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LATEINAMERIKA/2322: Honduranische Oligarchie setzt auf internationale Kumpanei (SB)


Geringe Beteiligung an der Wahlfarce dokumentiert breiten Widerstand


Während zwei Drittel der 7,5 Millionen Einwohner von Honduras in Armut leben, konzentriert sich der zu Lasten dieses Elends erwirtschaftete Reichtum in den Händen von zehn mächtigen Familien, die Wirtschaft und Medien des mittelamerikanischen Landes weitgehend kontrollieren. Unterstützt von den Streitkräften und dem katholischen Klerus weist diese Oligarchie die klassischen Herrschaftsverhältnisse lateinamerikanischer Länder auf, in denen kleine einheimische Eliten als Kollaborateure und Statthalter kolonialer und imperialistischer Mächte Ausbeutung und Zurichtung der Bevölkerungsmehrheit sicherstellen und darüber ihre Macht konsolidieren.

Honduras ist seit mehr als einem Jahrhundert der militärische und geheimdienstliche Brückenkopf der Vereinigten Staaten in Mittelamerika, die von dort aus in den achtziger Jahren den Krieg der Contras gegen die Sandinisten in Nicaragua geführt und den Aufstand in El Salvador bekämpft haben. Das honduranische Offizierskorps hat in wesentlichen Teilen eine Ausbildung durch die US-Streitkräfte absolviert. Heute unterhält das Pentagon nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa seinen größten Stützpunkt in Lateinamerika. Aus den USA stammen zwei Drittel der Auslandsinvestitionen in Honduras, das seinen Außenhandel zur Hälfte mit den Vereinigten Staaten abwickelt. Kein Blatt fällt in diesem Land vom Baum, ohne daß der US-Geheimdienst davon wüßte, was dessen angebliche Unkenntnis der Putschpläne in den Rang einer Farce erhebt.

Wie immer die strategische Planung und taktische Umsetzung des Staatsstreichs vom 28. Juni im einzelnen verflochten gewesen mag, so muß der Putsch angesichts des engen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses des mittelamerikanischen Vasallenstaats von den USA als gemeinsames Vorhaben der honduranischen Eliten und US-Administration behandelt werden, was gewisse Unwuchten und Kontroversen in Details der Ausführung nicht ausschließt. Die Entmachtung Manuel Zelayas mit dem Ziel, dem Vordringen des Sozialismus des 21. Jahrhunderts Einhalt zu gebieten, liegt im beiderseitigen Interesse der Kumpane in Washington und Tegucigalpa.

Wäre es der US-Regierung ernst mit der Verurteilung des Staatsstreichs in Honduras und der Wiedereinsetzung Präsident Zelayas, könnte sie unmöglich eine Wahl anerkennen, die unter der Regie von Putschisten mit dem Ziel abgehalten wird, den Umsturz zu besiegeln und damit zu legitimieren. Was das Regime in Tegucigalpa und die Regierung in Washington als Ausweg aus der Krise bezeichnen, ist die Vollendung des Putsches in Gestalt der Rückkehr zu den Herrschaftsverhältnissen und deren politischer Repräsentanz vor der Ära Manuel Zelayas.

Nachdem die Putschisten mit Rückendeckung der USA vollendete Tatsachen geschaffen haben, hoffen sie auf eine sukzessive Akzeptanz des Wahlergebnisses durch weitere Regierungen, die in eine politische Kettenreaktion übergeht. Zu den Kandidaten, die empfänglich für diese Option sind, gehört auch Deutschland unter Führung der schwarz-gelben Bundesregierung. Er warne davor, Manuel Zelaya zum Märtyrer zu stilisieren und Venezuelas Präsident Hugo Chávez auf den Leim zu gehen, erklärte Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Der FDP-Mann ist die rechte Hand von Außenminister Guido Westerwelle und dürfte dank seiner beträchtlichen außenpolitische Erfahrung großen Einfluß auf die Entscheidungen seines Chefs haben. [1]

Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hat bekanntlich die Entmachtung Präsident Zelayas zu einem notwendigen und begrüßenswerten Akt der Wiederherstellung demokratischer und verfassungsgemäßer Verhältnisse in Honduras erklärt. Damit nicht genug, signalisierte die Liberale Internationale in aller Offenheit, daß sie diese Vorgehensweise auch in Nicaragua für geeignet hält, Daniel Ortega zu entmachten und die sandinistische Regierung zu beseitigen. Mit diesem Bekenntnis zum Interventionismus stehen die Liberalen natürlich nicht allein, was immer die große Koalition vor der Bundestagswahl an Verlautbarungen zur Lage in Honduras von sich gegeben haben mag.

Während die Organisation Amerikanischer Staaten anfangs die Wiedereinsetzung Manuel Zelayas einhellig gefordert hatte, haben die USA, Kolumbien, Peru, Panama und Costa Rica bereits signalisiert, daß sie die Wahl anerkennen. Indessen hält eine breite Mehrheit unter Führung Brasiliens, Venezuelas, Argentiniens und Uruguays an der Isolationspolitik gegenüber Honduras fest. In der EU zeichnen sich deutliche Spaltungstendenzen ab, zumal die auch von der Bundesregierung abgegebene Erklärung, man wolle zunächst den Wahlverlauf abwarten, Schlimmstes befürchten ließ. Diese Haltung ist mindestens opportunistisch, wenn nicht gar dem grundsätzlichen Kalkül geschuldet, vorsätzlich mit Lippenbekenntnissen gegen den Putsch zu Felde zu ziehen, dessen Resultat man längst gutgeheißen hat und bei passender Gelegenheit anerkennen will.

Wie aus ersten Berichten über den Verlauf der Präsidentschaftswahlen in Honduras hervorgeht, war die Wahlbeteiligung außerordentlich niedrig. Trotz gesetzlicher Wahlpflicht und der unablässigen Propagandakampagne nahezu aller Medien, man könne und müsse durch die Wahl eines neuen Staatschefs die Krise beilegen und zur Normalität zurückkehren, folgten selbst nach offiziellen Angaben 40 Prozent der Wahlberechtigten dem Boykottaufruf der Opposition. Geht man davon aus, daß dieses Ergebnis vermutlich zugunsten der Putschisten geschönt wurde, hat nahezu die Hälfte der wahlberechtigten Honduraner dem Regime eine Absage erteilt. Manuel Zelaya, der nach wie vor im Schutz der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa lebt, bei deren Verlassen ihm sofortige Festnahme droht, zumal das Oberste Gericht vor wenigen Tagen die fabrizierten Vorwürfe gegen ihn bestätigt hat, erklärte die vom Putschregime unter Roberto Micheletti organisierten Wahlen für illegitim. Zugleich rief er die Staatengemeinschaft auf, der künftigen Regierung die Anerkennung zu verweigern. [2]

Morgen soll in Tegucigalpa endlich der Kongreß zusammenkommen, um über die Wiedereinsetzung Zelayas abzustimmen, dessen offizielle Amtszeit am 27. Januar endet. Da seine Anhänger im Parlament in der Minderheit sind, benötigt er die Unterstützung durch die konservative Nationale Partei des Wahlsiegers Porfirio Lobo. Fällt das Votum negativ aus, steht der abgesetzte Staatschef vor der Entscheidung, in Brasilien oder einem anderen ihm wohlgesonnenen Land um Asyl anzusuchen oder sich in Honduras einem Prozeß wegen Hochverrats zu stellen.

Am Wahltag hatte das Regime unter massivem Einsatz der Sicherheitskräfte dafür gesorgt, daß die Anhänger Zelayas kaum in Erscheinung treten konnten. Dabei kamen landesweit mehr als 30.000 Soldaten und Polizisten zum Einsatz, die teilweise bereits im Vorfeld des Urnengangs gegen die Widerstandsbewegung vorgingen. In der Wirtschaftsmetropole San Pedro Sula im Norden des Landes wurden am Sonntag Demonstranten mit Tränengas und Schlagstöcken auseinandergetrieben. Mehrere Oppositionelle wurden verletzt, Amnesty International berichtete von Festnahmen. Ein spanischer Reporter wurde mit der Begründung festgenommen, er habe sich in die Politik eingemischt. Unter den Festgenommenen befand sich auch der Menschenrechtsaktivist Gustavo Enrique Cabrera aus Costa Rica, der als Mitglied einer kirchlichen Beobachtergruppe die Übergriffe fotografiert hatte. In der Hauptstadt Tegucigalpa waren die Plätze, an denen die Opposition traditionell demonstriert, von Soldaten umstellt. Offenbar ist ein Demonstrant von den Sicherheitskräften getötet worden.

Die Wahlfarce endete mit dem erwarteten Sieg des konservativen Kandidaten Porfirio Lobo von der Nationalen Partei, der mit rund 56 Prozent der gültigen Stimmen gewann, während Elvin Santos von der Liberalen Partei auf 38 Prozent kam. Die übrigen drei Bewerber endeten weit abgeschlagen. "Es ist keine Zeit mehr für Spaltungen. Wir müssen nach vorn blicken: Alle gemeinsam für Honduras!", faßte Lobo noch in der Wahlnacht die Propaganda der Regimekräfte zusammen, auch wenn er diesen nicht unmittelbar angehört, sondern sich als unabhängige Instanz darzustellen versucht. Lobo, der in wenigen Wochen 62 Jahre alt wird, hatte vor vier Jahren die Präsidentschaftswahlen knapp gegen Manuel Zelaya verloren. [3]

Der reiche Großgrundbesitzer und Agrarunternehmer Porfirio "Pepe" Lobo Sosa aus Olancho, der zu den größten Bohnen- und Maisproduzenten des Landes zählt, hat Jugendsünden in Gestalt einer kommunistische Phase samt Ausbildung in der Sowjetunion aus seiner offiziellen Biografie getilgt, in der das Studium der Betriebswirtschaft in Miami und der weitere Karriereweg zurück in den Schoß der Gesellschaft und insbesondere seiner Herkunft nachzulesen steht. Seit 1990 ist er in der Politik, wo er sich der Nationalen Partei anschloß, die sich seit Jahrzehnten mit der Liberalen Partei an der Macht ablöst. Als Präsident seiner Partei war Lobo von 2002 bis 2006 Parlamentsvorsitzender. [4]

Während vor dem Putsch der junge Kandidat der Liberalen Partei, Elvin Santos, als Favorit der Präsidentschaftwahl galt, profitierte Lobo von der Spaltung der Liberalen, die sich in Anhänger Zelayas auf der einen und Roberto Michelettis auf der anderen Seite aufteilte. Er hielt sich aus dem Machtkampf der zurückliegenden Monate heraus und beschränkte sich bei seinen Wahlversprechen auf Allgemeinplätze wie die Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten, soziale Reformen, bessere Schulbildung und die Beteiligung breiterer Bevölkerungsschichten an politischen Entscheidungen. Wenngleich er sich aus wahltaktischen Gründen von der Führung der Putschisten fernhielt, vermied er doch auch den Schulterschluß mit Zelaya. So versucht er nun allen Ernstes den Eindruck zu erwecken, ein reicher Großgrundbesitzer wie er könne als vorgeblich dritte politische Kraft den Konflikt schlichten und beenden. Daß sich die Habenichtse mit der Herrschaft der Oligarchie aussöhnen und fortan auf alle Ausbruchsversuche verzichten, ist aus seiner Sicht natürlich eine außerordentlich attraktive Vorstellung.

Anmerkungen:

[1] "Pepe" Lobo gewinnt umstrittene Wahlen in Honduras (30.11.09)sb http://www.dw-world.de/dw/article/0,,4941485,00.html

[2] Honduras: Ein Wahlsieger ohne breite Anerkennung (30.11.09)sb http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/525323/index.do?_vl_backlink=/home/politik/index.do

[3] Konservativer gewinnt umstrittene Wahl (30.11.09)sb http://derstandard.at/1259280896245/Konservativer-gewinnt-umstrittene- Wahl

1. Dezember 2009