverschuldung sprunghaft an und stellte eine Situation her, in der die betroffenen Länder auf Gedeih und Verderb den Gläubigern ausgeliefert waren, die daraufhin tiefe Eingriffe in die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik nehmen konnten.

In getreuer Erfüllung aller Vorgaben der internationalen Finanzadministration trieben die Regierungen die Ausbeutung der Bürger voran. Ohne frische Kredite des Internationalem Währungsfonds, der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank oder von anderen Gläubigern konnte oftmals selbst der aktuelle Schuldendienst nicht mehr sichergestellt werden, so daß es immer neuer Umschuldungen und Kredite bedurfte, welche die Abhängigkeit vertieften. Derart bedrängte Staaten gewissermaßen über dem Abgrund des Bankrotts zu halten, ohne sie ganz fallen zu lassen, war die grausame Kunst der internationalen Finanzadministration.

Aus Sicht der Finanzinvestoren waren gerade solche Länder eine Quelle lukrativster Perspektiven, da die dortigen Regierungen immer schwerer weitere Gelder auftreiben konnten und daher immer höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen in Aussicht stellen mußten. Mochten die Experten in den europäischen und US-amerikanischen Bankhäusern auch längst erkannt haben, daß diese Gewinnaussicht unmittelbar vor dem Zusammenbruch stand, so rieten sie ihren arglosen Kunden doch so lange zu derartigen Schuldverschreibungen, bis das Versprechen auf Realisierung satter Erträge wie im Falle Argentiniens zusammenbrach.

Im Zuge ihrer tendentiellen Emanzipation vom hegemonialen Einfluß der USA wie auch der europäischen Mächte übten widerstreitende Kräfte in lateinamerikanischen Ländern vernichtende Kritik an den Praktiken der internationalen Finanzadministration, deren Funktion als Handlanger der Vereinigten Staaten und Europas weitreichend analysiert und verurteilt wurde. Hatte man aber geglaubt, IWF und Konsorten hätten in dieser Weltregion endgültig ausgespielt, so drohen sie heute, sich angesichts der Weltwirtschaftskrise erneut in die verhängnisvolle Position des wichtigsten Kreditgebers zu drängen.

Am 9. Dezember 2007 wurde auf Initiative des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez Frias in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires die "Bank des Südens" (Banco del Sur) gegründet, die als Alternative zu den internationalen Finanzinstitutionen konzipiert ist. Sie weist eine demokratische und gleichberechtigte Arbeitsstruktur auf, die man als beispiellos in der Geschichte multilateraler Kreditinstitute bezeichnen kann. So haben alle Mitgliedsländer unabhängig von ihrer geleisteten Einlage dasselbe Stimmrecht, wodurch eine Vormachtstellung der größten Geldgeber von vornherein verhindert werden soll. Die Aufgabe der gemeinsamen Bank besteht darin, die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer der Union Südamerikanischer Nationen zu finanzieren und insbesondere Gelder für lokale Infrastrukturprojekte sowie kleinere und mittlere Unternehmen bereitzustellen.

Daß die "Bank des Südens" eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung in Kürze die Geschäftstätigkeit aufnehmen kann, gilt weit über ein bloßes Signal hinaus als als ein bedeutsamer und wirksamer Schritt, die eingangs angedeutete Abhängigkeit von den traditionellen Gläubigern zu brechen und zu beenden. Bei einem Treffen in Buenos Aires einigten sich die Finanzminister der sieben südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay, Paraguay, Ecuador, Venezuela und Bolivien auf die grundlegenden Parameter dieses unabhängigen Entwicklungsfonds.

Das Gründungskapital beträgt 7 Milliarden US-Dollar, von denen Argentinien, Brasilien und Venezuela je 2 Milliarden, Uruguay und Ecuador jeweils 400 Millionen sowie Paraguay und Bolivien zusammen die verbleibenden 200 Millionen Dollar beisteuern. Jedes der Mitgliedsländer erhält eine Stimme im Aufsichtsrat, wobei reguläre Geschäftsentscheidungen im Konsens getroffen werden. Das bedeutet für Vorhaben mit einem Volumen von mindestens 70 Millionen Dollar, daß für deren Befürwortung eine Zweidrittelmehrheit des eingebrachten Kapitals vorhanden sein muß. Daher können beim aktuellen Stand der Mitglieder entweder die drei großen Geberländer oder zwei Große gemeinsam mit zwei der finanzschwächeren Staaten große Auszahlungen blockieren. Nun müssen die Präsidenten und Parlamente der beteiligten Länder den Vertrag über die Gründung der neuen Entwicklungsbank ratifizieren, wofür gute Aussichten bestehen. (amerika21.de 10.05.09)

13. Mai 2009