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LATEINAMERIKA/2319: Caracas und Teheran bekräftigen strategische Partnerschaft (SB)


Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad zu Gast bei Hugo Chávez


Nach Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien und Evo Morales in Bolivien hat auch der venezolanische Präsident Hugo Chávez seinen iranischen Amtskollegen Mahmoud Ahmadinejad empfangen, der nach seinen Besuchen in Gambia und dem Senegal seine Reisediplomatie in Südamerika abrundet. Während Teheran die durch das von den westlichen Mächten verhängte Sanktionsregime aufgezwungene Isolation politisch und wirtschaftlich zu durchbrechen sucht, sind die südamerikanischen Regierungen bestrebt, die Abhängigkeit von der Hegemonialmacht USA zu vermindern und ihre internationalen Beziehungen zu diversifizieren.

Venezuela und den Iran verbindet eine ausgeprägte Abneigung gegen die Vereinigten Staaten, die sich massiv in ihre inneren Angelegenheiten einmischen. Die USA haben neben zahlreichen anderen Attacken einen Putsch gegen Chávez inszeniert, der bekanntlich fehlgeschlagen ist. Heute treiben sie an der Spitze ihrer Verbündeten die Iraner in die Enge und drohen ihnen mit einem Angriffskrieg. Die strategische Partnerschaft zwischen Caracas und Teheran, die Chávez und Ahmadinejad erneut bekräftigt haben, ist die naheliegende Konsequenz aus der Strategie der westlichen Mächte, ihre Gegner zu spalten und einen nach dem andern zu zerschlagen.

Der venezolanische Staatschef hat schon vor Jahren seinen kritischen Worten an die Adresse Washingtons Taten der Bündnispolitik folgen lassen und jene Staatsoberhäupter aufgesucht oder empfangen, die von den USA zu "Schurken" erklärt worden waren oder kurz davor standen, von der militärischen Übermacht ins Visier genommen zu werden. Chávez reiste nach Libyen und Syrien, in den Irak und nach Weißrußland, vertiefte seine Beziehungen zu Peking und Moskau, wie er auch schon mehrmals in Teheran zu Gast war.

Die Regierungen Brasiliens, Boliviens und Venezuelas haben die Haltung des Irans im Streit um sein Atomprogramm unterstützt. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva unterstrich das Recht aller Staaten auf die zivile Nutzung der Atomkraft und wandte sich gegen weitere Sanktionen in der Kontroverse um das iranische Programm zur Anreicherung von Uran. Evo Morales unterzeichnete gemeinsam mit Ahmadinejad in La Paz eine Erklärung, die ebenfalls das Recht aller Staaten betont, die Atomenergie für friedliche Zwecke zu nutzen und zu entwickeln. Auch Chávez verteidigte das Recht Teherans auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie.

Auf der dritten Station seiner Lateinamerikareise sagte der iranische Präsident bei seinem vierten Besuch in Caracas, die Völker Venezuelas und des Irans hätten eine "gemeinsame Front" gegen die "Arroganz des weltweiten Imperialismus" gebildet. Chávez, der als engster Verbündeter Ahmadinejads in Südamerika gilt, bezeichnete diesen als "Gladiator des antiimperialistischen Kampfes" und nannte Israel zudem "den mörderischen Arm des Yankee-Imperiums". [1]

Wenngleich die Signalwirkung dieser Bündnispolitik in der internationalen Diplomatie natürlich von besonderer Bedeutung ist, hat auch die wirtschaftliche Kooperation zwischen Venezuela und dem Iran längst konkrete Züge angenommen. Seit Ahmadinejads Amtsantritt im Jahr 2005 wurde in Zusammenarbeit der beiden Staatschefs eine ganze Reihe bilateraler Abkommen geschlossen, die zunächst bei der naheliegendsten Übereinstimmung der beiden bedeutenden Erdölförderländer ansetzte, jedoch inzwischen weit darüber hinausreicht. Zur Förderung von Bodenschätzen und dem Bau von Raffinerien gesellten sich die Montage von Fahrrädern, Autos und Traktoren, eine gemeinsame Bank, die Errichtung einer Zementfabrik wie auch Projekte auf diversen weiteren Gebieten.

Bei einem Besuch des venezolanischen Präsidenten im vergangenen September in Teheran waren mehr als 250 Kooperationsabkommen geschlossen worden. Auch beim aktuellen Treffen mit Ahmadinejad, der von einer großen Delegation begleitet wurde, standen wirtschaftliche Themen im Mittelpunkt. In Caracas unterzeichneten die beiden Staatschefs weitere 70 Verträge unter anderem über eine verstärkte Zusammenarbeit im Energiebereich und in der Landwirtschaft. Auch weihten Chávez und Ahmadinejad mehrere Produktionsstätten feierlich ein, die im Rahmen von Joint Ventures von iranischen Experten betreut werden.

Während die bürgerliche Presse Staatsbesuche für gewöhnlich mit einer zurückhaltenden und kodifizierten Wortwahl kommentiert, die man bei derartigen Anlässen im allseitigen Interesse für geboten und angemessen hält, gilt das nicht für rote Tücher in den internationalen Beziehungen, auf die man sich in opportunistischer Anbiederung an die Staatsräson mit Häme, Unterstellungen und Bezichtigungen eingeschossen hat. "Der Caudillo pflegt seit Jahren eine enge Allianz mit dem radikalen Machthaber in Teheran", schreibt "Der Spiegel" in seiner elektronischen Ausgabe, um sodann vom Iran als zentralem Baustein einer "antiamerikanischen Achse" zu sprechen, die Chávez von Bolivien bis Nicaragua geschmiedet habe [2].

In wilder Spekulation kolportiert das Nachrichtenmagazin Gerüchte um die teuren Leerflüge zwischen Caracas und Teheran, bei denen es womöglich um mehr als normalen Geschäftsverkehr gehe: "Holt der Airbus Revolutionsgarden nach Südamerika, die hier Aufständische trainieren? Transportiert der Flieger womöglich Waffen? Bringt der Jet gar radioaktives Material nach Venezuela (...)? Sicher ist nur eines: Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat den Linienflug selbst angeordnet."

Das deutsche Leitmagazin bedient sich des einer seriösen Berichterstattung unwürdigen Mittels zusammenphantasierter Fragen, die auf dem Wege der Suggestion Behauptungen in die Welt setzen, für die nicht der geringste Beweis erbracht wird. Während auf diese Weise einerseits finsterste Machenschaften unterstellt werden, versucht man andererseits ohne Rücksicht auf diese und andere Ungereimtheiten in der eigenen Argumentation, Chávez zugleich lächerlich zu machen, indem man den "ehrgeizigen Venezolaner" als geltungssüchtigen "Dampfplauderer" abqualifiziert. Das Bündnis mit Ahmadinejad könne "noch unangenehme Überraschungen bergen: Wie wird Lula reagieren, wenn sich herausstellt, dass Chávez tatsächlich Waffen oder Nuklearmaterial aus Iran bezieht? Der Streit von Caracas und Bogotá über die Einrichtung neuer US-Militärbasen in Kolumbien hat sich in den vergangenen Wochen gefährlich aufgeschaukelt. Chávez ist unberechenbar und innenpolitisch unter Druck. Erstmals besteht die Gefahr, dass sich das Säbelrasseln der Nachbarstaaten in einem Waffengang entlädt. Ahmadinejad wird seinem Freund Chávez im Konflikt mit Kolumbien zweifellos zur Seite stehen - zunächst mit Worten, im Kriegsfall womöglich auch mit Waffen (...)."

An die Stelle einer sachkundigen Analyse tritt erneut die Aneinanderreihung von Bezichtigungen, Spekulationen und Pseudoerklärungen. Offenbar gehen Bedrohungsszenario und Kriegsgefahr nach Ansicht des "Spiegels" nicht etwa von den USA aus, die ihre militärische Präsenz in Südamerika mit den Nutzungsrechten an den kolumbianischen Stützpunkten massiv ausbauen, sondern von Hugo Chávez, dem Unberechenbarkeit und Angriffspläne mit iranischer Unterstützung unterstellt werden, als handle es sich bei seinen Warnungen vor der Aufrüstung im benachbarten Kolumbien und dem Aufruf zur Verteidigungsbereitschaft seines Landes um Hirngespinste oder Ablenkungsmanöver.

Anmerkungen:

[1] Ahmadinejad und Chávez. Arm in Arm gegen Amerika (26.11.09)
http://www.focus.de/politik/ausland/ahmadinedschad-und-chavez-arm-in- arm-gegen-amerika_aid_457590.html

[2] Südamerika-Reise. Chávez und Ahmadinedschad feiern Anti-Amerika- Allianz (26.11.09)
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,663525,00.html

26. November 2009